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Die neuen Informationen der WHO

31.05.1999  00:00 Uhr

-MedizinGovi-Verlag

MALARIA

Die neuen Informationen der WHO

von Joachim Büger, Nürnberg, Burkhard Rieke, Düsseldorf

Vor kurzem hat die Weltgesundheitsorganisation (WHO) neue Daten zur Malariasituation veröffentlicht (international travel and health 1999). Nach Angaben der Organisation ist die Tropenkrankheit weiter auf dem Vormarsch. An den entsprechenden Empfehlungen hat sich aber prinzipiell nichts geändert.

Interessanterweise hat die WHO die deutschen Beipackzettel-Änderungen zu Mefloquin auch in diesem Jahr nicht nachvollzogen. Im Gegenteil: Neben den Piloten gehören jetzt auch Taucher zu den Personengruppen, die kein Mefloquin einnehmen sollten.

Unsere Malaria-Reise führt uns von Afrika in östlicher Richtung rund um die Welt: Im südlichen Afrika führten ungewöhnliche Niederschläge in den letzten Jahren zu einer höheren Malaria-Transmission. Für Botswana und Südafrika wurde die Prophylaxe-Empfehlung von Chloroquin/Proguanil auf Mefloquin verschärft. Im nördlichen Afrika wurde die Risiko-Einschätzung für Ägypten (ausschließlich El Faiyûm) noch einmal nach unten korrigiert. Es gilt jetzt als sehr niedrig. 1998 wurde kein einziger Malariafall gemeldet. In Marokko (ausschließlich Vivax-Malaria) wurden einige Gebiete als nicht mehr gefährdet heruntergestuft, während Al Hoceima im Norden am Mittelmeer jetzt als neues Risikogebiet gilt.

Der Zeitraum für Transmission in der Türkei wurde noch einmal verkürzt: Malariagefahr besteht nur von Mai bis Oktober (im Jahr zuvor April bis Oktober, es gab auch schon die Empfehlung März bis November). Das früher schon genannte und nur auf wenigen Karten eingezeichnete Cukurova/Amikova (Gegend um Adana) gilt wieder explizit als Risikoregion.

Die Malaria-Gebiete in Aserbaidschan wurden auf der WHO-Karte 1999 von niedrigem auf mittleres Risiko hochgesetzt. Außerdem trug man dem seit einiger Zeit steigenden Risiko im Nachbarland Armenien Rechnung: Die Malariagebiete südlich Erewans wurden eingezeichnet.

Auch in Tadschikistan hat sich die Situation verschlechtert. Jetzt sind mehr Gebiete betroffen, inklusive des Hauptstadtregion Duschanbe. Dabei wurde auch der Fehler in der Empfehlung von 1998, daß Übertragung ganzjährig vorkommt, korrigiert. Turkmenistan gilt neuerdings als transmissionsfrei, eine Aussage, auf die man sich lieber nicht verlassen sollte. Erst im Dezember 1998 gingen Meldungen von 129 Vivax-Fällen von Juni bis Dezember über das Internet. Selbes gilt für das laut WHO malariafreie Kasachstan. Hier sind die Zahlen zwischen 1990 und 1996 auf das 25fache gestiegen.

Die Malediven gelten jetzt endlich offiziell als malariafrei. Bereits in den letzten Jahren hatte die WHO keine medikamentöse Vorsorge mehr empfohlen, die letzten Fälle datieren von 1983.

In der Volksrepublik China scheinen die Malaria-Ausbreitungsgebiete in der Großen Ebene (Dreieck Shanghai-Wuhan-Kaifeng) zuzunehmen, ohne daß die WHO im einzelnen darüber berichtet. Dabei müssen die Auswirkungen der Flutkatastrophe 1998 natürlich noch abgewartet werden. Besonders stark betroffen waren die Provinzen Heilongjiang, Guangdong und Jilin. Außerdem die östlichen Provinzen Anhui, Jiangsu und Jiangxi, sowie die Provinz Sichuan. Eine ähnlich unvorhersehbare Situation ist für die nächste Malariasaison (und natürlich auch bezüglich Dengue) in den ebenfalls stark von Überflutungen betroffenen Nachbarstaaten Indien und Bangladesh zu erwarten.

Im Grenzgebiet der beiden Koreanischen Staaten (beide bisher gar nicht als Malariagebiete genannt und nach der WHO-Malaria-Karte weiterhin als malariafrei eingestuft) flammt die Malaria wieder auf. Eventuell hat das Thema aber auch aufgrund der Erkrankung von US-Bürgern neue Publicity bekommen. Gerade im Norden, der touristisch praktisch nicht bereist wird, ist die Malariasituation sehr unklar. Hier müßten erst Berichte eingeholt werden, schreibt die WHO.

In Thailand empfiehlt die WHO nur noch für die Grenzgebiete zu Kambodscha und Myanmar eine Malariaprophylaxe, und dann auch Doxycyclin statt Mefloquin. Ob es sich dabei um einen Versehen handelt, konnten wir leider noch nicht in Erfahrung bringen. Jedenfalls bedingt eine Reise ohne Prophylaxe durch Landesteile mit intensiverer Malariaübertragung natürlich das Risiko der Erkrankung an einer multiresistenten Malaria, weswegen man sich diesen Rat gut überlegen sollte.

