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Wenn Männer alt werden

13.03.2000  00:00 Uhr

- Medizin Govi-Verlag

Wenn Männer alt werden

von Renate Leinmüller, Genf

Männer haben´s schwer, arbeiten hart, kennen keinen Schmerz und gehen erst zum Arzt, wenn es wirklich "brennt". Dafür sterben sie, allen Segnungen der modernen Medizin zum Trotz, rund sieben Jahre früher als Frauen. Und leiden an Krankheiten, die als typische Frauenleiden gelten. Mit alternden Männern beschäftigten sich Experten beim Kongress "The Aging Male" Mitte Februar in Genf.

Bei Männern kommt es erst zehn Jahre später zu Osteoporose-bedingten Frakturen als bei Frauen. Die Folgen sind jedoch umso schlimmer. Jeder dritte Betroffene wird dadurch an den Rollstuhl gefesselt. Ein Klimakterium muss Mann zwar nicht befürchten, wohl aber vergleichbare Symptome - etwa Gelenk- und Muskelschmerzen, Schlafstörungen, depressive Verstimmung und sexuelle Probleme. Ursache ist hier nicht der aprupte Ausfall der Gonadenfunktion, jedoch nimmt auch die Testosteronproduktion im Alter ab. Hoffnungen, die Beschwerden zu reduzieren, richten sich auf eine Hormonsubstitution, die dem partiellen Androgendefizit des alternden Mannes (PADAM) im Idealfall ebenso langfristig und erfolgreich entgegenwirkt wie die Hormonersatztherapie bei der postmenopausalen Frau.

Bereits bei der Diagnose des partiellen Androgenmangels beginnen jedoch die Schwierigkeiten. Objektive Parameter dafür sind international nach wie vor nicht definiert, und zur Interventionsschwelle gibt es unterschiedliche Ansichten. Bei einer Blitzumfrage verteilten sich die Stimmen in Genf relativ gleichmäßig auf drei unterschiedliche Schwellenkonzentrationen für den Beginn einer Testosteron-Substitution. Uneinheitlich waren auch die Meinungen darüber, in welcher Form und Frequenz das Hormon eingesetzt werden soll: oral, injiziert, als Pflaster, Pellets oder gar Creme, dem Biorhythmus folgend kurz- oder compliancefreundlich langwirksam.

Langfristige Risiken ungeklärt

Zur Abschätzung der Risiken und Entwicklung selektiv wirksamer Androgen-Rezeptor-Modulatoren muss außerdem geklärt werden, welche Konzentrationen in welchem Endorgan erreicht werden sollen, ohne dass in einem anderen unerwünschte Folgen auftreten. Das potenzielle Risiko einer Stimulation von klinisch okkulten Tumoren der Prostata scheint nach den bisher maximal drei Jahre laufenden Studien zwar nicht sehr hoch zu sein, ist jedoch für eine Langzeitbehandlung nicht bekannt. Liegt bereits eine benigne Prostatahyperplasie vor, stufen einige Spezialisten die obstruktive Form als Kontraindikation ein. Für therapiebedürftige nicht-obstruktive Formen gibt es keine Daten zur Kombination mit den gängigen BPH-Medikamenten. Einziger Konsens: Ein diagnostiziertes Prostatakarzinom ist eine klare Kontraindikation für eine Testosteron-Substitution, relative Risiken stellen eine positive Familienanamnese, ein Schlafapnoe-Syndrom, eine chronisch obstruktive respiratorische Erkrankung und eine Polyzythämie dar.

