Amputationen meist überflüssig |
21.10.2002 00:00 Uhr |
Bei Brustkrebs sind Brust erhaltende Operationen genauso erfolgreich wie die Amputation der Brust. Das ist das Ergebnis zweier Studien, die in der aktuellen Ausgabe des angesehenen New England Journal of Medicine erschienen sind.
Die beiden Forschergruppen haben Frauen, die in den 70er- und Anfang der 80er-Jahre an Brustkrebs erkrankten, für mehr als 20 Jahre beobachtet, um die radikale Amputation der Brust mit einer Brust erhaltenden Operation zu vergleichen. Beide Studien liefern ein eindeutiges Ergebnis: Bei Frauen mit relativ kleinen Tumoren ergibt sich weder hinsichtlich der Metastasenbildung noch der Überlebenszeit ein Vorteil für die Mastektomie. Die Brust erhaltende Operation ist damit Therapie der Wahl.
80 Jahre lang wurde an Brustkrebs erkrankten Frauen mit einer nach Halsted benannten Methode radikal die Brust amputiert – unabhängig vom Alter der Patientinnen und von der Größe des Tumors. Brust erhaltende Operationen zogen Ärzte lange Zeit gar nicht in Betracht. Erst Ende der 60er-Jahre begannen sie darüber nachzudenken, ob eine Brust erhaltende Operation bei Brustkrebs genauso erfolgreich sein könnte wie die radikale Amputation.
Für eine der beiden jetzt veröffentlichten Studien begann die Rekrutierung der Patientinnen 1973. 701 Frauen mit relativ kleinen Primärtumoren von bis zu zwei Zentimetern Durchmesser nahmen an der randomisierten Studie teil. Sie unterzogen sich nach der Diagnose entweder einer Brustamputation (349 Patientinnen) oder das Tumorgewebe wurde großzügig chirurgisch entfernt und die befallene Seite anschließend bestrahlt (352 Patientinnen). Nach 1976 erhielten Patientinnen aus beiden Gruppen, bei denen Lymphknoten befallen waren, zusätzlich eine adjuvante Chemotherapie.
Zwar war die Wahrscheinlichkeit für ein Rezidiv an der Stelle des Primärtumors – also in der zuvor bereits befallenen Brust – bei Frauen nach Brust erhaltender Operation größer (30 von 352 Patientinnen versus 8 von 349). Aber hinsichtlich des Auftretens von Tumoren in der bislang gesunden Brust, Metastasen in anderen Körperregionen sowie weiteren Krebsgeschwüren ergaben sich keine Unterschiede zwischen den beiden Gruppen, schreiben Umberto Veronesi und seine Mitarbeiter vom European Institute of Oncology in Mailand. Auch die Überlebensrate (alle Todesursachen berücksichtigt) war vergleichbar: 20 Jahre nach Mastektomie lebten noch 58,8 Prozent der Patientinnen, nach Brust erhaltender Operation noch 58,3 Prozent. 26,1 Prozent der Patientinnen starben innerhalb von 20 Jahren nach Mastektomie an ihrer Brustkrebserkrankung. Nach einer Brust erhaltenden Operation starben 24,3 Prozent in demselben Zeitraum.
Zu ähnlichen Ergebnissen kommen die Forscher um Bernhard Fisher vom National Surgical Adjuvant Breast and Bowel Project der Universität Pittsburgh. An deren Studie nahmen 1851 Frauen teil, die an Brusttumoren mit einem Durchmesser von bis zu vier Zentimetern erkrankt waren. Den Patientinnen wurden entweder die Brust amputiert, Brust erhaltend operiert oder sie erhielten zusätzlich zur Brust erhaltenden Operation noch Bestrahlungen. In allen drei Gruppen ergaben sich keine Unterschiede hinsichtlich krankheitsfreiem Überleben, der Metastasenbildung und dem Gesamtüberleben. Allerdings traten nach Bestrahlung weniger lokale Rezidive auf. In dieser Gruppe starben auch etwas weniger Frauen an Brustkrebs. Der Effekt auf das Gesamtüberleben wurde jedoch dadurch wieder aufgehoben, dass die Frauen dieser Gruppe häufiger an anderen Todesursachen starben.
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