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Erschöpft und ausgebrannt: das Burnout-Syndrom

31.03.1997  00:00 Uhr

-Medizin

  Govi-Verlag

Erschöpft und ausgebrannt: das Burnout-Syndrom

  Früher bezeichnet als "Streßsyndrom der helfenden Berufe" weiß man heute, daß es jeden treffen kann: das Burnout-Syndrom, ein Gefühl des Ausgebranntseins, der grenzenlosen Erschöpfung. Selten wird ein Arzt um Rat gefragt, obwohl die Warnsignale deutlich sind: erhöhte Stimmungslabilität, verminderte Belastbarkeit, verstärkte Infektanfälligkeit und gefährliche Selbstbehandlungsversuche mit Kaffee, Nikotin, Alkohol oder Pharmaka.

Immer mehr Menschen sind vom Burnout-Syndrom gefährdet. Nicht von einem Krankheits-, sondern von einem Störbild sprach Professor Dr. Volker Faust, Ravensburg, bei einer Pressekonferenz der Firma Dolorgiet Ende Februar am Starnberger See. Der Begriff umfaßt alle negativen Folgen einer beruflichen Überlastung mit gemütsmäßiger Erschöpfung, innerer Distanzierung und Leistungsabfall.

Die Ursachen sind vielschichtig, haben aber zwei Hauptfaktoren: die Überforderung, zum Beispiel am Arbeitsplatz, und die begrenzte seelische Belastbarkeit. Dabei unterschied Faust drei Typen von Betroffenen:
  • Echte Ausbrenner sind ursprünglich aktive und dynamische Menschen, die zu sich selbst nicht Nein sagen können und am eigenen Streß zugrundegehen; Experten nennen sie Selbstverbrenner.
  • Die Verschlissenen sind tatsächlich Opfer äußerer Umstände, da sie zu anderen nicht Nein sagen können.
  • Ein- oder Durchgerostete laden ihre Mißerfolge und Probleme auf andere Menschen oder Umstände ab.
  • Die Symptome sind vielgestaltig und beginnen bei Stimmungslabilität, verminderter Belastbarkeit und Neigung zu banalen Infekten. In der Phase der emotionalen Erschöpfung fühlen sich die Menschen müde, matt, nervös, entmutigt und reizbar. Wie bei allen seelischen Erkrankungen nehmen Kreativität und Sexualität als erstes ab; sie kehren bei Genesung als letztes zurück. Ernste Warnsignale sind Ironie, Sarkasmus und Zynismus. Das gesamte Leistungsvermögen sinkt. Der Teufelskreis führt nicht selten zu körperlicher Erkrankung und Verlust des Arbeitsplatzes.

Die Ratschläge, die der Psychiater zur Vorbeugung eines Burnout-Syndromes gab, klingen banal und werden doch selten befolgt, da sie viel persönliche Einsicht und Anstrengung erfordern: den eigenen Einsatz dosieren und Kräfte langfristig schonen; Schluß mit überhöhten Ansprüchen an sich selbst; gesunde Lebensführung mit ausreichend Schlaf und regelmäßiger körperlicher Aktivität (Faust: "Täglich eine Stunde Gesundmarsch im Tageslicht"), gesundes Ernährungsverhalten; vernünftige Arbeitsorganisation; Pflege von Hobbys und Freundschaften und das Erlernen von Entspannungstechniken, bevor man sie braucht.

Was ist therapeutisch sinnvoll?

Faust warnte strikt vor jeglichen Psychopharmaka ohne ärztliche Kontrolle, da Selbstbehandlungsversuche leicht entgleisen können. In der Akuttherapie sind Antidepressiva nur angezeigt, wenn sich eine Depression bereits verselbständigt hat; Neuroleptika sind selten indiziert. Tranquilizer können zwar vorbeugend erleichtern, verhindern aber die Ver- und Bearbeitung der Ursachen.

Am ehesten seien Phytophamaka geeignet, so der Arzt, zum Beispiel mit Baldrian, Hopfen, Melisse, eventuell Passionsblume. Johanniskraut hilft bei leichten bis mittelschweren Depressionen, Kava-Kava-Zubereitungen bei Angst-geprägten Syndromen. Eine verhaltenstherapeutisch orientierte Psycho- oder Soziotherapie wirkt laut Faust oft günstig, allerdings sei es schwierig, die Betroffenen langfristig dazu zu motivieren.

PZ-Artikel von Brigitte M. Gensthaler, Starnberg

       

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