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Sauerstoff hilft bei Tumorbehandlung

07.02.2000  00:00 Uhr

- Medizin Govi-Verlag

Sauerstoff hilft bei Tumorbehandlung

von Matthias Dürschlag, Heidelberg

Wie Tumorgewebe auf Bestrahlung oder Chemotherapie reagiert, ist erheblich von der Versorgung der Krebszellen mit Sauerstoff abhängig. So müssen schlecht oxygenierte Tumorzellen mit höheren Strahlendosen behandelt werden, um dasselbe Ergebnis zu erzielen wie bei Zellen mit guter Sauerstoffversorgung.

Blutarmut ist eine häufige Begleiterscheinung fortgeschrittener Krebserkrankungen. Die Heilungs- und Überlebenschancen solcher Patienten sind schlecht, weil sie auf Strahlen- und Chemotherapie kaum ansprechen. Auch die Sauerstoffversorgung der Tumore selbst beeinflusst den Therapieerfolg. Wie Professor Dr. Peter Vaupel von der Universität Mainz auf einer Fortbildungsveranstaltung am 22. Januar im Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) in Heidelberg erläuterte, sind Tumore deutlich schlechter mit Sauerstoff versorgt als gesundes Gewebe. Die Ursache für diese Hypoxie sieht der Physiologe unter anderem im "strukturellen und funktionellen Chaos" des Tumorwachstums: Anomalien bei der Entwicklung neuer Blutgefäße und verlängerte Diffusionswege. Als Maß der Sauerstoffversorgung dient der Sauerstoffpartialdruck PO2, der bei vielen Tumoren in vivo mit einer Sauerstoffelektrode gemessen werden kann. In gesundem Gewebe liegt dieser Wert nie unter 12,5 mmHg. Bei Mammakarzinomen haben Vaupel und seine Mitarbeiter in einigen Tumorregionen PO2-Werte von 2,5 mmHg und weniger gemessen. Vaupel: "Die Hypoxie ist ein geeigneter Parameter für die Überlebensprognose von Tumorpatienten."

Wie Sauerstoff bei Strahlen- und Chemotherapie wirkt, ist bekannt: Durch Bestrahlung bilden sich in normoxischen Tumorzellen mehr Radikale als in hypoxischem Krebsgewebe. Die DNA der Tumorzellen wird so stark geschädigt, dass sie durch die Reparaturmechanismen der Zelle nicht mehr vollständig wiederhergestellt werden kann. In hypoxischen Zellen fehlt diese indirekte Verstärkung der Strahlenwirkung über Sauerstoffradikale. "Auch die Wirksamkeit verschiedener Zytostatika wie zum Beispiel Doxorubicin, Vincristin oder Cyclophosphamid hängt vom Sauerstoff ab", so Vaupel weiter. Diese Medikamente wirken insbesondere auf Zellen, die sich gerade teilen. Unter Sauerstoffmangel proliferieren Tumorzellen jedoch langsamer und sind damit schlechter angreifbar.

Zellen in schlecht mit Sauerstoff versorgten Tumorarealen metabolisieren zudem große Mengen Glukose zu Milchsäure, erklärte Vaupel. Dies führt zu einer extrazellulären Azidose. Auf Grund des steilen pH-Gradienten entlang der Zellmembran (außen sauer, innen basisch) werden dann alkalische Substanzen, wie der Metastasehemmer Vinblastin, nicht mehr in die Tumorzellen aufgenommen.

Ziel der Therapie ist es, die Hämoglobin-Werte durch die Bluttransfusionen oder Erythropoetin-Gabe zu heben, um die Sauerstoffversorgung des Gewebes zu verbessern (Anämie-Korrektur). Vaupel: "Es ist bekannt, dass Krebspatientinnen, die viel Sport treiben, bei denen man also von einer grundsätzlich guten Sauerstoffversorgung des gesamten Organismus ausgehen darf, ihre Erkrankung länger überleben."

Den Zusammenhang zwischen der Anämie und mangelhaft oxygenierten Tumoren erläuterte Professor Dr. Jürgen Dunst (Universität Halle). Die Krebsforscher bestimmten die Hämoglobinwerte (Hb-Werte) wie auch den Sauerstoffpartialdruck in Tumoren und gesundem Gewebe bei Patienten, die unter Kopf-Hals-Tumoren oder Zervix-Karzinom litten. Tumore seien nicht nur grundsätzlich schlechter mit Sauerstoff versorgt, sondern reagierten auch wesentlich sensibler auf Schwankungen des Blut-Hämoglobin-Gehalts als gesundes Gewebe, so Dunst. Der Mediziner hält deshalb die Anämiebehandlung auch bei noch ausreichenden Hb-Werten für sinnvoll. Dunst: "Eine Anämie sollte beim Krebspatienten schon wesentlich früher korrigiert werden als bei Patienten ohne Tumor."

Auch Dr. Michael Untch von der Ludwig-Maximilians-Universität München befürwortete den vorbeugenden Einsatz von Blutbildnern wie Erythropoetin (EPO). Tumorpatienten neigten nach der EPO-Behandlung seltener zu Ermattung und Müdigkeit (Fatigue-Syndrom). Damit steige die Lebensqualität. Zur Wirkung von Erythropoetin in der unterstützenden Therapie des Mammakarzinoms laufen zur Zeit zwei Untersuchungen. "Sollten diese Studien bestätigen, dass sich unter Erythropoetin auch die Zahl der Metastasen und Rezidive verringert, könnte dies eine wesentliche Neuerung in der Therapie dieser Krebserkrankung sein", meinte Untch.

Dr. Jens-Uwe Blomer von der Charité in Berlin berichtete über seine noch nicht abgeschlossene Untersuchung zum Einfluss einer kombinierten Chemotherapie und Anämiekorrektur auf das Überleben von Patientinnen mit Zervixkarzinom. Wie die letzten Jahre gezeigt hätten, bringe die zusätzliche Chemotherapie nach Radikaloperationen in nahezu allen Indikationen einen Überlebensvorteil der Patientinnen mit sich. Blomers Studie soll jetzt zeigen, inwieweit sich therapiebedingte Anämien vermeiden lassen und welche positiven Effekte sich daraus ergeben.

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