WHO warnt vor weltweiter Epidemie |
02.02.2004 00:00 Uhr |
Wenn die Vogelgrippe-Epidemie in Asien nicht rechtzeitig eingedämmt wird, könnte sie eine weltweite Katastrophe auslösen, warnt die Weltgesundheitsorganisation (WHO). Grund zur Panik sei allerdings nicht gegeben.
In Asien breitet sich die Vogelgrippe immer weiter aus. Fusioniert der Erreger mit einem menschlichen Grippevirus zu einer neuen Virusvariante, könnte diese eine Influenza-Pandemie verursachen, die Millionen von Menschenleben kostet. Bereits zehn Länder melden Ausbrüche der Vogelgrippe im Geflügelbestand (siehe Reisemedizin Seite 48 bis 50). Neben Thailand, Vietnam und Südkorea sind mittlerweile auch Pakistan, Indonesien, Kambodscha, Taiwan, Japan, China und Laos betroffen. Erkrankungen beim Menschen traten dagegen bislang nur in Vietnam und Thailand auf. Dort seien insgesamt 14 Menschen erkrankt und 11 gestorben, meldete die WHO am Montag.
Die Erreger der Vogelgrippe sind Influenza-Viren des Typs A. Sie infizieren außer Vögeln noch verschiedene Tierarten wie Pferde, Schweine, Seerobben und Wale. Auf Menschen greifen sie normalerweise nicht über. Bei Vögeln rufen die Erreger je nach Spezies und Virustyp eine Reihe von Symptomen und unterschiedlich schwere Verläufe hervor – von harmlosen Infektionen bis hin zu hoch ansteckenden, rasch tödlich endenden Erkrankungen.
Die Influenza-A-Viren werden anhand ihrer Oberflächenproteine Hemagglutinin (HA) und Neuraminidase (NA) in 15 Subtypen unterteilt. Während bei Vögeln alle Typen verbreitet sind, haben bisher nur drei HA-Subtypen (H1, H2, H3) und zwei NA-Subtypen (N1, N2) beim Menschen Epidemien ausgelöst. Alle Ausbrüche von hoch pathogener Vogelgrippe (highly pathogenic avian influenza) bei Vögeln gehen auf Erreger der Subtypen H5 und H7 zurück. Wilde Vögel, vor allem Wasservögel, gelten als das natürliche Reservoir der Erreger – die Tiere sind sehr widerstandsfähig gegen Influenza-Viren, sie erkranken selten und nur leicht. Dagegen sind domestizierte Vögel wie Hühner oder Truthähne sehr anfällig der Erkrankung gegenüber. Der Kontakt von Hausgeflügel und infizierten wilden Wasservögeln gilt als häufiger Auslöser von Vogelgrippe-Epidemien.
Alle Typen von Influenza-A-Viren sind genetisch labil, verändern sich also ständig. Sie besitzen keine Mechanismen, die nach der Replikation das Erbgut auf Fehler untersuchen und diese gegebenenfalls korrigieren. Dadurch verändert sich die genetische Ausstattung des Virus und somit auch seine Antigen-Zusammensetzung fortwährend.
Influenza-A-Viren haben eine weitere unangenehme Eigenschaft: Sie können mit anderen Viren fusionieren und genetisches Material austauschen. Hierdurch entstehen neue Varianten des Erregers, die große Grippe-Epidemien hervorrufen können, da die Bevölkerung keine Immunität gegen den neuen Subtyp besitzt und auch vorrätige Vakzine nicht vor einer Infektion schützen. Große Epidemien können allerdings nur entstehen, wenn der Erreger genügend genetisches Material des menschlichen Grippevirus besitzt und somit von Mensch zu Mensch übertragbar ist.
Besondere Bedeutung von H5N1
Der zurzeit in Südostasien kursierende Virustyp H5N1 ist aus verschiedenen Gründen von besonderer Bedeutung, schreibt die WHO (1). Zum einen mutiert er ausgesprochen schnell, zum anderen ist er sehr pathogen – er führt bei Vögeln zu großen Epidemien und kann auch auf den Menschen überspringen und schwere Erkrankungen hervorrufen (siehe Kasten). Typische Symptome der Infektion beim Menschen sind Fieber, Halsschmerzen, Husten sowie Bindehautentzündung und schwere Atemprobleme. Häufig verläuft die Erkrankung tödlich. Durch die derzeit starke Ausbreitung der Vogelgrippe im Geflügelbestand, erhöht sich die Gefahr, dass sich auch Menschen mit dem Erreger infizieren. Wäre eine Person gleichzeitig mit dem Vogelgrippe-Erreger H5N1 und dem derzeit kursierenden menschlichen Influenza-Virus Fujian infiziert, könnten die beiden Virus-Typen fusionieren und einen Virus bilden, der eine Pandemie anstößt.
Vogelgrippe-Erkrankungen beim Menschen 1997: Bei einem großen Vogelgrippe-Ausbruch in Hongkong infizierte das Typ-A-Influenza-Virus (H5N1) nicht nur Hühner, sondern erstmals auch Menschen. Insgesamt 18 Personen erkrankten, sechs von ihnen starben. Innerhalb von drei Tagen wurde der gesamte Geflügelbestand – etwa 1,5 Millionen Tiere – getötet, um die Epidemie einzudämmen.
2003: In China erkrankten im Frühjahr zwei Menschen an Vogelgrippe, einer von ihnen starb. Infektionsquelle und -ort konnten nicht ermittelt werden.
2003: Ausbruch von Vogelgrippe (H7N7) auf Geflügelfarmen in den Niederlanden. Etwa 80 Menschen infizieren sich mit dem Erreger, ein Tierarzt stirbt an der Infektion.
Eine Epidemie mit dem neuen Erreger wäre schwierig zu stoppen, da weder für Impfstoffe noch für antivirale Medikamente ausreichend gesorgt sei. Dies kritisierten zwei US-Forscher bereits im November vergangenen Jahres in der Fachzeitschrift Science (Band 302, Seite 1519). Erste Chargen eines Impfstoffes könnten in vier Monaten, größere Mengen der Vakzine erst in sechs Monaten produziert werden, so die WHO.
Allzu große Panik in Bezug auf die Vogelgrippe sei trotz dieser Meldungen nicht angebracht, räumen Experten ein. Dass der Vogelgrippe-Erreger mit einem menschlichen Influenza-Virus fusioniert, sei nur eine theoretische Möglichkeit, erklärten Mediziner der Bayerischen Gesellschaft für Immun-, Tropenmedizin und Impfwesen am Dienstag in München. Derzeit gebe es keinen Beweis dafür, dass das H5N1-Virus von Mensch zu Mensch übertragbar ist. Außerdem bestehe für Touristen in Südostasien keine Gefahr. Geflügelmärkte und Geflügelfarmen in Südostasien seien allerdings zu meiden. Die Bevölkerung in den betroffenen Ländern sei derzeit nicht generell gefährdet. Auch Professor Dr. Herbert Schmitz vom Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin in Hamburg erklärte, dass Menschen nur selten an Vogelgrippe erkrankten und wenn, dann nur nach massivem Kontakt mit dem Erreger aus Blut oder Kot infizierter Tiere.
Quellen
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