Kabinett der Kuriositäten |
02.02.2004 00:00 Uhr |
1854 gründete der Botaniker und Pharmakognost Albert Wigand (1821-1886) das so genannte Pharmakognostische Cabinet an der Universität Marburg. Die Sammlung beinhaltete pflanzliche und tierischen Drogen, die aus Europa, aber auch aus Westafrika, Brasilien oder Amerika stammten. Wigand verlangte viel von seinen Studenten und legte den angehenden Pharmazeuten in der praktischen Prüfung außer Pflanzen auch die von ihm gesammelten Drogen zur Bestimmung vor.
Sie waren zunächst in Vergessenheit geraten, bis Barbara Rumpf-Lehmann 1970 bei der Materialsuche für ihre Dissertation über Wigand auf dem Dachboden des Pharmakognostischen Instituts auf Exponate der alten Sammlung stieß. Schätzungsweise 4000 Teile umfasste sie zu Wigands Zeiten, heute sind noch 2600 erhalten.
In früheren Jahrhunderten bot eine Apotheke nicht nur Arzneimittel an. Unter Wigands Sammelstücken finden sich Gewürze wie Vanille oder Pfeffer, Genussmittel wie Kaffee oder Tee und Farben, zum Beispiel Indigo oder Waid. Auch Konfekt konnte damals in der Apotheke erworben werden. Rumpf-Lehmann fand ein Glas mit Confectio Zingiberis, Ingwer in Zucker eingelegt. Exotisch anmutend sind die „Paradies-Feigen“, geschälte und getrocknete Bananen aus dem damaligen Französisch-Guayana. Die von Wigand beschriebenen „chinesischen Pflaumen“ kennen wir heute als Litschis.
Original verpackt aus Übersee
Sehenswert sind nicht nur die Drogen selbst, sondern auch ihre Originalverpackungen, besonders aus Übersee und den ehemaligen Kolonien. Eine Vielzahl der Exponate befindet sich in mundgeblasenen Gläsern. Wie damals üblich, wurden sie mit Stanniol und meist zwei Lagen aus festem bläulichen oder bräunlichen Papier mit Bindfäden zugebunden.
Zur Sammlung zählt auch ein weißes Porzellangefäß mit der Aufschrift „Balsamum de Tolu“. Es enthält einen aromatisch nach Vanille und Zimt riechenden dunkelbraunen Balsam, ursprünglich aus der Provinz Tolu oder Honduras, der durch Einschnitte des Baumes, Myroxylon toluiferum (Fabaceae) gewonnen wird. Bis nach dem zweiten Weltkrieg fand er Verwendung in Hustensäften.
Gut erhalten haben sich Rosenölkanister aus verzinntem Kupferblech. Rosenöl, damals ein Vermögen wert, kam bis 1884 überwiegend aus der Türkei und Bulgarien über Konstantinopel in den Handel.
In einer Blechdose untergebracht ist ein Moschusbeutel. Aus ihm wurde früher ein hoch geschätztes Heilmittel gewonnen. Moschus ist noch im dritten Arzneibuch aufgeführt. Der Beutel stammt von Moschus moschiferus. Die Tiere gehören der Familie der Hirsche an, die in Mittelasien leben. Das männliche Tier sondert den Moschus aus einem behaarten Beutel in der Nähe der Genitalien ab. Die beste Handelssorte kam aufbewahrt in Pappkästchen, innen aus Blei und außen mit chinesischen Seidenstoffen bezogen oder in bemalten Holzkästchen, aus den Provinzen Assam und Tonking nach Europa. Moschus diente zur Belebung bei Ohnmacht, aber vor allem fand er Verwendung in der Parfümerie.
Kunstvoll verpackt zeigen sich fünf Curare-Stangen, umhüllt von Palmblättern, teils mit Bast oder Schnur umwickelt. Offensichtlich unverpackt verschickt wurde aber zum Beispiel ein großes Stück Seifenrinde, Cortex Quillajae. Sie enthält Saponin und eignete sich vorzüglich zum Waschen von Seide und Spitzen. Wegen ihres Schaumvermögens ist sie noch heute für die Herstellung von Haarshampoos in Gebrauch. B
Die ältesten Stücke des Pharmakognostischen Cabinets stammen aus der
Drogensammlung von Dr. Friedrich Wigand, Apotheker in Treysa und Vater von
Albert. Darunter ist der Rest einer Brechwurzel, Radix Ipecacuanhae. Die
Drogen tierischen Ursprungs erinnern an die Kuriositätenkabinette früherer
Jahrhunderte mit getrockneten Eidechsen, Eberzähnen, Tintenfischbeuteln
oder Muscheln. Ein Glas mit der Aufschrift „Mumia vera“ enthält, gefüllt
mit Asphalt, den Rest einer Mumie.
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