Pharmazeutische Zeitung online

Medizin

10.07.2000  00:00 Uhr

- Medizin Govi-Verlag

LIPODYSTROPHIE

Die HIV-Infektion wird sichtbar

von Brigitte M. Gensthaler, München

In gewisser Weise ist das Kaposi-Sarkom, das zu Beginn der Aids-Epidemie häufig die Erkrankten entstellte, mit dem Lipodystrophie-Syndrom vergleichbar: Es macht die HIV-Infektion sichtbar. Dank wirksamer antiretroviraler Therapie geht es den Betroffenen heute zwar relativ gut, aber sie sehen "krank" aus – vor allem durch den Fettschwund im Gesicht.

"Die Lipodystrophie ist eines der deprimierendsten Kapitel in der Geschichte einer erfolgreichen Therapie", sagte Dr. Stefan Mauss, Internist in einer HIV-Schwerpunktpraxis in Düsseldorf, bei den Münchner Aids-Tagen. Die Veränderung der Körperform belastet die Patienten stark; steigende Blutfett- und Blutzuckerwerte erhöhen zudem das Risiko, eine Arteriosklerose zu entwickeln.

Über Ursachen und Häufigkeit des Syndroms wird nach wie vor spekuliert. Bis vor kurzem wurden Protease-Inhibitoren als Auslöser angesehen; inzwischen ist man vorsichtiger. Mauss dazu: "Es gibt derzeit keine Therapie, unter der das Risiko, ein HIV-assoziiertes Lipodystrophie-Syndrom zu entwickeln, nicht vorhanden zu sein scheint."

Auch wenn die Angaben zur Prävalenz der komplexen Erkrankung stark schwanken, scheinen Frauen etwas häufiger betroffen zu sein. Viele klagen über eine Vergrößerung der Brust, die äußerst schmerzhaft sein kann. Fettverlust an Armen, Beinen und Gesäß sowie eine zentrale Fetteinlagerung ("Bierbauch") entstellen die weibliche Figur und stören das Selbstwertgefühl empfindlich, berichtete die in einer Münchner HIV-Schwerpunktpraxis arbeitende Ärztin Dr. Eva Jägel-Guedes. Nach ihrer Erfahrung scheinen Frauen vom A-Typ – schmale Hüften, Neigung zu Fettansammlung an Bauch und Busen, dünne Beine – eher zur Lipodystrophie zu neigen als Frauen mit breiten Hüften, kräftigen Beinen und kleinem Busen (B-Typ).

Genauere Zahlen zur Häufigkeit lieferte die LipART-Studie. Die rund 220 Patienten, die in Schwerpunktpraxen und universitären Klinikambulanzen betreut wurden, blickten alle auf eine gleich lange Therapiedauer zurück. Nach dreijähriger antiretroviraler Therapie zeigten 34 Prozent eine Lipodystrophie (nach eigener Einschätzung sogar 52 Prozent der Patienten). Wesentliche Risikofaktoren waren eine längere Therapie mit Stavudin (d4T; nukleosidischer Reverse-Transkriptase-Inhibitor) und eine deutliche zelluläre Immunsuppression, berichtete Mauss. Günstig wirkte dagegen eine längere Gabe von nicht-nukleosidischen RTI.

Hat sich das Unterhautfett erst einmal umverteilt, sind die Behandlungsmöglichkeiten nicht üppig. In manchen Fällen bildet sich die Störung nach Austausch der HIV-Medikamente teilweise zurück, erklärte Mauss. Fettansammlungen im Bauch können begrenzt durch körperliches Training und in speziellen Fällen mit rekombinantem Wachstumshormon behandelt werden. In einer offenen Studie ging die viszerale Fettmasse um 50 Prozent zurück, berichtet dazu die Ärztezeitung (Ausgabe 6. Juni). Die Veränderungen im Gesicht kann man mit Hilfe der plastischen Chirurgie wenigstens vorübergehend korrigieren.

Langfristig gefährlich sind Diabetes mellitus und eine Hyperlipidämie, die wie bei nicht-infizierten Patienten behandelt werden. Bei vielen Patienten führt die antiretrovirale Therapie zu Serumlipid-Werten, die mit einem erhöhten kardiovaskulären Risiko verbunden sind (LDL über 155 mg/dl; HDL unter 35 mg/dl). Haben die Patienten weitere Risikofaktoren, erhöht sich die Gefahr, zum Beispiel einen Herzinfarkt zu erleiden. Daher sollen Raucher und ältere Patienten mit erhöhtem Lipoprotein (Lp a), Homocystein oder Fibrinogen sowie Hypertoniker und Diabetiker ihre Lipidwerte engmaschig kontrollieren.

Bei der Auswahl von CSE-Hemmern zur Lipidsenkung bevorzugt man Stoffe wie Fluvastatin oder Pravastatin, die wenig mit Cytochrom P450 3A4 und der Metabolisierung von Protease-Inhibitoren interagieren. Fibrate sind besonders bei Hypertriglyzeridämien effektiv.

