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Dreck trainiert das Immunsystem

03.06.2002  00:00 Uhr

Allergien

Dreck trainiert das Immunsystem

von Elke Wolf, Frankfurt am Main

Nach wie vor ungeklärt ist, warum Allergien in den letzten Jahren an Häufigkeit zugelegt haben. "Unsere Erklärungsversuche sind letztendlich nur Hypothesen", sagte Professor Dr. Johannes Ring, Technische Universität München, auf der Allergica. Eine davon, dass nämlich eine gewisse Portion Schmutz der Allergieprävention dient, hat sich in mehreren Studien bestätigt.

Schätzungen gehen davon aus, dass heute 15 bis 20 Prozent der Erwachsenen eine Allergie zu schaffen macht. Bei Schulkindern liegt der Anteil um einiges höher, Experten rechnen mit 20 bis 30 Prozent. Veränderte Lebensbedingungen und erhöhte Schadstoffbelastung haben sich als wichtige Cofaktoren für die Entstehung von Allergien erwiesen, hieß es auf der Einführungspressekonferenz zur Allergica, einem interdisziplinärem Forum für Heilberufler und Betroffene Ende Mai in Frankfurt.

Bei Naturvölkern, die so gut wie keine Allergien kennen, änderte sich dies, als sie ihre traditionelle Lebensgewohnheiten den zivilisierten angeglichen hatten. Wolldecken anstelle von Bastmatten zum Schlafen führten beispielsweise dazu, dass die Hausstaubmilbenallergie mit einer Prävalenz von null auf rund sieben Prozent nach oben schnellte.

Zwar haben hygienischere Verhältnisse auch in Deutschland erheblich dazu beigetragen, dass sich der Gesundheitszustand der Bevölkerung verbesserte. Dennoch scheint ein gesundes Maß an Dreck eine nicht unbedeutende Rolle zu spielen, wenn es um das Training des kindlichen Immunsystems geht.

Bakterien schützen

Kleinkinder, die bereits früh mit Mikroben in Kontakt kommen, haben ein geringeres Risiko, an einer Allergie zu erkranken als Kinder, die mehr oder weniger steril aufwachsen. Dies ist das Ergebnis einer neuen Untersuchung mit mehr als 1000 Kindern aus der Schweiz, Österreich und Süddeutschland, die Professor Dr. Erika von Mutius, Haunersches Kinderhospital in München, vorstellte. "Die Kinder, die Asthma oder eine allergische Rhinitis hatten, waren einer deutlich geringeren Kontamination mit Endotoxinen, also einem Zellmembranbaustein von Bakterien, in der Wohnung ausgesetzt als die gesunden Kinder."

Bereits aus früheren Studien ist bekannt, dass Kinder, die auf Bauernhöfen aufwachsen und damit häufigeren Endotoxin-Kontakt haben, ein geringeres Erkrankungsrisiko für Allergien haben. Eine Studie mit 2283 Kindern zeigt, dass die Sensibilisierungsrate gegenüber Heuschnupfen bei Stadtkindern dreimal höher ist als bei Kindern, die auf dem Bauernhof aufwachsen (10,3 Prozent versus 1,3 Prozent). Noch größer ist der "Bauernhof-Schutzeffekt" für Asthma: Nur 1,1 Prozent der Landkinder hatten Asthma gegenüber 3,9 Prozent unter den Stadtkindern. Der Unterschied war in der Studie auch dann signifikant, wenn weitere Faktoren wie Ernährungsverhalten, genetische Disposition oder elterlicher sozialer Stand sowie Schulausbildung berücksichtigt wurden.

Nach den Ausführungen von Mutius' schützen auch Infektionen aller Art im frühen Kindesalter vor einer allergischen Erkrankung. Daten aus experimentellen und epidemiologischen Untersuchungen stützten zumindest diese Hypothese. Von Mutius: "Kinder, die im ersten Lebensjahr in der Kinderkrippe waren, weisen ein deutlich geringeres Risiko auf, an Heuschnupfen, allergischer Sensibilisierung oder Asthma zu erkranken, als Kinder, die erst später oder gar nicht in die Kinderkrippe kamen."

Ein entscheidender Faktor, ob es zum Durchbruch einer Allergie kommt, ist vermutlich der Zeitpunkt der Exposition, mutmaßte Professor Dr. Erich Wichmann vom Institut für Epidemiologie des GSF - Forschungszentrum für Umwelt und Gesundheit, Neuherberg. Stellt die Endotoxinexposition möglicherweise in einem sehr frühen Stadium der Ausbildung des Immunsystems ein Trainingseffekt dar, kann sie in einer späteren Phase eher der Allergie-Entstehung Vorschub leisten. "Daraus praktische Empfehlungen zu formulieren, ist derzeit nicht möglich", räumte Wichmann ein. Nach wie vor gelte die Empfehlung, "erstens in Familien mit erhöhtem Asthmarisiko keine Haustiere zu halten und es zweitens mit der Reinlichkeit aus gesundheitlichen Gründen nicht zu übertreiben". Top

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