Mehr als die Heimat der Vampire |
25.08.2003 00:00 Uhr |
Kaum etwas. Vom 24. bis 27. September 2003 findet der 36. Internationale Kongress für Geschichte der Pharmazie in Bukarest-Sinaïa statt. Grund genug, einige für Pharmazeuten interessante Aspekte dieses Landes vorzustellen.
Rumänien gliedert sich in die großen Regionen Moldau, Walachei und Transsilvanien, auch als Siebenbürgen bekannt. Unter pharmaziehistorischem Blickwinkel ist vor allem Siebenbürgen zu empfehlen. Die wechselhafte Geschichte dieser Region ist geprägt von zahlreichen Herrschern. Seit dem 12. Jahrhundert hatten die Ungarn die Vormacht. Um ihre Macht zu stärken vergaben sie großzügig Stadt- und Handelsrechte an moselfränkische Einwanderer, die so genannten Siebenbürger Sachsen. „Sachse“ wurde in Rumänien als Synonym für Bergmann genutzt, da die deutschen Zuwanderer die Erschließung der reichhaltigen Erz- und auch Goldvorkommen vorantrieben.
Während der Herrschaft des osmanischen Reiches stellte die Region das Bollwerk gegen die einfallenden Türken dar – vielfach wurde durch hohe Tributzahlungen die Freiheit erkauft. Aus dieser Zeit stammt auch die Bezeichnung Siebenbürgen, was auf sieben mächtige evangelische Kirchenburgen, vermutlich waren es viel mehr, hinweist, die unter dem deutschen Einfluss erbaut wurden. Sie dienten der Bevölkerung zeitweise als Zufluchtsstätten. Für etwa zwei Jahre (1599/1600) schlossen sich Moldau und Siebenbürgen unter Michael dem Tapferen im Kampf gegen die Türken zusammen.
1862 wurde erstmals ein Staat unter der Bezeichnung Rumänien proklamiert. In den heutigen Grenzen existiert er erst seit Ende des zweiten Weltkrieges. Seit 1989 ist Rumänien frei und strebt die Mitgliedschaft in der EU ab 2007 an. Heute leben gut 23 Millionen Menschen dort, davon 90 Prozent Rumänen, 7 Prozent Ungarn und 3 Prozent andere Nationalitäten. Der Großteil der deutschstämmigen Bevölkerung hat nach rund 800 Jahren Siedlungsgeschichte das Land verlassen.
Kulturmetropole Klausenburg
Das siebenbürgische Klausenburg (Cluj-Napoca) gilt als Kultur- und Universitätsmetropole Rumäniens. In Cluj spiegelt sich noch heute die Geschichte in der Bevölkerung wider: Etwa 23 Prozent der Einwohner Klausenburgs sind ungarisch. Im nicht weit entfernten Neumarkt (Tîrgu Mureş) sind sogar über 50 Prozent der Einwohner Ungarn, was gelegentlich zu Spannungen führt. Aber Touristen bemerken hiervon kaum etwas, außer dass sie auf der Straße nicht nur das an die italienische Sprache erinnernde Rumänisch, sondern auch das fremd klingende Ungarisch hören können.
Sehenswürdigkeiten gibt es in Klausenburg viele: Neben einer interessanten Kunstsammlung im Bánffy-Palast, der orthodoxen Kirche, die im Innern mit schönen Mosaiken ausgestattet ist, der St.-Michaelskirche und der Babeş-Bolyai-Universität mit einer sehr schönen Eingangshalle, kann man den Botanischen Garten und ein Apothekenmuseum besichtigen.
Der Botanische Garten “Alexandru Borza” (Grădina Botanică), der heute zur Babeş-Bolyai-Universität gehört, ist in verschiedene Bereiche aufgeteilt. Vor dem Hauptgebäude befinden sich auf 2000 Quadratmeter etwa 300 Varietäten von Rosen. Zwei Gewächshäuser sind die Heimat von Palmen und subtropischen Pflanzen. Landestypische und mediterrane Pflanzen gehören genauso zum Spektrum des Botanischen Gartens, wie auch Vertreter aus Afrika und Mexiko. Ein Teil des Geländes ist als Nutz- und Heilpflanzengarten angelegt, ein weiterer Teil als japanisches Gärtchen. Ein reicher Waldbestand lädt mit schattigen Bänken zum Verweilen oder zum Picknick ein.
Pulverisierte Mumien
Am Ort der ersten Apotheke Klausenburgs, im Hintz-Haus aus dem 18. Jahrhundert, befindet sich das Apothekenmuseum. 1573 wurde die “kommunale Apotheke” gegründet, die 1727 als St.-Georgs-Apotheke in den Privatbesitz des Apothekers Thomas Muksch überging. Dieser ließ die schönen Fresken in der Offizin anfertigen. Von der ursprünglichen Einrichtung der Apotheke, die 1948 geschlossen wurde, ist allerdings nichts mehr vorhanden.
Ausgestellt sind in der im Empirestil gehaltenen Offizin zwei barocke Medizinalschränke und Schaukästen mit hölzernen Gefäßen aus dem 18. Jahrhundert. Die Sammlung enthält zahlreiche Skurrilitäten von Mumienpulver über syrischen Asphalt bis zu geriebenem Hirschhorn. Eine große Auswahl verschiedener, zum Teil barocker Standgefäße, blaue Kristallgefäße aus Wien von 1905, sowie einige in Transsilvanien hergestellte Keramikgefäße mit alchemistischer Beschriftung, ein Laboratoriums- und ein Vorratskeller bieten einen guten Einblick in die damalige Arbeitsweise der Pharmazeuten. Außerdem sind interessante historische Schriften zu sehen: alte Taxe von Apotheker Muksch von 1750, erste Pharmacopea Romana, Bukarest 1862, Lehrbuch der Apothekerzunft von Karl Gottfried Hagen, Königsberg 1797, das Kräuterbuch von Jacobum Theodorum Tabernaemontanum aus dem Jahre 1687 und die Medicina pauperum von Joannis Praevoth, Frankfurt am Main 1616.
