Editorial
von Dr.
Herbert Gebler
Präsident der Apothekerkammer Niedersachsen
1987 ist in die Apothekenbetriebsordnung eine
Vorschrift aufgenommen worden, nach der jede öffentliche
Apotheke eine Einrichtung in der Offizin haben muß, die
einer abgeschirmten "Beratungsecke"
gleichkommt. Es heißt dort, "die Offizin muß einen
Zugang zu öffentlichen Verkehrsflächen haben; sie muß
so eingerichtet sein, daß die Vertraulichkeit der
Beratung gewährleistet werden kann". Diese
Bestimmung ist die unmittelbare Folgerung aus § 20 der
Apothekenbetriebsordnung, wonach Apothekerinnen und
Apotheker zur Information und Beratung der Patienten zu
Arzneimitteln verpflichtet sind. Daß diese nicht coram
publico stattfinden kann, dürfte jedermann klar sein,
sind doch bisweilen mehr oder weniger intime Dinge zu
besprechen, welche die übrigen Kunden in der Offizin
nichts angehen oder, die öffentlich zu machen, dem
Betroffenen peinlich sind. So ist auch immer wieder
beanstandet worden, daß die Situation in den Apotheken
dem Anspruch, der an eine vertrauliche Beratung gestellt
werden muß, nicht gerecht wird.
Der Verordnungstext schreibt eindeutig vor, daß
"sie", also die Offizin, so eingerichtet sein
muß. Hätte der Verordnungsgeber eine Konstruktion
zulassen wollen, nach der auch ein anderer Raum, also
beispielsweise das Büro, dazu herangezogen werden kann,
hätte es in der Vorschrift heißen müssen:
"es" muß die Vertraulichkeit der Beratung
gewährleistet sein. Vertraulichkeit der Beratung ist so
aufzufassen, daß sie von anderen Patienten oder Kunden
nicht mitgehört werden kann. Dies trifft allerdings
nicht für das übrige Apothekenpersonal zu, denn dieses
unterliegt der Schweigepflicht. Absoluten Sichtschutz zu
verlangen, ist nicht notwendig und entspricht auch nicht
dem Verordnungstext. Danach muß die Vertraulichkeit der
Beratung, nicht der Behandlung, bei der der Patient sich
möglicherweise ausziehen muß, gewährleistet werden.
Diese findet in der Arztpraxis und nicht in der Apotheke
statt. Ausnahme dürften die vergleichsweise wenigen
Apotheken sein, in denen Strümpfe angemessen werden.
Hier sollte auch Sichtschutz möglich sein.
Bis die bestehenden Apotheken den Anforderungen an eine
Beratungsecke durchgängig entsprechen müssen, ist noch
ein wenig Zeit. Denn es gilt eine Übergangsfrist bis zum
1. Januar 1999. Neu gegründete Apotheken dagegen müssen
schon heute die Vertraulichkeit der Beratung in der
Offizin ermöglichen. Nach dem 1. Januar 1999 kann die
zuständige Behörde, in der Regel die Bezirksregierung
oder der Amtsapotheker, eine Ausnahme nur dann zulassen,
wenn ein wichtiger Grund vorliegt. Was ein wichtiger
Grund ist, unterliegt dem Ermessensspielraum der
Behörde. Eine Lösung wie in Banken oder vor
Postschaltern ist nicht geeignet, denn dort findet kein
längeres Gespräch statt, sondern es wird Geld
gewechselt, ein Vorgang der schnell erledigt ist. Ein
Beratungsgespräch in der Apotheke kann jedoch zehn
Minuten und länger dauern. Dies dürfte aus
betriebsorganisatorischen Gründen vor dem HV-Tisch nicht
möglich sein. Auch der abgetrennte Handverkaufstisch
wird nur sinnvoll sein, wenn er so liegt, daß nicht
mitgehört werden kann.
An die Einrichter geht also die Aufforderung, echte, den
individuellen Bedürfnissen der einzelnen Apotheke
angepaßte Lösungen anzubieten. Die Apothekerinnen und
Apotheker sollten diese Lösungen bald fordern, damit sie
sich rechtzeitig auf die neue Situation ab 1. Januar 1999
vorbereiten können.
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