Risikopatienten können eher vorsorgen |
04.04.2005 00:00 Uhr |
In Deutschland mehren sich die Rufe nach einer besseren Früherkennung von Brustkrebs. Frauen und Männern, deren Brustkrebsrisiko auf Grund familiärer Vorbelastung als potenziell erhöht gilt, bieten die Kassen jetzt ein neues Vorsorgepaket an.
Mit einer Prävalenz von 10 Prozent ist Brustkrebs in Deutschland die häufigste Tumorerkrankung bei Frauen: Bei jeder vierten Krebspatientin lautet die Diagnose Mammakarzinom. Auch der größte Teil der krebsbedingten Todesfälle bei Frauen lässt sich ursprünglich auf Wucherungen des Brustdrüsengewebes zurückführen. Statistisch gesehen stirbt in Deutschland jede halbe Stunde eine Patientin an den Folgen des Tumors. Experten schätzen allerdings, dass jede zehnte Erkrankung verhindert werden könnte.
Etwa 5 bis 10 Prozent aller Brustkrebserkrankungen gelten als genetisch bedingt. Vor knapp zehn Jahren entdeckten Molekularbiologen die beiden Gene BRCA-1 und BRCA-2 (»breast cancer«), deren Mutation das Erkrankungsrisiko auf bis zu 80 Prozent ansteigen lässt. Auch das Risiko, an Eierstockkrebs zu erkranken, erhöht sich je nach Art der genetischen Veränderung auf bis zu 60 Prozent. Weil Frauen mit so genanntem familiären Brust- oder Eierstockkrebs zumeist bereits in jungen Jahren erkranken, kommt für sie das reguläre Mammographie-Screening für alle Über-50-Jährigen oft zu spät.
Von 1997 bis 2004 förderte die Deutsche Krebshilfe daher mit insgesamt 15 Millionen Euro zwölf universitäre Zentren für familiären Brust- und Eierstockkrebs, an denen knapp 10.000 potenzielle Risikopatientinnen beraten und präventiv betreut wurden. Das groß angelegte Verbundprojekt geht nun in die gesetzliche Regelversorgung ein: Für die beiden Zentren in Berlin und Köln unterzeichneten die Kassen jetzt einen Versorgungsvertrag, der Risikopatientinnen einer strukturierten Früherkennung zuführen soll.
Gespräch und Gentest
Zunächst können erwachsene Frauen und Männer mit einer familiären Brust- oder Eierstockkrebsbelastung sich telefonisch zur persönlichen Risikosituation beraten lassen. Ärzte und Wissenschaftler haben einen mehrere Kriterien umfassenden Katalog erstellt, der über das individuelle Erkrankungsrisiko Auskunft geben soll (siehe Kasten). Ist dieser Vorbefund positiv, werden die Betroffenen zum persönlichen Beratungsgespräch mit Gynäkologen, einem Facharzt für Humangenetik sowie gegebenenfalls einem Psychologen ins Untersuchungszentrum eingeladen. In dem etwa einstündigen Gespräch analysieren die Mediziner zunächst die Familiengeschichte und berechnen schließlich aus sämtlichen Angaben ein individuelles prozentuales Erkrankungsrisiko.
Erhöhtes Risiko zu vermuten Mediziner haben folgende Liste von Kriterien erstellt, die jeweils die Teilnahme an einem persönlichen Beratungsgespräch zur individuellen Risikosituation nahe legen:
Liegt der ermittelte Wert über 30 Prozent, gehen die Ärzte von einem erhöhten Risiko aus und empfehlen einen Gentest auf Mutationen der beiden Risikogene. Für den Test, dessen Durchführung und Auswertung etwa drei Monate dauert, wird eine erkrankte Familienangehörige als Referenzpatientin hinzugezogen. Tragen beide Familienmitglieder eine Mutation auf BRCA-1 oder BRCA-2, gilt die Ursache »familiärer Brustkrebs« als identifiziert; die ratsuchende Patientin wird fortan in das umfangreiche Früherkennungsprogramm einbezogen: Monatliche Brustselbstuntersuchungen, halbjährliche ärztliche Tastuntersuchung, regelmäßiger Brustultraschall ab dem 25. Lebensjahr, jährliche Mammographie und MRT ab dem 30. Lebensjahr sowie halbjährliche gynäkologische Untersuchung mit Ultraschall und Tumormarkerbestimmung gehören zu dem Paket, das die Kassen Risikopatientinnen fortan als Regelleistung anbieten.
Hochrisikopatientinnen empfehlen die Ärzte zusätzlich eine medikamentöse Prophylaxe oder sogar die vorbeugende Entfernung der Eierstöcke ab dem 40. Lebensjahr beziehungsweise eine Entfernung der Brustdrüsen. Mit der Ovar- beziehungsweise Mastektomie wird die Erkrankungswahrscheinlichkeit um 97 Prozent reduziert.
Für Ratsuchende, die im Gegensatz zum erkrankten Familienmitglied keine
Mutation der entsprechenden Gene aufweisen, gilt der Befund als entlastend; sie
tragen nur das Basisrisiko von etwa 10 Prozent. Findet sich bei beiden Probanden
kein Hinweis auf eine Mutation, wird die Beteiligung anderer Gene vermutet; die
Betroffene wird ebenfalls in das Vorsorgeprogramm einbezogen. Auch Frauen, die
den Gentest ablehnen erfahrungsgemäß ein Drittel , werden bei entsprechender
Anamnese intensiviert prophylaktisch betreut.
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