Medizin
Helicobacter pylori:
Pathophysiologie
und Eradikation
1983 haben zwei australische
Ärzte, der Pathologe Warren und der Assistenzarzt
Marshall, mit einer Publikation im Lancet ein Weltbild
zum Einsturz gebracht: Sie beschrieben unidentified
curved bacteria" im Magen, der wegen seiner
Acidität bislang als steril galt, und leiteten eine
Revolution ein, weil fast alle Magenerkrankungen mit
diesem zunächst Campylobacter pyloridis, heute
Helicobacter pylori (H.p.) genannten Bakterium in
Beziehung gebracht werden konnten.
Rund 3,5 Milliarden Menschen sind weltweit mit
dem Bakterium infiziert. Dabei erfolgt die Infektion
offensichtlich ähnlich wie bei Hepatitis A auf
faekal-oralem Weg im Kindesalter. Weitere Infektionswege
werden diskutiert, sind aber nicht gesichert. Aus
Selbstversuchen und einigen akzidentellen
H.p.-Infektionen wissen wir, daß es nach einer Ingestion
zur akuten Gastritis mit Inappetenz, Übelkeit,
Erbrechen, schlechtem Mundgeruch und Magenschmerzen
kommt. Das Krankheitsbild hält zwei bis drei Wochen an.
Zeichen der akuten Magenschleimhautentzündung ist
zunächst eine massive Infiltration mit Granulozyten,
dann finden sich Lymphozyten und
Antikörper-produzierende Plasmazellen: Die akute
Gastritis wird chronisch. Nur in seltenen Fällen gelingt
es dem Körper, mit der Infektion spontan fertig zu
werden.
Die chronische Gastritis ist der Wegbereiter einer Reihe
von Magenerkrankungen. Die Infektion ist heilbar,
allerdings lebt der Keim durch eine Ammoniakwolke
geschützt in einem sauren Milieu, während Antibiotika
üblicherweise ihre Aktivität durch hohe Gewebespiegel
im neutralen Milieu entfalten. Der Keim besiedelt den
gesamten Magen, wobei die Aktivität der Entzündung im
Antrum am stärksten ausgeprägt ist. Ferner induziert er
die Entstehung von Lymphfollikeln in einem Organ, das im
Gegensatz zum Dünndarm primär keine immunkompetenten
Zellen aufweist. In dem Mucosa-assoziierten lymphatischen
Gewebe (MALT) kann dann das Non-Hodgkin-Lymphom
auftreten.
Der Ausbruch eines Ulcusleidens im Zwölffingerdarm ist
außerdem von Umweltfaktoren abhängig. Dies erklärt,
warum nur jeder zehnte Patient mit einer H.p.-Gastritis
einen Ulcus bekommt. Andersherum sind 95 bis 98 Prozent
aller Ulcera duodeni H.p.-assoziiert. Beim Magengeschwür
findet man den Keim nur in 70 bis 80 Prozent aller
Fälle. Hier läßt das Fehlen einer H.p.-Gastritis auf
eine medikamentös-toxische Genese schließen. Beim Ulcus
im operierten Magen spielt H.p. wahrscheinlich keine
große Rolle mehr, hier dürfte der Säurefaktor im
Vordergrund stehen.
Epidemiologische Studien deuten darauf hin, daß die
H.p.-Gastritis auch Wegbereiter des Magenkarzinoms ist.
Das Risiko, ein Magenkarziom zu bekommen, ist bei einer
H.p.-Infektion um den Faktor 3 bis 6 erhöht. Die
H.p.-Gastritis ist ferner Vorläufer des seltenen
MALT-Lymphoms des Magens.
Therapie
Bei der Therapie kommt es ganz entscheidend auf
die Compliance des Patienten an. Mit modernen
Antibiotikakombinationen, in deren Mittelpunkt die Gabe
von Omeprazol plus Clarithromycin steht, lassen sich
Eradikationsraten nach sieben- bis zehntägigen
Behandlungen von über 90 Prozent erreichen. Verschiedene
nationale Fachgesellschaften in den USA, Großbritannien
und Deutschland haben Therapieempfehlungen
veröffentlicht, die naturgemäß dem Fortschritt der
Wissenschaft angepaßt werden müssen. Die meisten
klinischen Studien sind mit Omeprazol durchgeführt
worden, doch zeigen neuere Therapiestudien, das zumindest
bei der modernen Tripeltherapie (Omeprazol plus
Amoxicillin plus Clarithromycin) Omeprazol ohne
wesentlichen Einbußen durch Lansoprazol oder Pantoprazol
ersetzt werden kann. Für H2-Rezeptorantagonisten liegen
noch keine ausreichenden Daten für die zweimal tägliche
Gabe über sieben Tage vor.
Die H.p.-Therapie führt nicht nur zur Heilung eines
chronisch rezidivierenden Leidens mit 40000 Ulcus-Toten
pro Jahr in Deutschland, sondern auch zu erheblichen
Einsparungen im Gesundheitswesen. Wenn alle 2,3 Millionen
jährlichen Ulcera konsequent über fünf Jahre
antibiotisch würden, sänke die Zahl der beobachteten
Geschwüre um 95 Prozent, so daß das Krankheitsbild des
peptischen Ulcus bald in den Geschichtsbüchern der
Medizin verschwinden könnte.
PZ-Artikel von Wolfgang Rösch, Frankfurt
Herrn Professor Dr. Dr. Ernst Mutschler
zum 65. Geburtstag gewidmet
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