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Instrument Wettbewerb

25.11.2002  00:00 Uhr

Instrument Wettbewerb

Die Regierung hat sich Wettbewerb und Liberalisierung auf die Fahnen geschrieben. Nach diesen Maximen will sie das Gesundheitswesen angeblich umbauen. Ihr Handeln lässt davon allerdings wenig erkennen. Im tiefsten ihres Inneren misstraut sie den Marktkräften.

Nicht von ungefähr möchte die Bundesregierung ihre Politik mit diesen Attributen schmücken. Liberalisierung klingt nach Freiheit, Gleichheit und dem Aufbrechen verkrusteter Strukturen. Wettbewerb klingt so wunderbar leistungsbereit, nach mehr Effizienz, nach Qualitätsverbesserung. Wer kann da widersprechen? Folgerichtig heißt es im Koalitionsvertrag lapidar: „Die Arzneimittelversorgung wird liberalisiert."

Liest man das Vorschaltgesetz, reibt man sich verwundert die Augen: Staatlich verordnete Zwangabschläge für Industrie, Großhandel und Apotheken. Letzteren wird sogar noch oktroyiert, bei den Pharmafirmen das Geld für die Kassen einzutreiben. Ärzten und Krankenhäusern werden mit der Heckenschere pauschal die Mittel gekürzt und den Kassen werden Beitragserhöhungen gesetzlich verboten. Ohne Frage lässt sich mit dem Vorschaltgesetz auf zweifelhaftem Weg Geld sparen. Mit Liberalisierung hat dies aber nichts zu tun.

Zum Wettbewerb hat die Bundesregierung ohnehin ein nebulöses Verhältnis. Sie geht dabei von zwei Fehlannahmen aus: Wettbewerb gibt es nur bei den Krankenkassen und Wettbewerb kann man einführen, ohne dafür die nötigen Rahmenbedingungen zu schaffen.

Beides ist falsch. Der Wettbewerb zwischen Kassen reduziert sich bei näherem Hinsehen auf die Wechselmöglichkeit, die die Regierung in diesem Jahr nur nach zähem Ringen mit sich selbst nicht eingeschränkt hat. Den Wettbewerb um Leistungen lehnt sie ohnehin ab. Sozialministerin Ulla Schmidt will den GKV-Katalog keinesfalls in Grund- und Wahlleistungen aufteilen. Dabei wäre dies sinnvoll. Es spricht wenig dagegen, sparsame Versicherte zu belohnen und Menschen die Wahl zu lassen, ob sie einen Teil der Leistungen bei reduziertem Beitragssatz selbst bezahlen möchten.

Bei Ärzten und Apothekern mutiert die Ministerin dagegen zur glühenden Verfechterin des Wettbewerbs. Der Wettbewerb der Leistungserbringer müsse gefördert werden. Dabei gibt es den nach den für Kassen geltenden Maßstäben längst. Jeder Patient kann frei entscheiden, in welcher Apotheke er Arzneimittel kauft und welchem Arzt er sein Vertrauen schenkt. Jeder Kunde kann sich seine Apotheke frei auswählen. Er kann und sollte dorthin gehen, wo er die beste Beratung erhält, das Dienstleistungsangebot am größten und das Personal am freundlichsten. Das ist Wettbewerb?

Es drängt sich der Verdacht auf, dass Schmidt den selbstregulierenden Kräfte des freien Marktes gar nicht uneingeschränkt vertrauen möchte. Denn ansonsten würde sie faire Rahmenbedingungen dafür schaffen. Deutsche Apotheken hätten heute nicht den Hauch einer Chance gegen internationale Konkurrenz. Mehrwertsteuer und Preisbildung schließen einen fairen Wettbewerb aus. Sie machen viele Arzneimittel in Deutschland teuer. Die Apotheker sind daran schuldlos. In Deutschland sind nicht die Handelsspannen rekordverdächtig, sondern in bestimmten Segmenten die Herstellerabgabepreise.

Es gibt tatsächlich gute Gründe, die völlige Deregulierung des Gesundheitswesens abzulehnen. In anderen Staaten hat Wettbewerb die Kosten nicht gesenkt, vor allem nicht bei Arzneimitteln. Sie sind in Ländern mit liberalisiertem Markt, etwa USA und Schweiz, vergleichsweise teuer, während sie in Spanien und Griechenland sehr preiswert sind. Dort setzt der Staat den Preis fest.

Es ist der Regierung also nicht einmal vorzuwerfen, dass sie eine völlige Deregulierung des Gesundheitswesens ablehnt. Ärgerlich ist ihr merkwürdiger Umgang mit den Begriffen sowie das daraus resultierende inkonsistente Handeln. Sie hat den Wettbewerb instrumentalisiert, um Leistungserbringer in die Schranken zu weisen. Doch so fördert sie nicht den Wettbewerb, sondern einen unfairen Preiskampf.

Daniel Rücker
Stellvertretender Chefredakteur
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