Medizin
Das Verbreitungsgebiet der
Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) ist weitgehend
stabil geblieben, die Häufigkeit der Krankheit hat in
Osteuropa zugenommen, die aktive Immunisierung wird für
Endemiegebiete empfohlen. Infektionen mit Borrelien sind
weit verbreitet, ein Impfstoff gegen einen
nordamerikanischen Subtyp des Erregers hat bereits die
klinische Phase III erreicht, die Entwicklung eines
Impfstoffes für Europa wird noch einige Jahre dauern.
Der Fuchsbandwurm ist gleichfalls auf dem Vormarsch, er
verursacht nicht die am weitesten verbreitete, aber die
gefährlichste parasitäre Zoonose Mitteleuropas.
Mit Erkrankungen, die durch Zecken übertragen
werden (FSME und Lyme Borreliose) beschäftigte sich ein
internationales Symposium in Berlin. Die FSME tritt
weitgehend regional begrenzt auf. Die Endemiegebiete
liegen in Bayern und Baden-Württemberg, hieß es bei
einer angeschlossenen Pressekonferenz.
Borrelien sind dagegen praktisch in ganz Deutschland
verbreitet. Im Durchschnitt tragen 20 Prozent der Zecken
den Erreger. Experten gehen von einer weiteren
Verbreitung aus. Entsprechend sieht es mit den
Erkankungsraten aus. Während in Deutschland jährlich
zwischen 150 und 300 FSME-Fälle auftreten, wird die Zahl
der Neuerkrankungen bei der Lyme-Borreliose auf über 10
000 pro Jahr geschätzt.
Borreliose: Verbreitet, aber gut zu behandeln
Nur zwei Prozent der Borreliose-Patienten
entwickeln die gefährlichen Komplikationen am zentralen
Nervensystem, an den Gelenken oder am Herzen, beruhigte
Professor Dr. Gerold Stenek vom Hygieneinstitut der
Universität Wien. Selten fehlen charakteristische
Symptome wie die Wanderröte. Bei Berichten über
persistierende arthritische Beschwerden ist es im
nachhinein oft schwierig, sie ausschließlich auf eine
Borrelien-Infektion zurückzuführen.
Als bakterielle Erkrankung ist die Borreliose im
Unterschied zur FSME gut zu behandeln. Standard ist eine
zweiwöchige Therapie mit Antibiotika. Bei akuten
Hauterscheinungen werden orale Penicilline (dreimal
täglich 1,5 Millionen Einheiten), Makrolidantibiotika
wie Azithromycin oder Doxycyclin gegeben. Alle schwereren
Symptome müssen intravenös mit Penicillin G, Ceftriaxon
oder Doxycyclin behandelt werden.
FSME: Impfung statt Immunglobuline
Das Ruhen der Zulassung für FSME-Immunglobuline
bei Kindern bis zu 14 Jahren wurde bis zum 31. Juli 1997
verlängert, da die Situation nach wie vor ungeklärt ist
Es gebe aber bisher keinen Anhaltspunkt dafür, so Dr.
Gundula Jäger vom Max-von-Pettenkofer-Institut der
Ludwig-Maximilians-Universität München, daß
Immunglobuline unwirksam seien. Gerade bei Kindern, die
trotz einer passiven Immunisierung schwer erkrankt waren,
hatten die Wissenschaftler nachträglich "andere
Merkwürdigkeiten" im Krankheitsverlauf
festgestellt.
Jäger plädierte für die aktive Schutzimpfung. Sie
betonte, daß dies nicht nur für Land- und Forstwirte
gelte, sondern für alle, die in Endemiegebieten leben
oder dorthin in Ferien fahren. Die Nebenwirkungsrate bei
FSME-Impfungen liegt insgesamt bei 0,5 Prozent und ist
damit gering.
Auch wenn die Krankenkasse die Impfung nur bei Aufenthalt
oder Reisen in deutsche Endemiegebiete (Bayern,
Baden-Württemberg) bezahlt - wer nach Österreich.,
Osteuropa., in den Südosten. Schwedens oder in die
Schweiz fährt, sollte gleichfalls an einen aktiven
Schutz denken.
Der Fuchsbandwurm
Der
Kleine Fuchsbandwurm
verursacht die sogenannte alveoläre Echinokokkose. Diese
Krankheit, so eine Broschüre des Robert-Koch-Institutes
(RKI), tritt zwar nicht sehr häufig auf, ist aber für
die Betroffenen lebensbedrohend. Die Sterblichkeitsrate
liegt nach RKI-Angaben zwischen 50 und 90 Prozent.
