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Lebensgefährliche Meningokokken

13.12.2004  00:00 Uhr

Lebensgefährliche Meningokokken

von Brigitte M. Gensthaler, München

Eine systemische Infektion mit Meningokokken ist immer eine schwere Erkrankung, zumal ihr Verlauf nicht vorhersehbar ist. Antibiotika töten zwar die Bakterien ab, können deren Toxine aber nicht unschädlich machen. Fast 9 Prozent der Patienten sterben an der Infektion.

Das Bakterium Neisseria meningitidis kommt nur beim Menschen vor, bei 5 bis 10 Prozent lebt es sogar im Nasen-Rachen-Raum. Dabei handelt es sich oft um avirulente Stämme, berichtete Dr. Rainer Noack vom Institut für Infektiologie und Medizinische Mikrobiologie, Berlin-Buch, bei einem Pressegespräch der Chiron Behring in München. Die Übertragung erfolgt per Tröpfcheninfektion; danach gelangen die Erreger auf dem Blut- oder Lymphweg zum ZNS und können eine eitrige Hirnhautentzündung (Meningitis), Sepsis oder beides verursachen. Die Inkubationszeit beträgt einen bis vier, aber auch bis zu zehn Tage.

In Deutschland werden jährlich 700 bis 800 invasive Meningokokken-Erkrankungen gemeldet. Zwei Drittel davon lösen Keime der Serogruppe B aus. Knapp 30 Prozent (150 bis 200 Erkrankungen) gehen zu Lasten der Serogruppe C, die besonders schwere Verläufe verursachen kann (Letalität 12 Prozent). Die Typen W135 und Y sind hierzulande für etwa 5 Prozent der Fälle verantwortlich, der große Epidemien auslösende Serotyp A kommt vor allem in der Subsaharazone vor. Von einer Erkrankung betroffen sind laut Noack vor allem Kinder und Jugendliche, nach dem 30. Lebensjahr seien in Deutschland erworbene Infektionen selten. Die Datenlage ist relativ gut, da die Erkrankung und bereits der Verdacht meldepflichtig sind.

Dramatischer Verlauf möglich

Grundsätzlich kann jede Serogruppe die gleichen Symptome hervorrufen. Im Anfangsstadium mit hohem Fieber, Frösteln, Abgeschlagenheit, Muskelschmerzen und Übelkeit ist der Verlauf nicht absehbar, so dass jeder Patient sofort intensiv behandelt werden muss. Typische Frühzeichen sind Hautblutungen („rote Punkte“, „rötliche Flecken“), die nach Erfahrung des Infektiologen frühestens fünf Stunden nach Fieberbeginn auftreten. Kommen Ängstlichkeit, Apathie, Nackensteife oder Krampfanfälle hinzu, ist höchste Eile geboten. Denn diese Symptome weisen auf eine Hirnhautentzündung hin. Eine Sonderform neben Meningitis und Sepsis ist die fulminante oder perakute Meningokokken-Sepsis, die innerhalb von 24 bis 36 Stunden zum Tod führen kann.

Säuglinge reagieren vielfältig und oft unspezifisch auf die schwere Infektion. Noacks Merkformel: „Lethargie + unklares Fieber + eventuell Erbrechen = sofortige Einweisung in eine Klinik“. Insgesamt betreffen 13 Prozent aller Erkrankungen Säuglinge.

Der Krankheitsverlauf wird von der Höhe der Keiminvasion und der damit verbundenen Endotoxinbildung, der individuellen Abwehrlage des Patienten und dem Therapiebeginn bestimmt. „Problematisch sind die Toxine, nicht die Bakterien selbst“, erklärte der Arzt. Meningokokken sind mit Antibiotika wie Penicillin G oder Cephalosporinen, zum Beispiel Cefotaxim und Ceftriaxon, gut behandelbar.

Wann Prophylaxe ratsam ist

Unumstritten ist die sofortige Chemoprophylaxe bei Personen, die engen Kontakt zu einem Patienten haben, zum Beispiel zu Hause oder im Kindergarten. Dazu werden Rifampicin oder Ciprofloxacin peroral oder Ceftriaxon intramuskulär verabreicht.

Zur Prophylaxe stehen Konjugat- und Polysaccharid-Impfstoffe zur Verfügung, die gegen unterschiedliche Serogruppen schützen. Polysaccharid-Impfstoffe richten sich gegen die Typen A, C, W135 und Y, sind erst bei Kindern ab zwei Jahren wirksam und erzeugen kein immunologisches Gedächtnis. Sie werden beispielsweise vor Reisen in den „Meningitisgürtel“ Afrikas oder Pilgerfahrten nach Mekka empfohlen. Bei Bedarf muss der Betroffene seinen Impfschutz nach drei bis fünf Jahren erneuern.

Konjugat-Impfstoffe schützen nur vor C-Meningokokken, sind aber bereits für Babys ab dem zweiten Lebensmonat und Erwachsene zugelassen. Dieser Schutz hält lange, möglicherweise sogar lebenslang an. Wichtig zu wissen: „Nur ein Drittel aller Meningokokken wird von dieser Impfung erfasst“, betonte Noack. Dies müsse man den Eltern erklären, wenn sie ihre Säuglinge und Kinder impfen lassen, damit sie sich bei Krankheitszeichen nicht in falscher Sicherheit wiegen.

Gegen den häufigsten Erregertyp B gibt es weltweit nur einen einzigen Impfstoff, der im Juli 2004 in Neuseeland zugelassen wurde. Diese Vakzine wurde für einen nur dort vorkommenden Meningokokken-B-Stamm entwickelt, der in den letzten 13 Jahren eine Epidemie ausgelöst hat. In Deutschland kann dieser Impfstoff folglich nicht verwendet werden.

STIKO hält sich zurück

Die Ständige Impfkommission (STIKO) empfiehlt die Meningokokken-Impfung bislang nicht generell, sondern nur für besondere Personengruppen (www.rki.de/INFEKT/EPIBULL/2004/30_04.PDF). Das sind zum Beispiel:

  • immungeschwächte Personen,
  • gefährdetes Laborpersonal,
  • Reisende in Endemiegebiete und Entwicklungshelfer,
  • Schüler und Studenten mit einem längeren Aufenthalt in Ländern, in denen die Impfung empfohlen wird, zum Beispiel England, Irland, Spanien und Griechenland.

Den beiden ersten Gruppen rät die STIKO eine Meningokokken-C-Impfung, der nach sechs Monaten eine Impfung mit polyvalentem Impfstoff folgt. Bei Reisen schafft ein auf das Reiseland abgestimmter Polysaccharid-Impfstoff bereits ausreichenden Schutz. Top

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