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Medizin 3

18.03.2002  00:00 Uhr
WASSER

Es darf ein Schluck mehr sein

von Wolfgang Kappler, Homburg/Saar 

Am 22. März ist der "Tag des Wassers", mit dem die Vereinten Nationen zum zehnten Mal den Schutz unserer Wasservorkommen und deren gerechtere Verteilung anmahnen. Während 1,2 Milliarden Menschen nach WHO-Angaben keinen Zugang zu sauberem Wasser haben und 3,4 Millionen Menschen auf Grund schmutzigen Wassers sterben, leiden die Deutschen an Durst, der sie krank macht.

Und das, obwohl "Trinkwasser fast überall in Deutschland ein gesunder Durstlöscher ist", wie der Präsident des Bundesumweltamtes, Professor Dr. Andreas Troge, betont. Vom Baby bis zum Greis wird zu wenig getrunken, und das ist kein neues Problem. Schon Ärzte der Antike hatten bemerkt, dass ihre Zeitgenossen zu wenig trinken und deshalb krank und verstimmt würden. In 2000 Jahren haben die Menschen offensichtlich wenig dazugelernt.

So hatte Professor Dr. Friedrich Manz vom Dortmunder Forschungsinstitut für Kinderernährung vor zwei Jahren mit einer Studie gezeigt, dass die Flüssigkeitszufuhr von Kindern durchschnittlich 20 Prozent unter der empfohlenen Tagesmenge liegt. Damit die Hose trocken bleibt, der Teller schneller leer gegessen wird und Kinder schneller sauber werden, verbieten ihnen manche Eltern das Trinken.

Ältere Menschen verdursten

Der von Ärzten bis in die 60er-Jahre hinein verbreitete Irrglaube, wonach sparsames Trinken die Gesundheit fördere, weil eine geringere Urinausscheidung die Nieren schone, wirkt nachhaltig und treibt Blüten. Mundtrockenheit wird bei Senioren selten als Durstsignal interpretiert. Im Alter trockne der Körper ja ohnehin aus, lautet die Annahme. So wird das Aachener Institut für Ernährungsmedizin und Diätetik nicht müde, darauf hinzuweisen, dass Verwirrtheitszustände von Senioren auf Flüssigkeitsmangel beruhen und dass viele ältere Menschen in Deutschland schlichtweg verdursten.

Es wird höchste Zeit für eine neue Trinkkultur. Während Tiere immer trinken, wenn Wasser in der Nähe ist, schielt der Homo sapiens zur Uhr, die ihm die Erlaubnis zur Flüssigkeitszufuhr gibt, welche größtenteils an Rituale gebunden ist: Frühstück, Mittagessen, Fünf-Uhr-Tee, Feierabendkneipenbesuch. Was dabei getrunken wird, hat mit dem, was der Körper braucht, kaum etwas zu tun. "Milch beispielsweise ist kein Getränk, sondern wegen seiner hohen Energiedichte Nahrungsmittel", stellt Dr. Jörg Häseler vom Deutschen Ernährungsinstitut in Potsdam-Rehbrücke klar. Kaffee, Tee und Alkohol entziehen dem Körper Wasser, Säfte und Limonaden überschwemmen ihn mit Zucker. Einzig Wasser hilft wirklich gegen den Durst.

"Sämtliche Stoffwechselvorgänge erfordern Wasser, weil es für den richtigen Zelldruck sorgt", erläutert Häseler. Ohne Wasser kann der Körper weder Sauerstoff noch Nahrung aufnehmen, er kann nicht entschlacken und auch seine Temperatur nicht regeln. Unter anderem für seinen Nachweis, Körperzellen seien nahezu unbegrenzt lebensfähig, wenn nur ihre Flüssigkeit regelmäßig erneuert würde, hat Dr. Alexis Carrel bereits 1912 den Medizinnobelpreis bekommen. Was also hält die Menschen vom Trinken ab? Absurderweise das Durstgefühl selbst. "Bei Flüssigkeitsverlusten von zehn Prozent signalisiert der Körper Durst, gewöhnlich mit dem Gefühl von Mundtrockenheit", sagt der Ernährungsexperte Häseler. Ein wasserentziehender Kaffee zwischendurch beseitigt dieses Gefühl fürs Erste.

Durst ist ein schlechter Berater

"Leider reguliert Durst die Flüssigkeitsbilanz nur sehr grob. Das Durstgefühl hinkt der Notwendigkeit zu trinken hinterher, der Durst kommt also immer zu spät", meint Sigrid Hoppe, Diätberaterin an der Uni Jena. Für Aufsehen sorgte der US-Arzt Dr. Faridun Batmanghelidj Mitte der 90er-Jahre mit seiner These, dass nicht nur Mundtrockenheit, sondern auch Sodbrennen, Rücken-, Kopf-, Gelenk- und Magenschmerzen, Verdauungsstörungen, Asthma, Allergien, Gedächtnis- und Leistungsschwäche, Blutdruckstörungen, Diabetes, Depressionen, Stress und Übergewicht nichts anderes als Durstsignale sind, die Menschen der Industrienationen also nicht krank, sondern durstig seien. Auch wenn die Hypothese gewagt scheint, so haben sich seine Vermutungen bereits bei einigen Erkrankungen bestätigt.

Israelische Ärzte um Yair Cassuto wiesen zum Beispiel nach, dass Menschen, die zu wenig trinken, häufiger Nierensteine entwickeln. Britische Mediziner zeigten, dass Männer, die ausreichend trinken, ein halb so großes Blasenkrebs-Risiko haben. Erlanger Medizinpsychologen um Siegfried Lehrl stellten bei Studenten fest, dass reichliches Trinken die Aufmerksamkeit erhöht. Bestätigt wurde auch, dass sich Depressionen durch Flüssigkeit lindern lassen und Bandscheibenprobleme in dem Maße abklingen, wie die gelartigen Dämpfer mit Wasser versorgt werden.

Selbst abnehmen kann man - wenn auch langsam - einfach durch Wasser. Eine Studie der Universität Utah zeigte, dass der Körper automatisch drei Prozent mehr an Kalorien verbrennt. "Viele unserer Annahmen, beispielsweise die, ob zu wenig Flüssigkeit Asthma Vorschub leistet, sind derzeit noch Arbeitshypothesen", meint der Dortmunder Ernährungsfachmann Manz. Unklar ist auch, ob durch chronischen Flüssigkeitsmangel krebserregende Stoffe länger im Körper bleiben und so die Krankheit auslösen können. Klar ist aber, dass die meisten Medikamente nur bei reichlicher Flüssigkeitszufuhr wirken.

Es scheint, dass viele der als Volkskrankheiten eingestuften Symptome mit Wasser zu beseitigen wären. Zwei bis drei Liter Wasser zusätzlich zu dem, was wir ansonsten trinken, könnte demnach insgesamt das Wohlbefinden steigern. Was möglicherweise in den Industriestaaten an Gesundheitskosten eingespart werden könnte, könnte der Investition in reines Trinkwasser dienen, schlägt Batmanghelidj in seinem Buch "Wasser - Die gesunde Lösung" vor. Auch darüber könnte man am "Tag des Wassers" nachdenken.. Top

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