Schweinelebern sind keine Alternative |
20.05.2002 00:00 Uhr |
Organtransplantationen
von Stephanie Czajka, Berlin
Die Xenotransplantation kann Engpässe überbrücken, jedoch die Übertragung menschlicher Organe oder Gewebe auf Dauer nicht ersetzen. Dies betonten Transplantationsmediziner vergangene Woche während eines Symposiums des Robert-Koch-Institutes (RKI) in Berlin.
Xenotransplantation ist die Übertragung von Organen, Geweben oder Zellen von einer Spezies auf die andere. Als Xenotransplantation wird auch bezeichnet, wenn tierische Organe außerhalb des Körpers an den menschlichen Blutkreislauf angeschlossen werden. Bevorzugte Spenderspezies ist das Schwein. Die Tiere sind reichlich und günstig zu haben, sie stehen im Gegensatz zu Affen nicht unter Artenschutz, ihre Organe sind so groß wie die des Menschen und etwaige Infektionen scheinen besser beherrschbar zu sein.
In der Diskussion um die embryonalen menschlichen Stammzellen wird die Xenotransplantation oft als ethisch unbedenkliche Alternative gehandelt. Experten wie Professor Dr. Dietmar Abendroth betonen jedoch, dass der xenogenen Transplantation lediglich "eine Übergangsrolle bei erhöhtem Transplantationsbedarf" zukommt. Die Organspende sei rückläufig, die Anzahl der Patienten auf der Warteliste hingegen steigend. "Die derzeit hoch gehandelte Stammzellforschung wird sicher eines Tages eine Rolle spielen, bedauerlicherweise sind jedoch die gezüchteten Organe noch nicht in Sicht und werden es auch für die nächsten 20 Jahre nicht sein."
Der Xenotransplantation stehen auf dem Weg in die klinische Praxis drei Hindernisse im Wege: Abstoßungsreaktion, Infektionsgefahr und physiologische Kompatibilität. "Die ersten offensichtlichen Hürden der Xenotransplantation wie Abstoßungsreaktion und Infektionen rückten die physiologischen Probleme anfänglich in den Hintergrund", sagte Professor Dr. Claus Hammer von der Ludwig Maximilians-Universität München. "Die physiologische Kompatibilität von Myriaden xenogener Moleküle wurde bisher nicht genügend berücksichtigt und wird voraussichtlich überraschende und nicht voraussehbare Probleme mit sich bringen."
Relativ unproblematisch sei die Übertragung von Inselzellen des Schweins zur Insulinproduktion, da sich beide Insuline nur in einer Aminosäure unterscheiden. Außerdem seien Zuckerspiegel und hormonelle Steuerung bei Schwein und Mensch fast identisch.
Schimpansenherzen sind für den Menschen zu klein, sie pumpen nicht genügend Blut in den Kreislauf. Die Nieren von Schwein und Mensch scheiden unterschiedliche Urinmengen mit verschiedenen pH-Werten aus, Hormone wie Erythropoetin bestehen aus unterschiedlichen Bausteinen. Die Leber mit ihren Tausenden von Reaktionen dürfte auch in ferner Zukunft noch große Schwierigkeiten bereiten, meinte Hammer. Die meisten der 2000 bis 3000 Enzyme und Hormone des Leberstoffwechsels seien speziesspezifisch. Zur extrakorporalen Entgiftung für zwei bis drei Tage seien artfremde Lebern jedoch schon erfolgreich eingesetzt worden.
Gentech-Schweine
Schweine gentechnisch zu verändern ist eine Methode, um die Abstoßung zu verhindern. Tiere der ersten Generation exprimierten humane Komplementfaktoren, welche die hyperakute Abstoßung innerhalb der ersten 30 bis 60 Minuten verhindern sollen. Inzwischen wurden transgene Schweine mit ausgeschaltetem Gen für das Enzym a-1,3-Galactosyltransferase gezüchtet. Diesen Knock-out-Schweinen fehlen damit Zuckerreste, die zur Antigenerkennung dienen. Eine zweite Methode ist die Verkapselung artfremder Zellen mit biokompatiblen Membranen. Versuche hierzu gibt es mit Insulinzellen von Schweinen an diabetischen Ratten. Eine dritte Methode ist die Toleranzinduktion. Dabei wird versucht, spezifisch nur solche Lymphozyten zu unterdrücken, die das neue Organ angreifen, Lymphozyten gegen Antigene von Bakterien oder Viren aber funktionsfähig zu halten. Würde dies gelingen, wären Immunsuppressiva überflüssig.
Einen großen Stellenwert in der Forschung hat die mikrobiologische Sicherheit. Über die Xenotransplantation ist nicht nur der betroffene Patient, sondern bei Ausbreitung der Erreger auch die ganze Gesellschaft gefährdet. Daraus ergibt sich die besondere Verantwortung bei der Risikoabschätzung. Viele Infektionserkrankungen, allen voran die HIV-Infektion, sind Zoonosen, also ursprünglich vom Tier auf den Menschen übertragen worden. Bei Affen geht man davon aus, dass sich Erreger wegen der phylogenetischen Nähe im Menschen besonders gut vermehren könnten. Die meisten Erreger des Schweines können durch SPF-Haltung (SPF = Specified Pathogen Free), Antibiotikabehandlung, Impfungen und züchterische Selektion eliminiert werden.
Ein Problem allerdings stellen porcine endogene Retroviren (PERV) dar. Sie sind im Genom aller Schweine vorhanden und können wie die meisten Retroviren Tumore oder Immunschwächen hervorrufen. Die Retroviren der Schweine vermehrten sich bei In-vitro-Übertragung auch in menschlichen Zellen. Es kam sogar zu genetischen Veränderungen (Adaptation). In vivo wurde bisher keine Übertragung beobachtet. (Menschen wurden bisher erfolgreich Inselzellen und Nervenzellen von Tieren übertragen, ferner extrakorporal Niere oder Leber angehängt.) Dr. Joachim Denner vom RKI applizierte Affen unter Therapie mit Immunsuppressiva große Mengen human-adaptierter PER-Viren. Er konnte weder einen Anstieg von Antikörper-Titern beobachten, noch eine Integration des Virus in Körperzellen nachweisen. Das Risiko für eine Übertragung scheint gering, sicher auszuschließen ist es nach wie vor nicht.
"Ungeachtet der Erfolge können der Nutzen für die Patienten und die möglichen Risiken noch nicht vollständig abgeschätzt werden", lautete das Fazit der rund 70 Experten auf dem Symposium. Auch die Gesellschaft für Virologie warnt in einer Stellungnahme: "Die Xenotransplantation stellt derzeit keineswegs eine ethisch unbedenkliche Alternative zur therapeutischen Anwendung menschlicher embryonaler Stammzellen dar. Es bedarf intensiver Forschung, um die Funktionalität der Xenotransplantate und die mikrobiologische Sicherheit dieser Technologie zu erreichen." Die Gesellschaft weist allerdings auch darauf hin, dass eventuelle Infektionsrisiken bei Stammzell-Übertragung noch zu wenig beachtet werden.
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