Literatur:

  1. Jäger, H., AIDS – Herausforderungen für Forschung, Behandlung und das Leben mit HIV. AIDS-Monographien Bd. 8. Verlag moderne Industrie, Landsberg 2000.

Zur speziellen Thematik:

  1. Jägel-Guedes, E., Besonderheiten bei HIV-infizierten Frauen mit HAART. S. 325 - 327;
  2. Behrens, G., Schmidt, R. E., Metabolische Komplikationen der antiretroviralen Therapie. S. 251 - 255.
  3. Brunner, U., HIV-Therapie lässt Fette wandern. Pharm. Ztg. 144, Nr. 45 (1999) 42.
  4. HIV-positiv. Länger überleben bei guter Lebensqualität. Beilage zur MMW 142, Nr. 24 (2000).

Unter http://www.AIDSfinder.org finden Sie ein umfangreiches deutschsprachiges Verzeichnis von Informationsquellen zu Aids und HIV.

Top

© 2000 GOVI-Verlag
E-Mail: redaktion@govi.de

Die experimentelle KI
von PZ und PTA-Forum
Die experimentelle KI
von PZ und PTA-Forum
Die experimentelle KI
von PZ und PTA-Forum
 
FAQ
SENDEN
Wie kann man die CAR-T-Zelltherapie einfach erklären?
Warum gibt es keinen Impfstoff gegen HIV?
Was hat der BGH im Fall von AvP entschieden?
GESAMTER ZEITRAUM
3 JAHRE
1 JAHR
SENDEN
IHRE FRAGE WIRD BEARBEITET ...
UNSERE ANTWORT
QUELLEN
22.01.2023 – Fehlende Evidenz?
LAV Niedersachsen sieht Verbesserungsbedarf
» ... Frag die KI ist ein experimentelles Angebot der Pharmazeutischen Zeitung. Es nutzt Künstliche Intelligenz, um Fragen zu Themen der Branche zu beantworten. Die Antworten basieren auf dem Artikelarchiv der Pharmazeutischen Zeitung und des PTA-Forums. Die durch die KI generierten Antworten sind mit Links zu den Originalartikeln. ... «
Ihr Feedback
War diese Antwort für Sie hilfreich?
 
 
FEEDBACK SENDEN
FAQ
Was ist »Frag die KI«?
»Frag die KI« ist ein experimentelles Angebot der Pharmazeutischen Zeitung. Es nutzt Künstliche Intelligenz, um Fragen zu Themen der Branche zu beantworten. Die Antworten basieren auf dem Artikelarchiv der Pharmazeutischen Zeitung und des PTA-Forums. Die durch die KI generierten Antworten sind mit Links zu den Originalartikeln der Pharmazeutischen Zeitung und des PTA-Forums versehen, in denen mehr Informationen zu finden sind. Die Redaktion der Pharmazeutischen Zeitung verfolgt in ihren Artikeln das Ziel, kompetent, seriös, umfassend und zeitnah über berufspolitische und gesundheitspolitische Entwicklungen, relevante Entwicklungen in der pharmazeutischen Forschung sowie den aktuellen Stand der pharmazeutischen Praxis zu informieren.
Was sollte ich bei den Fragen beachten?
Damit die KI die besten und hilfreichsten Antworten geben kann, sollten verschiedene Tipps beachtet werden. Die Frage sollte möglichst präzise gestellt werden. Denn je genauer die Frage formuliert ist, desto zielgerichteter kann die KI antworten. Vollständige Sätze erhöhen die Wahrscheinlichkeit einer guten Antwort.
Wie nutze ich den Zeitfilter?
Damit die KI sich bei ihrer Antwort auf aktuelle Beiträge beschränkt, kann die Suche zeitlich eingegrenzt werden. Artikel, die älter als sieben Jahre sind, werden derzeit nicht berücksichtigt.
Sind die Ergebnisse der KI-Fragen durchweg korrekt?
Die KI kann nicht auf jede Frage eine Antwort liefern. Wenn die Frage ein Thema betrifft, zu dem wir keine Artikel veröffentlicht haben, wird die KI dies in ihrer Antwort entsprechend mitteilen. Es besteht zudem eine Wahrscheinlichkeit, dass die Antwort unvollständig, veraltet oder falsch sein kann. Die Redaktion der Pharmazeutischen Zeitung übernimmt keine Verantwortung für die Richtigkeit der KI-Antworten.
Werden meine Daten gespeichert oder verarbeitet?
Wir nutzen gestellte Fragen und Feedback ausschließlich zur Generierung einer Antwort innerhalb unserer Anwendung und zur Verbesserung der Qualität zukünftiger Ergebnisse. Dabei werden keine zusätzlichen personenbezogenen Daten erfasst oder gespeichert.

Mehr von Avoxa