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Hilfe für verwaiste Eltern

16.04.2001  00:00 Uhr

SELBSTHILFEGRUPPEN

Hilfe für verwaiste Eltern

von Christiane Berg, Hamburg

Ob durch Tod vor der Geburt oder im Säuglingsalter, durch Krankheit, Unfall, Drogenkonsum, Gewaltverbrechen oder Selbstmord - zu ihnen kann jeder kommen, der ein Kind, einen Bruder oder eine Schwester verloren hat. Im Netzwerk "Verwaiste Eltern in Deutschland" sind seit Beginn der achtziger Jahre bundesweit über 300 Selbsthilfegruppen entstanden, wo sich trauernde Mütter, Väter und Geschwister treffen, "um zu verstehen, was mit uns geschieht und was der Verlust in uns bewirkt".

20. 000 Kinder und junge Erwachsene sterben jährlich in Deutschland. Gabriele Knöll, Vorsitzende des Vereins "Verwaiste Eltern in Deutschland", Reppenstedt, spricht von 20. 000 "stillen Katastrophen" pro Jahr. "Nichts ist mehr wie es einmal war. Kein Stein bleibt auf dem anderen. Gott und die Welt, der Glaube und die eigene Identität stehen in Frage", so die Mutter von einer Tochter und vier Söhnen. Ihr viertes Kind, Moritz, verlor sie vor 19 Jahren im Alter von dreieinhalb Monaten, vermutlich durch plötzlichen Kindstod.

Männer trauern anders

Um die große seelische Erschütterung zu beschreiben, die die zurückbleibenden Eltern nach dem Verlust ihres Kindes erfahren, zitiert Knöll einen Vater in der Trauer um seine 16-jährige Tochter: "In der tiefen Sehnsucht nach ihr zerfließe ich. Meine Gewissheiten, Bezüge und Sinngehalte sind wie weggeblasen. Ich sehe keine Zukunft mehr, nur ein schwarzes Loch. Wochenlang an den Grenzen zum Irresein entlang. Wochen- und monatelang am Rande des Halluzinativen zu leben."

Der Tod eines Kindes bedeutet nicht nur eine Bedrohung der Persönlichkeit, so Knöll. Er zerreißt das Geflecht von Rollen, Funktionen und Beziehungsstrukturen der ganzen Familie und verändert langfristig deren Dynamik und emotionales Gleichgewicht. Die Ansicht, der Verlust eines Kindes schweiße die Lebenspartner zwangsläufig zusammen, entspricht nicht der Realität. Schätzungen besagen, dass zwei Drittel der Partnerschaften in ernste Schwierigkeiten geraten und dass beinahe die Hälfte mit Trennung endet.

"Männer, Frauen, Kinder: Jeder trauert anders", schildert die Psychotherapeutin ihre Erfahrungen aus 15-jähriger Trauerbegleitung. "Manche neigen nach dem Verlust ihres Kindes dazu, sich in die Arbeit oder andere Beschäftigungen zu flüchten, andere tendieren dazu, sich in sich selbst zurückzuziehen." Häufig werde der sehr unterschiedliche Umgang mit der Trauer von den Betroffenen als große Belastung erlebt. "Gegenseitige Erwartungen werden enttäuscht, die Andersartigkeit wird schlecht ausgehalten, was oft zu Beziehungs- und Eheproblemen führt."

Unterschiede überbrücken

Hier setzt die Arbeit der Selbsthilfegruppe an. Sie bietet Seminare und Gruppen für Betroffene, damit "aus Verschiedenheit nicht Trennung und Zerstörung wird", so Knöll. In den Gruppen finden Trauernde den schützenden Raum, in dem sie Leid zulassen können. "Der Kontakt zu Menschen, die Vergleichbares erleben und erlebt haben, kann hilfreich sein in dem Versuch, Missverständnisse zu meiden und Unterschiede in der Verarbeitung zu überbrücken."

Trauer sei keine Krankheit, könne aber krank machen - allemal in einer leistungsorientierten Gesellschaft, die wenig Raum lässt für den, der nicht funktioniert. "Nicht gelebte Trauer ist oft genug der Auslöser für unzählige psychosomatische und körperliche Erkrankungen", so Knöll. Häufig wisse auch die Umwelt nicht, wie sie mit Eltern, die ein Kind verloren haben, umgehen soll. "Selbst sehr nahestehende Personen gehen den Betroffenen plötzlich aus dem Weg, was die Einsamkeit und den Schmerz der Eltern noch verstärkt. In den Gesprächsgruppen und -seminaren finden sie die notwendige seelische Zuwendung"

Das Netzwerk der Verwaisten Eltern geht auf die Initiative von Dr. Mechthild Voss-Eiser, Evangelische Akademie, Hamburg, zurück und ist die deutsche Variante der weltweiten Bewegung der "Compassionate Friends", der mitfühlenden Freunde, die 1989 von Reverend Simon Stephens in Conventry, England, ins Leben gerufen wurde. Der deutsche Bundesverband mit seiner Geschäftsstelle in 21391 Reppenstedt (Fuhrenweg 3, Telefon (0 41 31) 68 03 23 2) und elf Regionalstellen, die die lokalen Selbsthilfegruppen betreuen, leistet Öffentlichkeitsarbeit, um das Thema "Trauerarbeit und Trauerbegleitung" aus der Tabuzone zu holen. Er richtet Seminare nicht nur für trauernde Eltern, Geschwister und Angehörige, sondern auch für Unternehmen, Institutionen und Gruppen aus, die im Umgang mit Trauernden Unterstützung suchen.

Nicht-Fassen-Können, Wut, blinder Schmerz, Ohnmacht, Angst, Verdrängung, innere Lähmung, die Frage nach dem Warum: Die Phasen der Trauer werden individuell und in verschiedenen Zeitabschnitten durchlebt, sagt Knöll und betont die große Bedeutung von Erinnerungen. "Der Weg in ein neues Leben führt durch das Leid hindurch und nicht am Leid vorbei. In den Gesprächsgruppen darf erinnert werden, darf das ganze Leid zugelassen werden - immer wieder, bis der Schmerz der Erinnerung sich wandelt in Hoffnung."

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