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Leben und leben lassen

23.10.2000  00:00 Uhr

Leben und leben lassen

von Ulrike Wagner, Berlin

Unter der Glasscheibe hüpfen Katzenflöhe hektisch hin und her. Die Lederzecken daneben bewegen sich im Vergleich dazu gemütlich langsam. Ihr verschrumpelter Leib lässt jedoch vermuten, wieviel Blut sie aufnehmen können, wenn sie einmal ein Opfer gefunden haben. Moskitos der Art Aedes aegypti versuchen verzweifelt, aus der Petrischale zu entwischen. Im Museum für Naturkunde in Berlin geht es derzeit lebhaft zu: Die Besucher können nicht nur uralte Dinosaurier-Skelette bestaunen, sondern auch lebende Parasiten.

Ein riesiger Floh macht bereits vor dem Museum auf die Sonderausstellung "Parasiten - leben und leben lassen" aufmerksam. Auch wenn es die meisten Menschen kribbelt, juckt und ekelt, sobald sie an Mitbewohner wie Bettwanzen, Zecken und Flöhe denken: Parasiten sind eine faszinierende Lebensform und dabei ungeheuer erfolgreich. So kann ein einzelner Mensch von mehr als 50 verschiedenen Parasiten besiedelt sein, wie Professor Dr. Richard Lucius, Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Parasitologie (DGP) bei der Eröffnungspressekonferenz berichtete. DTG und Deutsche Tropenmedizinische Gesellschaft (DTG) sind die Schirmherren der Ausstellung.

Tarnanzug für Egel

Die Faszination der Parasiten geht von den ausgeklügelten Überlebensstrategien der Plagegeister aus. Die Taktik eines Flohs, der ein Hundertfaches seiner Körpergröße überspringt, um dem Blutspender nach einem Biss zu entkommen, ist beeindruckend. Im Vergleich zu Parasiten, die das Körperinnere ihrer Wirte besiedeln, scheint diese Strategie allerdings eher simpel. So kann der Erreger der Bilharziose, der Pärchenegel Schistosoma mansoni, jahrelang in menschlichen Blutgefäßen überleben, ohne dass das Immunsystem die ineinander verschlungenen Helminthen auch nur beachtet. Des Rätsels Lösung ist einfach und gleichzeitig genial. Die Egel umhüllen sich mit einem Tarnzanzug, indem sie ihre Oberfläche mit wirtseigenen Oberflächenmolekülen überziehen, die von roten Blutkörperchen stammen. Das Immunsystem hält sie dann offensichtlich für überdimensionierte körpereigene Erythrozyten.

Trypanosomen, die Erreger der Schlafkrankheit, haben eine nicht weniger wirkungsvolle Strategie entwickelt. Die Oberfläche des Erregers verändert sich ständig. Hat das Immunsystem den Parasit als solchen erkannt und beginnt mit seinen Abwehrstrategien, gibt es schon längst Trypanosomen, die ihre Oberfläche so modifiziert haben, dass sie dem Angriff entkommen. So wechselt die Population der Parasiten ständig, und das Immunsystem hinkt immer einen Schritt hinterher.

Verhaltensgestörte Ameise

Völlig surreal scheint die Taktik des kleinen Leberegels, Dicrocoelium dendriticum, seinen Endwirt zu erreichen. Schafe scheiden die Eier des Egels mit ihrem Kot aus. Schnecken nehmen die Eier auf, aus denen dann Larven schlüpfen. Diese entwickeln sich über verschiedene Stadien und werden anschließend von der Schnecke in Schleimballen ausgestoßen. Dies sind Leckerbissen für verschiedene Ameisenarten der Gattung Formica. In der Ameise angelangt geschieht Unglaubliches: Eine einzige der zahlreichen Leberegellarven wandert in eine zentrale Schaltstelle des Ameisen-Nervensystems und bohrt sich dort in einen Nervenknoten, von dem die Nerven zu den Kiefern abgehen. Statt am Abend in ihr Nest zurückzukehren, wandert die Ameise dann wie unter Hypnose bis zur Spitze von Pflanzenhalmen und beißt sich dort fest. Auslöser für den Kieferkrampf sind die niedrigen Nachttemperarturen. Die Ameise verbringt die Nacht im Freien. Wärmt die Morgensonne das Insekt wieder auf, mischt sie sich wieder unter ihr Volk und ist von ihren Artgenossen nicht mehr zu unterscheiden.

Wenn allerdings Schafe am frühen Morgen über die Weide ziehen, wird die Ameise aus Versehen mitgefressen. Und schon befindet sich die Larve in ihrem Endwirt. Start frei zur endgültigen Differenzierung in einen erwachsenen Leberegel. Und damit beginnt der Zyklus erneut.

Aber nicht nur die "Faszination Parasit", ist Thema der Ausstellung. Praxisnah informiert sie auch über die letzten Gefahren im deutschen Wald, über Infektionen, die von Nahrungsmitteln übertragen werden, Parasiten von Hund und Katze, über Tropenkrankheiten und über die Geschichte der Parasitologie in Berlin. Wer sich für das Thema interessiert, sollte ins Museum für Naturkunde der Humboldt-Universität Berlin kommen (Invalidenstraße 43, 10115 Berlin, Telefon 0303/2093-8591). Die von der Bayer AG und der Bildagentur eye of science unterstützte Ausstellung ist vom 15. Oktober bis zum 14. März, dienstags bis sonntags von 9.30 Uhr bis 17 Uhr, geöffnet. Der empfehlenswerte mit faszinierenden Bildern reichhaltig gestaltete Ausstellungskatalog ist im Parey Buchverlag Berlin erschienen.

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