Menschlichkeit |
21.02.2000 00:00 Uhr |
Einmal mehr konnten sich die Apothekerinnen und Apotheker am 20. Februar in Frankfurt von den - wie ein Teilnehmer liebevoll sagte - drei Tenören der Pharmaökonomie, Oberender, Riegl und Strobel, auf die Zukunft visionär einstimmen lassen.
Auch nach dem Reformgesetz 2000 der rot-grünen Koalition, das am 1. Januar in Kraft getreten ist, steckt das deutsche Gesundheitswesen in der Krise. Neue Strukturen, neue Versorgungsformen, Rationalisierungen und Rationierungen werden die unausweichlichen Konsequenzen sein. Das sind Herausforderungen für die Leistungserbringer, denen sich auch die Apothekerschaft stellen muss.
Der 9. Frankfurter Wirtschaftstag war dazu sicher hervorragend geeignet und machte deutlich, dass die Krise des Gesundheitswesens der Apotheke auch neue Möglichkeiten eröffnet. Erstaunlich war, dass diese Chancen sich weniger in Strategien und Konzepten niederschlagen. Sie müssen vor einem vollkommen anderen Hintergrund formuliert werden, erklärten der Theologe Pater Dr. Albert Ziegler und der Kommunikationsforscher Professor Dr. Norbert Bolz. Der Umbau des Sozialstaates dürfe nicht zu einem Abbau der Menschlichkeit führen, fasste Ziegler zusammen. Der Apotheker könne dies verhindern, indem er seine Rolle als Treuhänder des Kunden konsequent wahrnehme. Die Chance liege also im Ethos des Apothekers, das sich in fachlicher Kompetenz, in menschlicher Anteilnahme und in persönlicher Beweglichkeit widerspiegeln sollte.
Bolz ging sogar noch weiter, indem er postulierte, der Mensch sei der eigentliche Störfaktor in der modernen multimedialen Gesellschaft des Cyberspace und Internets. Dadurch werde er empfindlicher und therapiebedürftiger. Außerdem sei er in dem Überangebot an Informationen orientierungslos geworden. In diesem Chaos könne die Apotheke mit der ihr eigenen Magie der Navigator sein und zu einer neuen erfolgreichen Marke in der Gesellschaft werden. Seine Vision: Die Apotheke als Kultstätte, in der neben dem Informationstransfer auch die menschliche Kommunikation wieder stattfindet, die in der modernen Gesellschaft verloren zu gehen drohe. Nur eine funktionierende Kommunikation zwischen Menschen sei Garant für erfolgreiche Marktangebote. Die Philosophie der Zukunft: Die Apotheke muss einen spirituellen Mehrwert zu ihren Produkten liefern. Die Apotheke - ein Placebo der Gesellschaft.
Vor diesem Hintergrund ist es notwendig, darüber nachzudenken, wie die Apothekerinnen
und Apotheker auch bei der Pharmazeutischen Betreuung neben dem pharmazeutischen Mehrwert
den menschlichen, spirituellen Mehrwert liefern können. Nach dem Sonntag in Frankfurt
kann das Fazit nur sein: Teil der Überlebensstrategie der Apotheke im 21. Jahrhunderts
ist mehr Menschlichkeit.
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