Keine Mehrheit |
01.04.2002 00:00 Uhr |
Glaubt man allerdings manchen Krankenkassenvertretern, dann verhindert ein Bollwerk "profitgieriger Apotheker" die Rückkehr der Deutschen ins Paradies, in dem DocMorris und Konsorten die Arzneimittelversorgung übernehmen. Mehr Service zu geringeren Kosten versprechen die Kassen ihren Versicherten. Die Gefahren werden ignoriert. Kleinere Pannen werden erst gar nicht registriert, etwa der mehrtägigen Ausfall der DocMorris-Homepage in der vergangenen Woche.
Angesichts der massiven Stimmungsmache der Kassen, an der sich auch Zeitungen, Hörfunk und Fernsehen beteiligen, fällt es vielen Politikern schwer, das Für und Wider des Versandhandels nüchtern abzuwägen. Spätestens seit die damalige Bundesgesundheitsministerin Andrea Fischer im Herbst 2000 festgestellt hat, es gehe nicht mehr darum, ob der Versandhandel komme, sondern nur noch um das Wie, werden im Ministerium die Nachteile nicht mehr ernsthaft diskutiert. Der vermeintliche Volkeswille pro Internet-Apotheken, nimmt den Politikern anscheinend den Mut, ihre Bedenken zu artikulieren.
Umso erfreulicher ist deshalb die klare Position des bayerischen Sozialministeriums. Am Montag hatte Ministerin Christa Stewens den Vertrag des BKK-Landesverbandes mit DocMorris für nichtig erklärt. Eine Aufhebung des Versandhandelsverbotes gefährde die Arzneimittelsicherheit, stellte sie fest. Das Ministerium schließt sich damit der Auffassung der Apotheker an, die Kammerpräsident Johannes Metzger und Verbandsvorsitzender Gerhard Reichert der Politik gegenüber verdeutlicht hatten.
Die bayerische Sozialministerin hat aber wahrscheinlich gar nicht mehr Mut als andere Politikerinnen und Politiker, sondern einfach ihre Ohr näher an Volkes Stimme. Denn, dass tatsächlich eine Mehrheit der Deutschen für den Versandhandel mit Arzneimitteln ist, darf bezweifelt werden. Die Reaktionen auf die Ankündigung des BKK Landesverbandes waren bescheiden und auch die Bekräftigung des Verbots löste keine Proteststürme aus. Es drängt sich der Verdacht auf, dass den meisten Menschen Internet-Apotheken egal sind. Sie brauchen sie nicht und bestellen dort nichts. Lediglich die PR-Kampagnen einzelner Krankenkassen suggerieren ein größeres öffentliches Interesse.
Ausgerechnet Zahlen aus dem Bundesgesundheitsministerium unterstützen diese Vermutung. Bei einem Treffen mit dem ABDA-Vorstand Anfang Februar in Aachen hatte Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt eingeräumt, dass nach Untersuchungen aus ihrem Ministerium lediglich 12 Prozent der Deutschen die Einführung des Versandhandels wünschen. Dies gelte für Kranke wie für Gesunde.
Angesichts dieser Zahlen und mit dem Rückenwind der Entscheidung des bayerischen Sozialministeriums kommt die Initiative Pro Apotheke der ABDA genau zur richtigen Zeit. Wenn es den Apothekerinnen und Apothekern gelingt, bei ihren Kunden die erhofften zwei Millionen Unterschriften zu sammeln, dann stehen die Chancen nicht schlecht, dass die Politik noch rechtzeitig registriert, was die Menschen tatsächlich wollen: eine sichere, schnelle und wohnortnahe Arzneimittelversorgung, kompetente Beratung und eine vertrauenswürdige Anlaufstelle für ihre gesundheitlichen Probleme.
Daniel Rücker
Stellvertretender Chefredakteur
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