Kluger Blick in die Petrischale |
07.03.2005 00:00 Uhr |
Am 11. März vor 50 Jahren starb der schottische Arzt und Forscher Alexander Fleming (18811955) an einem Herzinfarkt. Seine Entdeckung des Penicillins war der Beginn der Antibiotika-Therapie und zählt zu den großen Fortschritten der Medizin im 20. Jahrhundert. Sie ermöglichte die erfolgreiche Behandlung zahlreicher Infektionskrankheiten, die lange Zeit als »Geißeln der Menschheit« galten (1).
Alexander Fleming wurde am 6. August 1881 in einem abgelegenen Farmhaus, nahe der kleinen Stadt Darvel, im Hochland von Ayrshire im Südwesten Schottlands geboren. Zur Familie zählten neben vier Kindern aus der ersten Ehe des Vaters vier weitere, von denen Alexander das drittälteste war. Bereits mit sieben Jahren verlor er den Vater, und die Farm musste von der Mutter und dem ältesten Bruder allein weiter betrieben werden. Seit dem zehnten Lebensjahr besuchte Fleming eine Schule in der Nähe von Darvel, ab 1895 konnte er seine weitere Ausbildung in London fortsetzen. Sechzehnjährig musste er die Schule jedoch verlassen, um die Familie finanziell zu entlasten, und er trat eine Stelle in einem Schifffahrtsbüro der Amerika-Linie an.
Eine unerwartete Erbschaft 1901 ermöglichte ihm ein Medizinstudium am St. Mary's Hospital in London, nachdem er noch im selben Jahr die dafür erforderliche Schulabschlussprüfung als Externer nachgeholt hatte. Großen Einfluss übte Almroth Edward Wright (18611947) auf ihn aus, der als Professor für Pathologie und Bakteriologie am St. Mary's Hospital wirkte. Im Juli 1904 bestand Fleming das erste medizinische Examen, zwei Jahre später folgte das zweite. Anschließend trat er eine Stelle in Wrights Abteilung an, fasziniert von dessen Untersuchungen über die Abwehrmechanismen des Körpers gegen Infektionskrankheiten. Nachdem er 1909 seine Prüfung als Chirurg abgelegt hatte, blieb er bei Wright und erwarb sich hier schnell einen Ruf als Fachmann für die Impftherapie.
Der Erste Weltkrieg unterbrach Flemings wissenschaftliche Tätigkeit, doch wurde er gerade als Militärarzt mit Infektionskrankheiten konfrontiert. Wie er feststellte, vermochten die eingesetzten Antiseptika, die auf die Wundoberfläche geträufelt wurden, eine Infektion im Wundinneren nicht aufzuhalten. Wright, Fleming und weitere Mitarbeiter erkannten, dass Phagozyten für die körpereigene Abwehr von großer Bedeutung sind. Statt mit Antiseptika, behandelten sie die Wunden nun mit Salzlösungen, die die Aktivitäten der Phagozyten anregen sollten (2).
Entdeckung körpereigener Abwehr
Nach dem Krieg setzte Fleming seine wissenschaftliche Tätigkeit im St. Mary's Hospital fort. Seine erste Entdeckung verdankte er ebenso wie die des Penicillins nicht zuletzt seinem nicht allzu ausgeprägten Ordnungssinn. Während andere dort tätige Bakteriologen ihren Arbeitsplatz täglich säuberten und alle Gerätschaften von Bakterien reinigten, war der von Fleming häufig mit Bakterienkulturen übersät, die er später gerne noch einer Betrachtung unterzog. Im November 1921 machte er in einer alten Kulturschale, in die er während einer längeren Erkältung einen Tropfen dicklicher Nasenflüssigkeit gebracht hatte, eine interessante Entdeckung. Während auf der Schale überall goldgelbe Bakterien wuchsen, hatten sich diese in unmittelbarer Nähe der Nasenflüssigkeit aufgelöst. Fleming schlussfolgerte, dass die Nasenflüssigkeit einen Stoff enthält, der Bakterien tötet. Er nannte ihn Lysozym. Schon bald konnte er dieses Antiseptikum auch in Tränenflüssigkeit, Speichel sowie Blut nachweisen. Obwohl diese Entdeckung wenig beachtet blieb, hatte Fleming damit die »erste innere Abwehrlinie« des Körpers gefunden. Es zeigte sich jedoch, dass Lysozym nur einige Bakterien angriff, wohingegen die meisten pathologischen Keime unbeschadet weiterleben konnten (3).
Schimmelpilz in Reinkultur
Im Rahmen seiner Beschäftigung mit dem Wachstum und den Eigenschaften von Staphylokokken entdeckte Fleming im September 1928 das Penicillin. Er hatte festgestellt, dass eine Agar-Platte des Staphylococcus aureus von einer Schimmelpilzkolonie befallen war. Im Umkreis des Schimmelpilzes zeigten sich Auflösungserscheinungen, die offenbar Folge einer in den Agar diffundierten Substanz waren (4, 5). Rückblickend erinnerte sich Fleming seiner damaligen Beobachtung: »Als ich die Bakterien eingehen sah, ahnte ich nicht, daß sich mir da ein Anhaltspunkt zur stärksten therapeutischen Substanz bot, die man jemals gefunden hat, um bakteriellen Infektionen im Menschenkörper entgegenzuwirken. Aber das Aussehen jenes Kulturmediums war so, daß ich dachte, die Erscheinung dürfte nicht mißachtet werden. Deshalb stellte ich von dem merkwürdigen Schimmelpilz reine Kulturen her« (3, Seite 40).