In Vietnam werden explizit zwei zusätzliche Hochrisikogebiete genannt: Ca Mau und Bac Lieu; beide am südlichsten Zipfel des Landes im westlichen Teil des Mekongdeltas.

Die Situation auf den Philippinen wurde erstmalig feiner differenziert. Bisher galten alle Gebiete unter 600 m Höhe (mit einigen Ausnahmen) als malariagefährdet. Jetzt werden einige Provinzen als Niedrig-Risiko-Gebiete ausgewiesen.

Für Vanuatu (auf der Internationalen Tourismusbörse ITB in Berlin gerade als Urlaubsregion im Kommen vorgestellt) wurde die Risiko-Einschätzung noch einmal reduziert: Das Malariarisiko gilt jetzt als nur noch niedrig bis moderat, nachdem die WHO bereits im letzten Jahr Vanuatu aus der Region der C-Gebiete herausgenommen hatte und folglich die Malariaprophylaxe von Mefloquin auf Chloroquin/Proguanil korrigierte. Die früher als malariafrei geltende Insel Futuna gilt inzwischen aber als malariagefährdet.

Für Süd- und Mittelamerika konnten neuere Zahlen über den Anteil von Plasmodium falciparum (Erreger der Malaria tropica) berechnet werden. In den letzten Jahren wurde hier offenbar die Malariasituation etwas überschätzt. Überwiegend konnte die Falciparum-Malaria nach unten korrigiert werden: in Brasilien von 35 auf 24 Prozent. Dieselbe Tendenz gilt für Ecuador und abgeschwächt auch für Honduras. Hier bleibt noch abzuwarten, wie sich die Situation nach dem verheerenden Hurrikan entwickelt.

Für einige amerikanische Länder mußte die Falciparum-Malaria aber auch nach oben korrigiert werden: für Panama von 12 auf 48 Prozent, für Peru von 20 auf 30 Prozent, für Paraguay von 95 auf 99,5 Prozent und für Kolumbien unwesentlich von 34 auf 37 Prozent. Dies widerspricht etwas dem letzten WHO-Bericht in Weekly epidemiological Records, indem für Paraguay 571 Malariafälle gemeldet wurden, davon nur zwölfmal Falciparum. Aber dieses Land gilt ohnehin als Paradebeispiel für das Motto "Glaube keinen Statistiken": Sämtliche Gebiete, in denen laut WHO-Text Malaria herrschen soll, liegen an der Grenze zu Brasilien und diese wurden 96/97 aus der Grafik genommen. Dafür kamen die Grenzgebiete zu Bolivien hinzu; Regionen, in denen aber das Risiko laut Text vernachlässigbar ist.

In der Dominikanischen Republik sollte jetzt auch für Valverde Mao, ein Gebiet im Nordwesten, eine Malaria-Prophylaxe mit Choloroquin durchgeführt werden.

Neuere Kombinationen in der Malaria-Therapie

Über einige Jahre wurde die Entwicklung der Malariatherapie von schlechten Nachrichten geprägt. Dazu gehört insbesondere die stetige Ausbreitung der Chloroquin-Resistenz im tropischen Afrika, aber auch der zunehmende Wirkungsverlust von Sulfadoxin-Pyrimethamin (Fansidar® ist ja in Deutschland schon länger nicht mehr im Handel), das in den Tropen für Semi-Immune weiterhin als Reservetherapeutikum genutzt wird. Besonders in Südostasien entlang der Grenze Thailands zu Myanmar und Laos/Kambodscha beunruhigen auch zunehmende Meldungen über Mefloquin-Resistenzen.

Im reisemedizinischen Bereich sind jenseits der bereits bekannten Therapeutika in letzter Zeit zwei neue Produkte zu erwähnen, die das Kombinationsprinzip für die Ersttherapie der unkomplizierten Malaria tropica anwenden. Hierbei handelt es sich um Atovaquon und Proguanil (Malarone®), das im Herbst 1997 die Zulassung erhielt und das kürzlich in der Schweiz zugelassene Kombinationspräparat aus Lumefantrin (Benflumetol) und Artemether (Riamet®, siehe auch PZ 7/99, Seite 39).

Vor allem der Substanz Artemether und ihren Derivaten, die ja ursprünglich Wirksubstanzen chinesischer Heilpflanzen sind, wird bei der Vermeidung von Resistenz-Entwicklung eine besondere Rolle zugemessen, da sie die Parasitenzahl schneller als andere Therapeutika reduzieren. Wenn auch die vorgelegten parasitologischen und klinischen Daten die Wirksamkeit und Verträglichkeit beider Neuentwicklungen unterstreichen, ist für die Verordnung als Standby-Präparat zunächst noch Zurückhaltung angesagt, bis breitere klinische Erfahrungen hierzu vorliegen.

Abkömmlinge des Diuretikums Amilorid sind in der Lage, Plasmodien über einen neuartigen Wirkmechanismus zu schädigen. Bestätigen sich die Erwartungen, so könnte bald ein interessanter Kombinationspartner auch für bereits etablierte Substanzen zur Verfügung stehen.

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