Editorial
Dienende Werbung
Am Ende eines Jahres läßt
man die herausragenden Ereignisse der vergangenen Zeit
gerne noch einmal Revue passieren. Wer darüber
nachdenkt, was das Jahr 1996 für den Berufsstand
gebracht hat, der wird sich an den August dieses Jahres
erinnern, als das Bundesverfassungsgericht seine
Leitentscheidung zu den Werbebeschränkungen für
Apotheker veröffentlichte. Der Beschluß erregte auch
außerhalb des Berufsstandes beträchtliche
Aufmerksamkeit. Nicht nur Hersteller und Werbefachleute
horchten auf, auch die allgemeine Presse reagierte und
widmete dem Thema außerordentlich viele Berichte und
Kommentare, obwohl es ja eigentlich nur um die Werbung
für das Nebensortiment der Apotheken ging. Der Grund
für das große Presse-Echo ist sicherlich nicht nur im
Sommerloch zu suchen. Für mich spiegelt sich darin auch
das Interesse der Öffentlichkeit am Erscheinungsbild und
am Verkaufsgebaren der Apotheke wider.
Die Institution Apotheke ist für viele Menschen wichtig.
Denn die Apotheke ist nicht irgendein Gesundheitsladen
mit wöchentlich wechselnden Schnäppchenangeboten,
sondern ein Ort des Vertrauens, wo man fachlich
fundierten und von merkantilem Gewinnstreben
unabhängigen Rat erhält. Ich bin fest davon überzeugt,
daß die Mehrheit der Bevölkerung dies nicht nur zu
schätzen weiß, sondern auch so erhalten sehen möchte.
Doch zurück zum Beschluß des Bundesverfassungsgerichts:
Viel ist seither von den verschiedenen Seiten darüber
diskutiert und geschrieben worden. Die Apothekerkammern
der Länder und die Bundesapothekerkammer sind intensiv
damit beschäftigt, die Entscheidung und weitere
Folgeentscheidungen gemeinsam zu analysieren und die
praktischen Konsequenzen für die Berufsordnungen
eingehend zu prüfen. Ganz gleich, wie die Ergebnisse
dieser Beratungen im einzelnen aussehen werden, an
einigen Grundsätzen der Apothekenwerbung wird sich
nichts ändern:
1. Arzneimittelwerbung außerhalb der Apotheke ist und
bleibt verboten.
2. Unangemessene oder übertriebene Werbung wird auch
zukünftig nicht erlaubt sein.
3. Werbebeschränkungen für Apotheker sind nicht dazu
da, den Wettbewerb unter den Apotheken zu regeln. Ihr
einziges Ziel ist es, das Berufsbild des Apothekers im
Interesse der Allgemeinheit zu schützen. Werbung darf -
so das Bundesverfassungsgericht - das Vertrauen der
Öffentlichkeit in die sachgerechte Wahrnehmung
pharmazeutischer Berufspflichten nicht nachteilig
beeinflussen.
Um es klar zu sagen: Ich bin nicht grundsätzlich gegen
Werbung. Ich bin sogar ausdrücklich dafür, moderne
Marketing- und Informationsmethoden für den
Apothekenbetrieb einzusetzen - allerdings nur unter einer
Voraussetzung: Werbung muß dem Heilberuf dienen. Unser
gesetzlicher Auftrag ist es, die Bevölkerung
ordnungsgemäß mit Arzneimitteln zu versorgen. Dazu
gehören auch bestimmte Dienstleistungen, die den Erfolg
der Pharmakotherapie unterstützen. Wir sind
Arzneimittelfachleute und Heilberufler. Daran ändert
auch die Tatsache nichts, daß wir unser Einkommen durch
den Handel mit Arzneimitteln verdienen.
Werbung muß unseren heilberuflichen Ansprüchen
genügen, ja muß sich ihnen unterordnen. Die
Verantwortung für die Werbung wird zukünftig mehr als
bisher beim einzelnen Kollegen liegen. Vergessen wir
dabei nicht: Das Bild, das die Öffentlichkeit (und die
Politik) von den Apothekern hat, zeichnen wir selbst.
Deswegen ist es für die Zukunft des Berufsstandes
entscheidend(!), daß wir verantwortungsvoll und bedacht
mit dem Instrument Werbung umgehen.
Ich bin davon überzeugt, daß sich die überwiegende
Mehrheit der Apotheker in erster Linie als Heilberufler
und erst an zweiter Stelle als Kaufmann versteht. Und ich
zweifele nicht an einem breiten und unumstößlichen
Konsens unter uns Apothekern, daß wir unseren
gesetzlichen Auftrag weiterhin verantwortungsvoll
erfüllen wollen. Dies wird sich auch in der Art, wie wir
werben, widerspiegeln. Daher sehe ich die Entscheidungen
des Verfassungsgerichts durchaus auch positiv, denn sie
geben uns die Chance, der Gesellschaft einmal mehr unsere
Heilberuflichkeit zu beweisen.
In wenigen Wochen findet in Davos der 27. Internationale
Fortbildungskurs der Bundesapothekerkammer statt. Im
Rahmen des Kongresses haben wir eine berufspolitische
Veranstaltung zum Thema "Marketing contra
Heilberuf?" geplant. Ich freue mich darauf, dieses
Thema nicht zuletzt unter dem Eindruck der Rechtsprechung
des Bundesverfassungsgerichts mit ihnen zu diskutieren.
Daß auch regelmäßige und niveauvolle Fortbildung zum
Selbstverständnis des Heilberuflers gehört, ist für
die meisten von uns eben auch eine
Selbstverständlichkeit. Wenn Sie Zeit und Interesse
haben, Ihr Wissen zur Pharmakotherapie von Atemwegs- und
HNO-Erkrankungen wieder auf den neuesten Stand zu
bringen, so kann ich Ihnen den Kongreß in Davos, dessen
Programm der Wissenschaftliche Beirat der
Bundesapothekerkammer sorgfältig zusammengestellt hat,
nur empfehlen. Ich jedenfalls freue mich auf Davos und
hoffe, Sie dort begrüßen zu dürfen.
Dr. Hartmut Schmall
Präsident der Bundesapothekerkammer
© 1996 GOVI-Verlag
E-Mail: redaktion@govi.de