Homöopathische Frühgeschichte
Auch in Hermannstadt (Sibiu) befindet sich ein schönes Apothekenmuseum. Es ist in der drittältesten Apotheke der Stadt, die seit etwa 1600 an der Piaţa Mică existierte, untergebracht. Die erste Apotheke Rumäniens wurde bereits 1494 in Hermannstadt errichtet. Die Ausstellung des Apothekenmuseums, das zur Brukenthal-Sammlung gehört, gliedert sich in Offizin, Laboratorium und ein homöopathisches Dispensatorium. Bereits sehr früh hatten der deutsche Arzt Samuel Hahnemann (1755 bis 1843), der Begründer der Homöopathie, und sein Sohn ihre Ideen in Rumänien verbreitet. Präparate von Madaus, Schwabe und der Hermannstädter Engel-Apotheke zeigen die Vielfalt des homöopathischen Arzneischatzes. Die ausgestellten Standgefäße stammen aus dem 17. bis 19. Jahrhundert und sind aus Holz, Keramik oder Glas. Zahlreiche Laboratoriumsgefäße und eine alte Balkenwaage mit Steingewichten aus dem 17. Jahrhundert zeugen von der apothekerlichen Handwerkskunst. Außerdem sind einige Pharmacopöen ausgestellt.
Hermannstadt ist aber nicht nur aus pharmazeutischer Sicht interessant: Der Marktplatz mit Renaissancehäusern und spätbarocken Palastbauten, die sehenswerten Ausstellungen im Brukenthal- und im Freilicht-Dorfmuseum Astra mit landestypischen Mühlen und Gehöften vor den Toren der Stadt machen einen Besuch lohnenswert.
Wo Dracula zur Welt kam
Die Geburtsstadt des sagenumwobenen Grafen Dracula, der mit bürgerlichem Namen Vlad Tepeş hieß, ist Schäßburg (Sighişoara). Diese kleine mittelalterliche Stadt im Norden Transsilvaniens ist heute Weltkulturerbe der Unesco. Sie wird vom aus dem 14. Jahrhundert stammendem Stundturm und einem gewaltigen Kirchberg mit Friedhof beherrscht. Hinauf in die Altstadt gelangt man auf einem Kopfsteinpflasterweg umgeben von einer Stadtmauer und zahlreichen Wehrtürmen der einzelnen Zünfte. Hier steht das Haus, in dem „Graf Dracula“ 1431 zur Welt kam und das heute zur Besichtigung offen ist. Im ersten Stock sind noch Reste von Fresken zu entdecken. Heute dient das Geburtshaus als Restaurant. Die Speisekarte spielt auf die Geschichte des Vampirs an. So gibt es Vampirwein und ein Dracula-Menü – eine Art Gulasch aus Nieren, Würstchen und Rindfleisch, das um eine eckzahnähnlich geformte Portion Mamaglia (Polenta auf rumänisch) serviert wird.
Patrizier- und Handwerkerhäuser aus dem 17. und 18. Jahrhundert umgeben den Marktplatz, und über die Schülertreppe gelangt man hinauf zur Schule und Kirche auf dem Kirchberg. Im Stundturm befindet sich ein Heimatmuseum, das zahlreiche Exponate zum Leben der Handwerker und der Stellung der Zünfte zeigt. Weiterhin wird der größte Sohn der Stadt vorgestellt, Hermann Oberth, der für die Entwicklung der Raumfahrt eine große Rolle spielte. Außerdem sind auch einige pharmazeutische und medizinische Exponate zu sehen, wie das Dispensatorium Pharmaceuticum, Wien 1770, das Selectos Instrumentorum chirurgicorum, Wien 1796, Standgefäße aus dem 17. bis 19. Jahrhundert sowie allerlei Laborgeräte und chirurgisches Besteck.
Der pharmaziehistorische Kongress Nähere Informationen zum 36. Internationalen Kongress für Geschichte der Pharmazie, der vom 24. bis 27. September 2003 in Bukarest-Sinaïa stattfindet, erhält man bei der Rumänischen Gesellschaft für Geschichte der Pharmazie (Societate Română de Istoria Farmaciei) Str. Av. Traian Vuia, nr. 6, 70138 Bucureşti, România; Fax (00 40) 12-11 27 30. Reisen mit öffentlichen Verkehrsmitteln in Rumänien Für die Reise mit der Bahn findet man unter www.cfr.ro in rumänischer und englischer Sprache Abfahrtszeiten und Verbindungen. Bahnhof heißt gara und in unmittelbarer Nachbarschaft zum Hauptbahnhof findet sich im Allgemeinen auch der Busbahnhof (autogara). Um mehr Flexibilität in den Abreisezeiten zu erhalten (teilweise fährt nur ein Zug pro Tag in die gewünschte Richtung), kann man alternativ mit Überlandbussen reisen. Fahrkarten sowohl für Bahn als auch Bus werden in Rumänien ohnehin erst etwa eine halbe Stunde vor Abfahrt gekauft. Und noch etwas: In Transsilvanien fahren Busse und Bahnen pünktlich. Weitere Informationen zu den Städten
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