Medizin |
11.03.2002 00:00 Uhr |
dpa Zuerst war Martina Faude schockiert, als sie die Diagnose hörte. "Ihre neugeborene Tochter leidet vermutlich an einem Hydrocephalus, einem Wasserkopf", sagte ihr ein Arzt. "Ich konnte erst einmal nichts damit anfangen", sagt die Mutter aus Frickenhausen (Kreis Esslingen) heute, mehr als elf Jahre später. Von rund 2000 Neugeborenen oder Säuglingen hat ein Kind einen Hydrocephalus.
Damit ist ein Überschuss an Liquor gemeint. Ohne Behandlung entsteht im Schädel ein zu hoher Druck, der Nervengewebe zerstören und den Sehnerv schädigen kann. "Die Kinder fallen auf, weil sie unruhig sind und sich häufig übergeben müssen", sagt Roberto Michilli, Leiter der Kinderneurochirurgie im Stuttgarter Katharinenhospital. Weil die Fontanelle bei Neugeborenen noch offen ist, haben viele ohne Behandlung einen vergrößerten Kopfumfang.
"Wir therapieren einen Hydrocephalus, indem wir das Wasser über einen Katheter in die Bauchhöhle oder aber in das Herz ableiten", erklärt der Mediziner weiter. "Wir beginnen damit sehr früh. Kann die Ursache nicht behoben werden, so muss dies lebenslang geschehen." Diese Katheter gibt es seit Mitte der 50er-Jahre. "Sie sind ein Segen, früher bekamen die Kinder Köpfe mit bis zu einem Meter Kopfumfang und hatten schwere Hirnschäden", sagt der Arzt.Die Tochter von Martina Faude lebt heute noch mit dem Katheter. Er ist unter der Haut versteckt. "Die ersten fünf Jahre gab es kaum Probleme", erinnert sich die Mutter. Doch dann kam ein Familienurlaub an der Ostsee. "Unsere Tochter bekam plötzlich Kopfweh und erbrach sich mehrmals", erzählt sie. "Das war ein furchtbares Erwachen." Der Urlaub wurde abgebrochen, in einer Klinik in Lübeck musste das Kind operiert werden.
Seither sind die Faudes immer in Alarmbereitschaft. Um sich Unterstützung zu holen und ihre Erfahrungen an andere Eltern weiterzugeben, sind sie Mitglied geworden in der Arbeitsgemeinschaft Spina bifida und Hydrocephalus e. V. (ASbH), Bundesverband, Münsterstraße 13, 44145 Dortmund, Telefon (02 31) 86 10 50-0, Telefax (02 31) 86 10 50-50. Der Selbsthilfeverein hat bundesweit 3500 Mitglieder. Dietmar Faude ist stellvertretender Vorsitzender des Landesverbandes Baden-Württemberg.
"Der Austausch mit den anderen tut gut, vor allem der psychologische Beistand ist von unschätzbarem Wert", begründet Martina Faude ihr Engagement. Am 16. März veranstaltet der Verein eine Tagung in Stuttgart, zu der Kinder, Eltern und Experten eingeladen sind. Michilli wird die Veranstaltung moderieren.Jährlich sieht der Mediziner rund 30 bis 40 Kinder, bei denen das Leiden neu aufgetreten ist. "Die Kinder können sich völlig unauffällig entwickeln oder aber schwere motorische Störungen davontragen", sagt Michilli. Der Überschuss an Nervenwasser könne mehrere Ursachen haben. "Dazu gehören Gehirnfehlbildungen, Blutungen oder Entzündungen", erklärt der Mediziner. Es könnten jedoch auch lediglich die Abflusswege des Liquors verstopft sein.
© 2002 GOVI-Verlag
E-Mail: redaktion@govi.de