Editorial
Hier lauern
Gefahren
Unvorbereitet erhalten immer
mehr Apotheker Paketsendungen einer Münchner Firma. Es
handelt sich um applikationsfertige Zytostatikalösungen
für einen Krebspatienten aus dem Umfeld der Apotheke.
Die Apotheker aber bekamen weder ein Rezept zu Gesicht
noch hatten sie diese Zytostatika bei der Firma in
Auftrag gegeben.
Wie kann das funktionieren? Zunächst nimmt die Firma mit
den therapierenden Ärzten Kontakt auf und überzeugt
sie, die Rezepte nach München zu schicken. Daraufhin
werden die Patienten nach ihrer Stammapotheke gefragt, an
die dann die besagten Pakete geschickt werden. Geradezu
grotesk muß es einem erscheinen, wenn die betreffende
Apotheke selbst Zytostatika herstellen kann. Die
Zytostatika werden von der Versandfirma als
Fertigarzneimittel deklariert, obwohl es sich gemäß §7
Apothekenbetriebsordnung um Rezepturarzneimittel handelt,
für deren Qualität der abgebende Apotheker
verantwortlich ist. Abgesehen davon, daß dieses
Verfahren rechtlich bedenklich ist, handelt es sich um
einen Frontalangriff auf die deutsche Apothekerschaft.
Zum Hintergrund: Besagte Firma hat einen erheblichen
finanziellen Background in den USA. Sie ist
offensichtlich dabei, den europäischen Markt in den
Bereichen parenteraler und enteraler Ernährung,
applikationsfertiger Zytostatika und den
"Rosinenversandhandel" zu infiltrieren. Eine
Zusammenarbeit mit Apothekern wird vermutlich nur so
lange praktiziert, wie die Abgabe eines Arzneimittels de
jure an die Apotheke gebunden ist. Wichtig erscheint mir,
daß trotz gegenteiliger Beteuerung der Firma ein
holländisches Tochterunternehmen ein Abkommen mit
"PostMed" über den Versandhandel mit
Arzneimitteln getroffen hat. Ein holländischer Ableger
scheint deswegen gewählt worden zu sein, weil der
Versandhandel von Arzneimitteln in Deutschland verboten
ist.
Ich bin der Meinung, daß die deutsche Apothekerschaft
alle Rechtsmittel einsetzen sollte, um diesem Treiben ein
Ende zu setzen. Auch die Länge des Vertriebsweges ist
ein Faktor der Arzneimittelsicherheit. Das gilt ganz
besonders für physikalisch-chemisch instabile, schwer
herzustellende Individualrezepturen wie Zytostatika. Was
können wir in der Praxis tun? Schicken Sie die Pakete
zurück, wie es schon einige Kollegen getan haben. Sorgen
Sie gemäß §1 Bundes-Apothekerordnung für eine
Herstellung und Belieferung durch Apotheken. Es darf
nicht sein, daß sich Krankenhausapotheker,
krankenhausversorgende und Offizinapotheker um
Zuständigkeiten streiten und Andere den Vorteil daraus
ziehen.
Gastkommentar von Hartmut Vaitiekunas
Kommissarischer Chefapotheker des Städtischen
Klinikums Braunschweig
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