Fleming isolierte den Schimmelpilz, der zunächst fälschlich als Penicillium rubrum, dann aber als Penicillium notatum identifiziert worden war, und züchtete in Fleischbouillon eine Reinkultur. Er stellte fest, dass der Wirkstoff bereits in geringer Konzentration das Wachstum für den Menschen pathogener Keime hemmte. In Tierexperimenten wies er die Ungiftigkeit sowie die Wirksamkeit in Gegenwart physiologischer Stoffe wie Blut, Serum und Eiter nach (5, 6). Versuche, den Stoff, dem Fleming 1929 den Namen Penicillin gab, zu isolieren, scheiterten jedoch, da ihm die technischen Hilfsmittel hierfür fehlten. Seine ersten Penicillin-Extrakte erwiesen sich nur als gering wirksam und wenig haltbar. Fleming bewahrte jedoch die Originalkulturen sorgfältig auf, obwohl die Konservierung sehr arbeitsintensiv war und suchte andere Wissenschaftler für seine Schimmelpilze zu interessieren.
1930 widmete sich Harold Raistrick (18901971) vom Londoner Institut für Hygiene und Tropenkrankheiten diesem Problem. Ihm gelang die Isolierung im sauren Milieu mit Äther, jedoch wurde die chemisch labile Substanz während des Reinigungs- und Konzentrationsprozesses zerstört. Die 1932 erfolgte Entdeckung des ersten Sulfonamids durch den deutschen Mediziner Gerhard Domagk (18951964) (7) ließ das Interesse am Penicillin wieder wachsen (5) .
1938 begann sich unter Leitung des Pathologen Howard Walter Florey (18981968) und des deutsch-jüdischen Chemikers Ernst Boris Chain der so genannte »Oxford-Kreis« erneut mit dem Penicillin zu befassen. Die Zugabe von Glucose zu den Nährböden ermöglichte bessere Ausbeuten, und die Verteilungs-Chromatographie erwies sich als geeignetes Reinigungsverfahren.
Die erste tierexperimentelle Testung des Pencillins erfolgte durch Florey, der zwischen Mai und August 1940 die Wirkung des ersten Antibiotikums an Mäusen nachwies. Am 12. Februar 1941 wurde als erster Patient der dreiundzwanzigjährige Polizist Albert Alexander, der eine Blutvergiftung hatte, behandelt. Da die zur Verfügung stehende Penicillinmenge allerdings nicht zur vollständigen Vernichtung aller Bakterien im Körper ausreichte, starb er nach zunächst eingetretener Besserung am 15. März 1941.
Nachdem Fleming aus der Zeitschrift »Lancet« von Floreys erfolgreichen Tierexperimenten erfahren hatte, setzte er sich mit diesem in Verbindung und stellte ihm seine Schimmelpilzkulturen zur Verfügung. Dafür erhielt er von Florey Penicillin zur weiteren Testung. 1942 behandelte Fleming mit diesem Penicillin den Patienten Harry Lambert, um dessen Leben die Ärzte des St. Mary's Hospital bereits sechs Wochen verzweifelt gekämpft hatten. Nach Fieberanfällen und quälenden Krämpfen war Lambert schließlich ins Koma gefallen. Fleming, der einen Meningitiserreger identifiziert hatte, nahm am 6. August 1942 die erste Penicillin-Injektion vor. Nachdem weitere Injektionen im Abstand von drei Stunden erfolgt waren, fiel nach 24 Stunden die Körpertemperatur auf einen normalen Wert. Sieben Tage fuhr man mit Penicillin-Injektionen fort, dann stieg die Körpertemperatur jedoch erneut. Erst die mit Florey in Oxford abgesprochene direkte Injektion in den Spinalkanal ermöglichte eine Besserung; einen Monat später konnte Lambert als völlig geheilt das Krankenhaus verlassen (2, 8).
Nobelpreis und viele Auszeichnungen
Nachrichten über die Heilung dieses Patienten gelangten in die Zeitungen und machten Fleming schnell bekannt. 1945 erhielt er zusammen mit Florey und Ernst Boris Chain (19061979) den Nobelpreis für Medizin. Im Jahr 1952 wurde Fleming zum Ehrenrektor der Universität von Edinburgh gewählt; jubelnde Studenten trugen ihn nach der Wahl auf ihren Schultern. Fleming empfand diese Auszeichnung, die er in seiner schottischen Heimat erhielt, als eine besondere Ehre. Zahlreiche führende wissenschaftliche Einrichtungen in aller Welt zeichneten ihn mit weiteren Preisen aus. Wie Flemings Nachfolger R. Cruickshank berichtete, nahm er »die vielen Ehrungen, die sich über ihn ergossen, bescheiden und natürlich an. Einfache Achtungsbezeugungen wie zum Beispiel eine Unterschriftensammlung oder der Brief eines Kindes oder eines armen Menschen, dem das Penicillin geholfen hatte, berührten ihn am meisten« (2, Seite 58).
Fleming, dessen Ehefrau Sareen 1949 gestorben war, heiratete 1953 die griechische Bakteriologin Amalia Voureka. Mit ihr gemeinsam arbeitete er bis zu seinem Tod am 11. März 1955 unermüdlich weiter.
Literatur
Anschrift des Verfassers:
Professor Dr. Christoph Friedrich
Institut für Geschichte der Pharmazie
Roter Graben 10
35032 Marburg
© 2005 GOVI-Verlag
E-Mail: redaktion@govi.de