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Die Kunst der Farbtupfer

03.02.2003  00:00 Uhr
Ausstellung

Die Kunst der Farbtupfer

von Ulrike Abel-Wanek, Frankfurt am Main

Wer zurzeit die Kunsthalle Schirn in Frankfurt am Main besucht, braucht viel Geduld. Regen Andrang hat die Ausstellung „Mit der Schere zeichnen“, die noch bis zum 2. März hier zu sehen ist. Aber das Schlangestehen für Henri Matisse und seine erstmals in diesem Umfang in Europa ausgestellten, weltberühmten Scherenschnitte lohnt sich.

Wandfüllende Arbeiten wie das etwa 3,40 mal 7,85 Meter große Werk „Der Papagei und die Meerjungfrau“ machen es trotz Besucherandrangs möglich, einen Blick auf das Spätwerk des Malers zu werfen, das er selbst als Meisterwerk und Quintessenz seines Schaffens bezeichnete.

Perfektion der Komposition sowie Reduktion von Form und Farbe spiegeln sich in allen Werken wider, auch den kleineren, kraftvollen und farbintensiven Blättern, die man sieht, wenn Schulklassen und die zahlreichen geführten Gruppen Kunstinteressierter weiterziehen.

Ausgestellt sind über 70 internationale Leihgaben aus den wichtigsten öffentlichen und privaten Sammlungen in den USA, Asien, Südamerika und Europa, an denen Matisse in den 1940er-Jahren bis zu seinem Tod 1954 intensiv gearbeitet hat.

Die im positiven Sinne dekorativen „papiers découpé“ gelten als Erfüllung seines künstlerischen Traums: der Synthese von Linie und Farbe.

Alle Phasen seines Schaffens sind vertreten, von fast abstrakten Kompositionen über die große Serie der verschiedenen Algen sowie den blauen Akten bis hin zu den späten, meterhohen Arbeiten.

Mit Schere und Farbe

Assistenten bereiteten zunächst die mit leuchtenden Gouachefarben bemalten Papierbahnen vor, die dann von Matisse mit der Schere ausgeschnitten und anschließend wieder auf Papier geklebt wurden. Das Besondere der Scherenschnitte: Im Vergleich zur Malerei bleibt der Herstellungsprozess sichtbar. Handwerkliches Können und künstlerisches Schaffen werden Schritt für Schritt nachvollziehbar.

Die Motive zeigen Matisse’ tiefe Verbundenheit mit der Natur, seine spielerische Freude am Ornament. Algen, Blumen, Früchtestillleben, Blattstudien oder Pflanzenornamente, zum Teil entstanden aus den tiefen Eindrücken einer Tahiti-Reise, die er 1930 unternahm, stehen für Wachstum und Entwicklung. Matisse schuf große Serien von floralen und biomorphen Kompositionen. Seine Farben und Figuren wirken heiter und verfehlen ihre emotionale Wirkung auf den Betrachter nicht. Durch diese Ausstellung geht man lächelnd.

Die Kunst des Scherenschnitts entwickelte sich zunächst aus zwei zentralen traditionellen Bereichen: der Wanddekoration und der Buchmalerei. Die Methode der Papierschnitte, „einfach, kühn, und typografisch intelligent“, schienen sich als Druckvorlage hervorragend zu eignen und entsprachen dem Geschmack der 30er-Jahre.

Matisse’ Entwürfe für das berühmte Malerbuch „Jazz“ aus dem Jahr 1947 bilden den Auftakt der Frankfurter Präsentation und sind als komplettes Portfolio hier ausgestellt.

Seine weitere künstlerische Auseinandersetzung mit Schere und Papier blieb jedoch nicht unangefochten. Er begann in den 40er-Jahren die neue Technik der leuchtend bunten, frei ausgeschnittenen Ornamente zu verfeinern. Heftige Reaktionen riefen seine Scherenschnitte auf einer großen Retrospektive hervor, die das „Musée National d’Art Moderne“ 1949 in Paris zeigte. „Müssen wir uns überhaupt mit diesen Schnittarbeiten auseinandersetzen, die zusammen mit den dekorativen Wandbildern, die Attraktion der Matisse-Ausstellung sein sollen? Ich halte sie für vollkommen unbedeutend, und sie schaden den Gemälden, die direkt daneben hängen“, kommentierte ein zeitgenössischer Kritiker. Noch 1952 waren die Scherenschnitte einer „gewissen versteckten Verachtung ausgesetzt“ und wurden als Arbeiten eines schon „senilen Künstlers“ diffamiert.

Aber Zeiten ändern sich. Heute geht für Schirn-Direktor Max Hollein ein lang gehegter Traum in Erfüllung. Über die Notwendigkeit einer Ausstellung aller Phasen des Spätwerks von Matisse war er sich mit Kurator Olivier Berggruen von Anfang an einig. Die Scherenschnitte gehören nicht nur zu den wichtigsten und eindrucksvollsten, sondern auch zu den wertvollsten Werken der Klassischen Moderne. Und sie sind einfach schön.

 

  • Empfehlenswerter, informativer, sehr schön bebilderter Katalog: Mit der Schere Zeichnen. Henri Matisse. Meisterwerke der letzten Jahre, herausgegeben von Olivier Berggruen und Max Hollein. 200 Seiten, 160 Farbabbildungen, 24 Euro (Ausstellung), 49,95 Euro (Buchhandel). ISBN (deutsche Ausgabe) 3-7913-2798-4.

 

Schirn Kunsthalle, Frankfurt am Main

  • Öffnungszeiten: Fr., Sa., So. u. Di. 10 - 19 Uhr
    Mi. und Do. 10 - 22 Uhr
  • Information: www.schirn.de
  • Telefon (069) 29 98 82-0

 

 

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