Medizin
Herzkongreß: Erfolge in kleinen
Schritten
Die koronare Herzkrankheit (KHK)
stellt in den westlichen Industrienationen die häufigste
Todesursache dar. Welche Faktoren zur explosionsartigen
Zunahme der Durchblutungsstörungen des Herzens geführt
haben, war einer der Diskusssionspunkte beim 18.
Europäischen Kardiologenkongreß in Birmingham.
Ein Grund für die weite Verbreitung könnte eine
Infektion mit dem als Verursacher der meisten
Magengeschwüre enttarnten Keim Helicobacter pylori sein.
Eine Studie von Dr. Ossei Gerning, Pinderfield Hospital,
Wakefield, England, zeigt, daß der Erreger bei schwer
Herzkranken tatsächlich häufiger gefunden wird als bei
Patienten mit normalen Herzkranzgefäßen. Ein genauer
Zusammenhang ist aber noch nicht geklärt.
Vitamin E senkt Rate tödlicher Herzinfarkte
Freie Radikale spielen bei der Bildung
atherosklerotischer Plaques eine wichtige Rolle. Wie kann
man ihre Wirkung entschärfen? In der CHAOS-Studie wurde
die Wirkung des antioxidativ wirkenden Vitamin E
untersucht. Dr. Nigel Stephens, Northwick Park Hospital,
Harrow, England, betonte, daß die regelmäßige
hochdosierte Vitamin E-Gabe die Zahl nichttödlicher
Herzinfarkte im Vergleich zu Placebo um 75 Prozent senkt.
Vergleichende Untersuchungen haben gezeigt, daß
natürliches Vitamin E aufgrund einer deutlich besseren
Verstoffwechslung rein synthetischen Formen vorgezogen
werden sollte.
Streit um Herzglykoside beendet
Überwiegt der Nutzen der Herzglykoside die
Nebenwirkungen? Die Resultate der von den staatlichen
US-National Instituts of Health gesponserten DIG-Studie
mit 8000 Patienten zeigten, daß die Einnahme von
Digitalisglykosiden die Krankheitszeichen einer
Herzinsuffizienz deutlich bessert und die
Krankenhauseinweisungen verringert. Allerdings kann die
Einnahme der positiv inotrop wirkenden Medikamente die
Zahl der Todesfälle nicht senken. Offenbar kommt auf
jeden vermiedenen, durch die Herzmuskelschwäche selbst
ausgelösten Todesfall ein zusätzlicher Todesfall, der
auf eine durch Digitalisüberdosierung verursachte
Herzrhythmusstörung zurückgeführt werden muß.
Betablocker auch bei Herzinsuffizienz
Bestimmte Betablocker werden für die Therapie der
Herzinsuffizienz zunehmend wichtiger. Bis vor wenigen
Jahren durften sie bei dieser Indikation überhaupt nicht
eingesetzt werden, sondern nur bei der Behandlung von
Hypertonie und Angina pectoris. In Birmingham wurden
Studien vorgestellt, daß Carvedilol - ein Betablocker
mit zusätzlicher blutgefäßerweiternder Wirkung - bei
Patienten mit leichter, mittelgradiger und schwerer
Herzmuskelschwäche gleichermaßen gut wirkt. Es zeigte
sich, daß die seit vielen Jahren zur Blutdrucksenkung
eingesetzte Substanz bei herzinsuffizienten Patienten das
Sterberisiko um bis zu 70 Prozent zu senkt.
Schrittmacher vorbeugend?
Patienten, die einen Herzinfarkt überlebt haben oder die
nach einem plötzlichen Herzstillstand wiederbelebt
wurden, sind besonders gefährdet, abermals einen
Herzstillstand zu erleiden. Bisher wurden diesen
Patienten ein Herzschrittmacher eingesetzt, ein
sogenannter implantierbarer Defibrillator (ICD), der bei
Bedarf einen starken Stromstoß abgibt, um die
Herztätigkeit wieder in Gang zu setzen. Lohnt sich auch
eine vorbeugende Implantation bei Herzinfarktpatienten,
die noch keinen plötzlichen Herzstillstand hatten? In
der MADIT-Studie wurden 196 Patienten entweder mit einem
ICD versorgt oder einer zweiten Gruppe zugeordnet, die
medikamentös behandelt wurde. Diese Studie wurde
vorzeitig abgebrochen, da die Vorteile der ICD
unübersehbar waren: Die Zahl der Herztodesfälle lag in
der ICD-Gruppe um 54 Prozent niedriger als in der
Medikamentengruppe.
Rotwein im Tierversuch gefäßprotektiv
Als vielversprechend erwiesen sich die Ergebnisse von
Tierversuchen, die von der Arbeitsgruppe um Dr. Carlos V.
Serrano, Sao Paulo, Brasilien, durchgeführt wurden. Die
Brasilianer hatten die Wirkung von Rotwein auf die
Bildung atherosklerotischer Ablagerungen untersucht. Es
zeigte sich, daß die nur mit einer fettreichen Diät
ernährten Tiere in 60 Prozent der Fälle an der
Oberfläche ihrer Aorta atherosklerotische Ablagerungen
hatten, während der Anteil bei den zusätzlich mit
Rotwein ernährten Leidensgenossen bei nur 38 Prozent
lag. Diese Beobachtung spricht abermals dafür, daß das
French Paradox tatsächlich in erster Linie auf den
reichlichen Rotweingenuß zurückzuführen ist.
PZ-Artikel von Jochen Kubitschek, Birmingham
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