Medizin
Herzinsuffizienz: Digitalis reduziert die Letalität
Die Prognose der Herzinsuffizienz kann nur durch Medikamente verbessert
werden, die die Aktivität des Sympathikus und des
Renin-Angiotensin-Systems vermindern. Eindeutig nachgewiesen ist eine
Mortalitätssenkung für ACE-Hemmer. Digitalisglykoside reduzieren die
Letalität Immerhin, wie die DIG-Studie zeigt. In den Therapiegewohnheiten
in Deutschland spielen sie immer noch die zentrale Rolle.
Die Einjahresmortalität der chronischen Herzinsuffizienz beträgt etwa 30 Prozent und
liegt damit so hoch wie die einer koronaren Dreigefäßerkrankung in zwölf Jahren.
Die Sterblichkeit durch die Erkrankung hat sich in den letzten 50 Jahren kaum
verändert. Für die schlechte Prognose spielt die Aktivierung des sympathischen
Nervensystems und des Renin-Angiotensin-Systems eine entscheidende Rolle. Eine
Verbesserung von Belastbarkeit und Lebensqualität des Patienten bedeutet nicht
unbedingt eine Zunahme der Überlebenswahrscheinlichkeit.
Dies hat der Einsatz von rein inotrop wirksamen Substanzen wie Phosphordiesterase
(PDE)-Hemmern gezeigt, die zu einer erheblichen Übersterblichkeit führten. Sie ist
vor allem auf die Stimulation des Sympathikus zurückzuführen. Auch bei
Kombination des inotropen Prinzips mit einer Entlastung war noch eine geringe
Übersterblichkeit festzustellen. Nur die Entlastung allein verbesserte die Prognose.
Auch Digitalisglykoside kamen als Substanzen mit inotroper Wirkung nach den
schlechten Studienergebnissen mit PDE-Hemmern in die Diskussion, erinnerte
Professor Dr. Michael Böhm, Köln, auf einem Pressegespräch in Tading. In zwei
Absetzstudien, an denen Patienten mit einer Ejektionsfraktion unter 35 Prozent
teilnahmen, konnte gezeigt werden, daß sich beim Absetzen von Digitalisglykosiden
die Symptomatik des Patienten wieder verschlechtert und die Hospitalisierungquote
ansteigt.
Bis vor kurzem gab es allerdings noch keinen Hinweis, wie Glykoside die Prognose
beeinflussen. Aufgrund theoretischer Überlegungen kann jedoch ein günstiger Effekt
auf die Prognose erwartet werden, denn Herzglykoside fördern nicht nur die
Kontraktilität des Herzmuskels, sondern senken auch den Noradrenalinspiegel im
Plasma. Durch die Abnahme der sympathischen Aktivität wird der
Baroreflexmechanismus restituiert, und der periphere Widerstand nimmt ab. Die
Prognose wird besser.
In der DIG-Studie wurde der Einfluß auf die Prognose erstmals kontrolliert geprüft.
Einbezogen waren 7788 herzinsuffiziente Patienten mit einer mittleren
Ejektionsfraktion von 32 Prozent. Dabei konnte kein signifikanter Einfluß auf die
Mortalität festgestellt werden. Allerdings verstarben in der Digitalisgruppe weniger
Patienten an Herzinsuffizienz, und die Hospitalisierungsrate nahm ab. Möglicherweise
lassen sich die etwas schwachen Ergebnisse damit erklären, so Böhm, daß viele
Patienten mit leichter Herzinsuffizienz (circa 70 Prozent NYHA I/II) einbezogen
waren. Dies erschwert natürlich den Nachweis einer signifikanten Wirkung auf die
Mortalität.
Wie die Therapiesituation der Herzinsuffizienz in Deutschland aussieht, zeigen
Ergebnisse des Mediplus Quick-Ärztepanels, das Dr. Gerhard Brenner, Köln,
vorstellte. Bei 70 Allgemeinärzten und Internisten waren 4785 Patienten mit
Herzinsuffizienz in Behandlung. 45 Prozent der Patienten erhielten Herzglykoside,
33,5 Prozent Diuretika und 17,9 Prozent ACE-Hemmer.
Interessante Unterschiede ergab die Therapiestruktur im Osten und Westen der
BRD. ACE-Hemmer setzten die Ost-Ärzte bei 12,4 Prozent der Patienten
gegenüber 9,3 Prozent im Westen ein. Diuretika erhalten im Osten 33,6 Prozent der
Patienten und im Westen 25,2 Prozent und Herzglykoside im Westen 42,9 Prozent
und im Osten 40,8 Prozent. Im Osten wird etwas moderner und damit auch etwas
teurer behandelt. Ein Großteil der Patienten in beiden Teilen der Bundesrepublik
erhält jedoch nur eine Monotherapie und nicht die empfohlene
Kombinationstherapie.
Die Tagesdosen lassen zudem den Schluß zu, daß häufig nicht, wie erforderlich, eine
Dauermedikation verordnet wird. Im Osten wie im Westen werden nur ein gutes
Drittel der Patienten, die Diuretika erhalten, auch mit ACE-Hemmern behandelt.
Dies steht im Gegensatz zu der Empfehlung, ACE-Hemmer und Diuretika bei der
Therapie der Herzinsuffizienz grundsätzlich zu kombinieren.
PZ-Artikel von Angelika Bischoff, Gräfelfing
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