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Auf Latex kann man momentan nicht verzichten

17.03.1997  00:00 Uhr

- Medizin

  Govi-Verlag

Auf Latex kann man momentan nicht verzichten

  Mindestens 10 Prozent der Angestellten in medizinischen Berufen haben eine Latexallergie, Tendenz steigend. Vor etwa 15 Jahren noch unbekannt, nahm die Allergisierungsrate Anfang der 80er Jahre enorm zu, weil Infektionsschutz vor dem HI-Virus angesagt war. Billige Massenprodukte deckten den Bedarf an riesigen Mengen medizinischer Schutzhandschuhe aus Latex. Heute bilden OP-Schwestern, Pfleger und Chirurgen die größte Gruppe unter den Latexallergikern. Strikte Allergenkarenz ist für Latexallergiker die Therapie der Wahl. Was liegt da näher, als latexfreie Alternativen zu verwenden? Oder tauscht man dadurch nur ein Risiko gegen das andere aus?

"Für Latex gibt es aus Preis- und Sicherheitsgründen keine hundertprozentige Alternative", konstatierte Dr. Christian Zimmermann, Regent Medical, auf einer Informationsveranstaltung "Latex und Latexallergien" des Bundesfachverbandes Medizinprodukteindustrie. Andere Materialien können nur in Teilbereichen als Ausweichmöglichkeit für derzeit aus Latex hergestellte Güter dienen. Das Naturprodukt hat eine Reihe von Vorteilen, mit denen alternative Materialien sowohl im medizinischen als auch alltäglichen Bereich nicht alle aufwarten können: hoher Tragekomfort, reißfest, elastisch, tastempfindlich, günstig herzustellen.

Als "zukunftsweisendes Ersatzmaterial" stellte Zimmermann Polyurethan vor. In den USA sei ein Kondom mit dem Namen "Avanti" aus Polyurethan auf dem Markt. Polyurethan ist doppelt so reißfest wie Latex. Produkte mit vergleichbarer Reißfestigkeit müssen also nur halb so dick sein wie die aus Latex. Was Kondome und Handschuhe angeht, ist diese Eigenschaft geradezu ideal, zumal Polyurethan auch virendicht und elastisch ist. Aber bereits die Kondome sind extrem schwierig herzustellen. Für die Handschuhproduktion in großem Maßstab müßte eine neue Technologie entwickelt werden. Polyurethan ist deshalb zwar exzellent geeignet, aber derzeit noch zu teuer.

Bei Allergie auf Alternativen ausweichen

Bei bestehender Latexallergie empfahl Zimmermann das von Taucheranzügen bekannte Neopren. Das Material eigne sich ideal für Handschuhe, es sei aber teurer und schlechter dehnbar als Latex. Styren-Ethylen-Buthylen ist ein weiteres Material für latexfreie Handschuhe. Es wurde 1992 in den USA vorgestellt. Das Polymer kann ohne Akzelleratoren (Vulkanisationsbeschleuniger) hergestellt werden. Dehnbarkeit und Reißfestigkeit sind deutlich geringer als bei Latex, es ist in der Herstellung und Verarbeitung teuer und riecht unangenehm. Pluspunkt: Es kann bei gleichzeitiger Typ-I-Allergie gegen Latexproteine und Typ-IV-Akzelleratorallergie verwendet werden. Als Material für Kondome ist es in der Planung.

Nach Zimmermanns Ausführungen muß jedenfalls sorgfältig abgeschätzt werden, ob alternative Materialien wirklich die Lösung für die Zukunft darstellen oder ob man langfristig nicht nur ein Risiko gegen ein anderes austauscht. "Auch gegen die Austauschsubstanz kann es Sensibilisierungen geben", gab Zimmermann zu bedenken. Andere bereits aufgetretene Negativbeispiele: Latexfreie Kondome sind nicht virusdicht, Silikonschnuller sind nicht bißfest.

Um der Ausbreitung von Latexallergien Herr zu werden, habe die Verbesserung der allergologischen Eigenschaften des Naturlatex oberste Priorität, so Zimmermann. Das betrifft erstens den Verzicht auf Akzelleratoren aus der Gruppe der Thiurame, die den Herstellungsprozeß erheblich beschleunigen und die Produktionskosten senken würden. Thiurame lösen aber Reaktionen vom Spättyp aus. Deshalb haben mittlerweile bis auf einen Hersteller von OP-Handschuhen alle die Thiurame gegen Carbamate oder Thioharnstoffe ausgewechselt. Die Zahl der Neuerkrankungen mit Typ-IV-Allergien geht seitdem zurück.

Die Typ-IV-Allergien nehmen ab, die Typ-I-Form gegen Latexproteine nimmt jedoch stetig zu. Etwa 50 der 200 Latexproteine in der Latexmilch lösen eine Soforttyp-Allergie aus. Die Hersteller sind deshalb angehalten, möglichst latexproteinarme Einmalhandschuhe zu produzieren.

Ein weiteres Problem ist der Handschuhpuder. Beim Abstreifen werden die Latexproteine aerosoliert und in der Raumluft aufgewirbelt. Besonders in Operationssälen und Krankenstationen inhaliert man dann die Latexproteine. "Das Problem der Latexallergien betrifft nicht mehr nur die Träger von Einmalhandschuhen, sondern immer mehr auch die Patienten", sagte Zimmermann. Die Tatsache, daß gerade Kinder mit Spina bifida prädisponiert sind, eine Latexallergie zu entwickeln, wird darauf zurückgeführt, daß sie schon im ersten Lebensjahr operiert worden und deshalb sensibilisiert sind. Nach und nach reagieren die Hersteller mit der Entwicklung von puderfreien oder innenbeschichteten Handschuhen.

PZ-Artikel von Elke Wolf, Wiesbaden
       

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