Medizin
Schon lange blicken westliche
Industrienationen fast neidisch auf den
Gesundheitszustand der Menschen in Asien. Koronare
Herzkrankheiten (KHK) und Arteriosklerose sind seltener
als bei uns, die Brustkrebsraten liegen rund viermal
niedriger als in den USA und für das, was Frauen hier
als "klimakterische Beschwerden" erleiden,
existiert in Japan nicht einmal eine Bezeichnung. Warum?
Eine exakte Erklärung gibt es bis heute nicht, dafür
aber Vermutungen, die sich in Studien immer mehr
bestätigen.
"Die beobachteten Phänomene werden in
erster Linie auf die Ernährung, genaugenommen deren
Proteinzusammensetzung, zurückgeführt", erklärte
Dr. Gregory L. Burke von der Bowma Gray School of
Medicine, Winston Salem, auf einer Pressekonferenz beim
69. Wissenschaftskongreß der American Heart Association
in New Orleans. Asiaten nehmen einen Großteil ihres
Eiweißbedarfs in Form von Soja zu sich.
In klinischen Studien habe man positive Effekte der
Sojaproteine auf die Blutfett- und Lipoproteinspiegel
sowie auf vorhandene atherosklerotische Erscheinungen
beobachten können, berichtete Burke. Zurückgeführt
werde dies auf ein Pflanzenestrogen in der Sojabohne. Ein
erhöhtes Brustkrebsrisiko, wie bei der üblichen
Hormonsubstitution diskutiert, sei bei der Sojatherapie
offensichtlich nicht gegeben. Inwieweit die Sojaproteine
jedoch wirklich das Potential als Alternative zur
Hormonersatztherapie aufweisen, ist laut Burke derzeit
noch nicht abschätzbar.
Antiklimakterische Effekte nicht überbewerten
In einer Cross-over-Studie mit 43 Frauen habe
man die Wirkung von 20 g Sojaprotein pro Tag (das sind
zwei Gläser Sojamilch) im Hinblick auf ihre Wirkung bei
klimakterischen Beschwerden untersucht. Geachtet wurde
auf Erscheinungen wie Herzrasen, Schweißausbrüche oder
Blutdrucksteigerung.
Enttäuschend: In der Häufigkeit des Auftretens der
Beschwerden war gegenüber Placebo kein Unterschied
festzustellen. Erfreulich: Die Schwere der Symptome war
in der Sojagruppe deutlich geringer. Derzeit sei eine
weitere Studie mit 140 Frauen und höherer Sojadosierung
(40 g/d) in Planung, so Burke.
Im Tierversuch auch gegen Krebs
In Tierversuchen reduziert eine sojareiche Diät
Zahl und Größe von Tumoren, berichtete Steven Barnes
von der University of Alabama, Birmingham, in New
Orleans. Eine antiestrogene Komponente, vergleichbar
beispielsweise dem Tamoxifen, besitze Soja jedoch nicht,
stellte er klar. Dafür scheine aber Ginesten, eines der
Sojaproteine, als Inhibitor eines tumorrelevanten
Wachstumsfaktors zu wirken. Man gehe derzeit davon aus,
daß es den proliferativen Prozeß der Phosphorylierung
im Tumor unterbindet. Erste Tierversuche hätten das
bestätigt, es sei aber noch unklar, inwieweit dieser
Effekt auf Dauer anhält.
PZ-Artikel von Bettina Schwarz, New Orleans
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