In die Black Box Krebs fällt immer mehr Licht |
27.01.1997 00:00 Uhr |
Medizin
In die Black Box Krebs fällt immer mehr Licht
Die Krebsforscher sehen Licht am Ende des Tunnels. Die Fortschritte in der Zell- und Molekularbiologie führen zu neuen erfolgversprechenden Therapieansätzen. Nach Angaben des National Institute for Cancer ist in den USA 1995 die Zahl aller krebsbedingten Todesfälle im Vergleich zu 1991 um 2,6 Prozent gesunken.Ein solches Onkogen ist MDM2. Es kann an p53 binden
und das Gen blockieren. Studien haben gezeigt, daß MDM2
in verschiedenen humanen Tumoren, vor allem in Sarkomen
überexprimiert werde. Diese Tumorzellen seien nicht mehr
in der Lage, die Apoptose einzuleiten. Wissenschaftler
versuchen jetzt, die molekularen Grundlagen des
Mechanismus zu ergründen und Substanzen zu finden, die
die Interaktion zwischen p53 und MDM2 unterbinden. Die
Suche konzentriere sich dabei auf kleine Moleküle, die
selektiv an MDM2 binden. Aufgrund ihrer Selektivität
dürften die Nebenwirkungen einer solchen Substanz im
Vergleich zu heute eingesetzten Krebstherapeutika gering
sein, erwartet Lane.
Beruhe der Verlust der p53-Funktion nicht auf der
Überexpression von MDM2, sondern auf einem Gendefekt,
könne möglicherweise mittels Gentherapie das zerstörte
Gen ersetzt werden. Erste gentherapeutische Studien, in
denen Lungenkrebspatienten p53 in den Tumor injiziert
wurde, verliefen erfolgversprechend. In Zukunft müsse
vor einer Behandlung geprüft werden, ob ein Defekt des
p53-Gens oder die Überexpression von MDM2 Auslöser des
Tumors sei, sagte der Wissenschaftler weiter.
Ras-Proteine blockieren den zellulären Ausschalter
Ein weiteres Onkogen ist das 1981 entdeckte Ras.
Es spiele bei mehr als 30 Prozent aller humanen Tumoren
eine kausale Rolle, erklärte Dr. Frank McCormick von
Onyx Pharmaceuticals in Richmond, Kalifornien. Ras kommt
in allen Zellen vor. Das Genprodukt, die Ras-Proteine,
sind an der intrazellulären Seite der Zellmembran
lokalisiert. Wenn Wachstumsfaktoren wie EGF und PDGF an
ihren Zellrezeptor binden, werden die Ras-Proteine
aktiviert und übertragen so die Signale der
Wachstumsfaktoren zum Zellkern oder zu anderen
Zellorganellen.
Normalerweise schaltet sich Ras selbsttätig wieder aus.
Viele Krebszellen exprimieren dagegen mutierte
Ras-Proteine, die sich nicht mehr abschalten und auch in
Abwesenheit von Wachstumsfaktoren aktiv bleiben. Dies
führt zu einem malignen, unkontrollierten Zellwachstum.
McCormick ist davon überzeugt, daß die
Signalübertragung der defekten Ras-Proteine durch
Pharmaka unterbrochen werden und so das Tumorwachstum
gestoppt werden kann. Ras-Proteine kommen in den
Varianten H-Ras, N-Ras und K-Ras vor. Versuche an Mäusen
haben gezeigt, daß für die normale Signalübertragung
lediglich K-Ras essentiell ist. Ein Pharmakon, das
selektiv H-Ras blockiert, so die Theorie von McCormick,
würde deshalb zwar das Tumorwachstum stoppen, die
physiologisch notwendigen Funktionen der Ras-Proteine
aber nicht beeinträchtigen. Mögliche Kandidaten dafür
könnten nach seiner Einschätzung Medikamente auf Basis
der Farnesyl-Transferase sein.
Die Vielzahl neuer Strategien im Kampf gegen den Krebs
spiegelt sich auch in der pharmazeutischen Forschung
wider. Laut Dr. Michael Berendt, Leiter der
Krebsforschung im Bayer-Forschungszentrum in West Haven
befinden sich allein in den USA 215 neue Substanzen im
Test, davon sind 48 Pharmaka gegen Brustkrebs, 37 gegen
Lungen- und 30 gegen Darmkrebs. In den vergangenen drei
Jahren habe sich in den USA die Zahl der Pharmafirmen,
die onkologische Medikamente entwickeln, von 49 auf 98
verdoppelt.
PZ-Artikel von Daniel Rücker, New York
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