Pharmazeutische Zeitung online

So nicht!

24.03.1997  00:00 Uhr

-Editorial

  Govi-Verlag

So nicht!

  von Hans-Günter Friese,
Präsident der ABDA,
Fax 0 61 96/92 81 26

Hundert Tage sind einem neuen Amtsinhaber zu gewähren, um sich in seine Aufgaben einzuarbeiten. Hundert Tage soll seine Arbeit zurückhaltend beobachtet werden - so eine ungeschriebene Regel in der großen Politik. Aufgrund meiner Erfahrungen als ehemaliger Präsident der Bundesapothekerkammer kann und will ich derartige Schonfristen und Einarbeitungszeiten nicht beanspruchen, auch wenn man sie mir gewähren wollte.

Die aktuelle Situation im Gesundheitswesen läßt es auch gar nicht zu, mit zeitlichen Verzögerungen auf die Anliegen aus Politik und Gesellschaft zu reagieren. Insbesondere die am letzten Donnerstag verabschiedeten Erhöhungen bei den Zuzahlungen werfen Fragen auf, die im Vorfeld der Verabschiedung im Bundestag mit der Politik intensiv diskutiert wurden. Welche Übergangsfristen gibt es, und wie werden die Apothekenorganisationen über die Erhöhungen von den Krankenkassen informiert? Daß Lösungen dieser Probleme keinen Einzug in das Gesetz gefunden haben, muß die Politik verantworten und ist kein Versäumnis der ABDA.

Die Apotheker werden auch nicht bereit sein, den Inhalt der Neuordnungsgesetze gegenüber den Kranken, die bis zu 15 DM pro Rezept mehr zuzahlen müssen, zu verteidigen, oder die Verantwortung für Mängel in der Umsetzung übernehmen. Deshalb appellieren wir an die Politik und an die Krankenkassen, nicht das Schwarze-Peter-Spiel weiterzuführen und nicht alle Umsetzungsschwierigkeiten auf die Leistungserbringer, also auf uns Apotheker, zu schieben. Politik und Krankenkassen sind jetzt aufgefordert, ihren Wählern beziehungsweise Versicherten die Kumulation der Zuzahlungen zu erklären.

Wenn wir uns auch bei den dramatischen Zuzahlungserhöhungen politisch nicht durchsetzen konnten, haben wir zumindest einen Teilerfolg erzielen können, indem die kassenspezifischen, indikationsbezogenen Zuzahlungen aus dem Gesetzesentwurf gestrichen wurden.

Auch hat der Minister Wort gehalten, daß das Arzneimittel nicht im Mittelpunkt der Neuordnungsgesetze steht und die Vorstellungen der Krankenkassen bezüglich Versandhandels und Fremd- und Mehrbesitzes keinen Einzug in die dritte Stufe der Gesundheitsreform genommen haben.

Mit den dramatischen Erhöhungen der Zuzahlungen um 5 DM pro Medikament sind die Arzneimittel allerdings mittelbar wieder zur zentralen Dispositionsmasse geworden - mit direkten Auswirkungen auf den Patienten und damit auf dessen Arzneimittelversorgung, mit spürbaren wirtschaftlichen Auswirkungen auf die Apotheken und die Arzneimittelhersteller, da durch die hohen Zuzahlungen massiv Kaufkraft abgeschöpft wird.

Die ersten hundert Tage waren also keine Einarbeitungszeit, sondern ich habe als Präsident der ABDA mit meiner ganzen Energie Termine wahrgenommen, Gespräche mit Politikern, Ministerien und Verbänden sowie mit der Presse geführt, um den Anliegen des Berufsstandes Gehör zu verschaffen. Auch in der Zukunft sehe ich eine meiner Hauptaufgaben darin, mich zusammen mit allen ABDA-Gremien zu Wort zu melden. Denn es gilt, das gesundheitliche Wohlergehen und die bestmögliche Versorgung des Patienten auch für die Zukunft zu sichern, damit der Patient beziehungsweise unser Kunde nicht zweiter Sieger wird!

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