Professor Dr. Peter Kern von der Universitätsklinik in
Ulm hält jedoch Zahlen aus der Schweiz für
realistischer, da die Krankheit dort seit Jahren
meldepflichtig und die Datenlage daher zuverlässiger
sei: Mit der Verbesserung der diagnostischen,
chirurgischen und chemotherapeutischen Methoden sank die
Sterblichkeit dort auf 10 bis 14 Prozent.
Wie groß ist nun die Infektionsgefahr? In 66 Kliniken
Baden-Württembergs wurden zwischen 1980 und 1990
ungefähr 130 Fälle einer alveolären Echinokokkose
erfaßt, in der Schweiz werden jährlich ungefähr sieben
neu erkrankte Patienten gemeldet. Die Zahlen sind seit
einigen Jahren konstant, da jedoch die Durchseuchungsrate
der Füchse ständig zunimmt, wird auch beim Menschen mit
einer Zunahme der Erkrankung gerechnet.
Der Fuchsbandwurm ist zwar in ganz Deutschland
verbreitet, besondere Vorsichtsmaßnahmen gelten aber vor
allem für Gebiete mit hohem Durchseuchungsgrad, so
Professor Dr. Klaus Janitschke vom RKI. Der Parasit kommt
gehäuft im Süden und Westen vor. Die Broschüre des
Robert-Koch-Institutes enthält zwar Einzeldaten aus den
Bundesländern, eine offizielle Verbreitungskarte gibt es
allerdings nicht.
In den Endemiegebieten sollten Waldbeeren und Pilze vor
dem Verzehr über 60 Grad erhitzt oder zumindest
gründlichst gewaschen werden, so Kern. Tiefgefrieren
schadet den Eiern nicht. Wer direkten Umgang mit Füchsen
hat, sollte sich über die einzuhaltenden
Sicherheitsvorschriften (Mundschutz beim Abbalgen et
cetera informieren).
Besteht ein begründetes Infektionsrisiko, können
ungefähr vier Monate nach dem Kontakt Blutproben auf
Echinokokkus-Antikörper untersucht werden, erklärte
Janitschke. Die Untersuchung sei allerdings nicht bei
jedem besorgten Beerenfreund nötig, betonte Kern.
Sinnvoll sei sie eher für Jäger. Ein positives Ergebnis
sei noch kein Beweis für eine tatsächliche Erkrankung,
die weitere Abklärung müsse unbedingt vom Spezialisten
erfolgen.
Ist ein Befund gesichert wird das betroffene Gewebe,
soweit möglich, operativ entfernt. Bei Streuung der
Erreger oder in inoperablen Fällen ist eine
Dauertherapie mit den Benzimidazolen Albendazol oder
Mebendazol nötig.
PZ-Artikel von Stephanie Czajka, Berlin
PZ-Lexikon
Kleiner Fuchsbandwurm
Der Kleine Fuchsbandwurm ist ungefähr 4 mm lang und
0,5 mm breit. Er parasitiert im Darm des Fuchses,
seltener auch in Hunden oder Katzen; kleinere
Zwischenwirte sind Mäuse und Ratten. Ein Fuchs kann bis
zu 200.000 solcher Würmer beherbergen, ohne sichtbar
krank zu sein. Von Zeit zu Zeit stoßen die Würmer
eiertragende Endglieder ab, die dann mit dem Kot nach
außen gelangen. Mit Regen, Staubpartikeln oder der Hilfe
von Insekten werden diese Eier verteilt, über Mund oder
Nase nimmt der Mensch sie auf. Infektionsgefahr besteht
also nicht nur beim Verzehr von Beeren und Pilzen,
sondern auch beim Arbeiten in staubiger Erde, beim
Pflügen oder Heuen.
Im Darm des neuen Wirtes schlüpfen Larven aus den Eiern,
sie bohren sich durch die Darmwand, gelangen mit dem
Blutstrom in die Leber und siedeln sich dort an. Sie
entwickeln dort Larvenbläschen und beginnen, das
umliegende Gewebe mit einem Netzwerk von Schläuchen zu
durchziehen.
Dieses langsame Wachstum verursacht anfangs praktisch
keine Beschwerden, die raumfordernden und
zerstörerischen Prozesse machen sich erst nach 10 bis 15
Jahren bemerkbar. Dann jedoch ist es für therapeutische
Maßnahmen meist zu spät; besonders durch die
fortschreitende Leberfunktionsstörung verläuft die
Krankheit oft tödlich.
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