Substitution nützt Knochen und Muskeln

Soweit zu den Risiken, wo bleibt der Nutzen? Bei nachgewiesenem Defizit zeichnet sich in den am längsten laufenden US-Studien unter der Testosteron-Substitution über drei Jahre ein positiver Einfluss auf die Knochendichte ab. Auch die körperliche Erscheinung profitiert von der Ersatztherapie: Der pro-atherogene viszerale Fettanteil schmilzt erheblich ein (- 16 Prozent), die Muskelmasse nimmt zu. Um dies auch in verstärkte Muskelkraft umzusetzen, scheint allerdings zusätzliches Training nötig. Darüber hinaus wurden in den Staaten positive Auswirkungen der Substitution auf die Befindlichkeit sowie die kognitiven Funktionen beobachtet - allerdings mit erheblichen interindividuellen Schwankungen.

Koronarschutz durch Hormone

Überraschend waren erste Daten zur direkten Wirkung von Testosteron auf Koronarien: Nach Pilot-Untersuchungen in Italien und England vermuten Experten, dass Androgene beim Mann nicht den bisher postulierten negativen Effekt auf Gefäße ausüben, sondern möglicherweise die Koronarien sogar schützen. Kardiologen in Mailand haben bei 14 Männern mit koronarer Herzkrankheit die antianginöse Therapie abgesetzt und sie 30 Minuten nach Gabe von Placebo oder aber Testosteron Belastungstests unterzogen. Sowohl die Zeit bis zum Absinken der ST-Strecke um 1 mm als auch die Dauer der Belastung waren unter Testosteron signifikant verlängert. In London konnte bei 13 Männern mit KHK bei kurzzeitiger intrakoronarer Testosteron-Applikation in physiologischen Konzentrationen eine Dilatation der Koronarien und ein verstärkter koronarer Blutfluss nachgewiesen werden.

Da die nachgewiesene Akutwirkung von Estrogenen bei Frauen mit kardialen Zwischenfällen in deutschen Kliniken anders als in Skandinavien kaum therapeutisch umgesetzt wird, werden praktische Konsequenzen für den Mann wohl ähnlich skeptisch gehandhabt werden. Derzeit jedoch aus gutem Grund, existieren doch ausreichend geprüfte Strategien und Medikamente für KHK-Patienten.

Wo Prävention ansetzen kann

Für Vorbeuge- und Früherkennungsmaßnahmen sind Männer bekanntlich schwer zu motivieren. Das Interesse dürfte erheblich steigen, wenn eine weitgehend unbekannte Tatsache an den Mann gebracht wird: Viele der gesicherten KHK-Risikofaktoren sind gleichzeitig mit einem erhöhten Risiko für eine erektile Dysfunktion vergesellschaftet: Hypertonie, Übergewicht, Diabetes, metabolisches Syndrom. Hier sehen die Veranstalter des Kongresses Ansatzpunkte, um bei Ärzten und Patienten das Bewusstsein zu schärfen und der so genannten Altersmorbidität entgegenzuwirken. Denn viele Symptome werden fälschlich dem Alter zugeschrieben, obwohl sie entsprechender Prävention oder auch frühzeitiger Therapie zugänglich und damit lange Zeit vermeidbar sind.

Was Mann selbst tun kann

Es müssen ja nicht gleich Medikamente sein, bereits ein gesunder Lebensstil verspricht Erfolge, wenn man die Lebensqualität im Alter erhöhen und das Rad der Zeit bremsen möchte. Bewegung fördert die körperlichen und geistigen Funktionen, stärkt Muskeln und Knochenmasse (was durch Kalzium und Vitamin D noch zu verbessern ist), kommt der Figur zugute und fördert den Schlaf. Die frühzeitige, adäquate Therapie von Erkrankungen verhindert ein vorzeitiges Absinken der Hormonspiegel, und schiebt damit auch Androgenmangel-assoziierte Beschwerden hinaus. Mit einer Normalisierung des Körpergewichtes lassen sich Diabetes und Koronar-Erkrankungen besser in den Griff bekommen, und das Risiko für erektile Dysfunktionen sinkt. Sex ist auch im Alter gesund. Sexuelle Inaktivität, so weist eine Kohortenstudie an "mittelalten" Männern aus, lässt das Mortalitätsrisiko der Männer um rund 50 Prozent steigen.

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