Entscheidende Phase |
10.02.2003 00:00 Uhr |
Nach langem Hin und Her hat Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt ihre Vorstellungen zur Gesundheitsreform der Öffentlichkeit präsentiert. Sie enthalten keine Überraschungen, aber die erwarteten Grausamkeiten für die Apotheker. Schmidt will sowohl den Versandhandel mit Arzneimitteln als auch den Mehrbesitz erlauben. Doch entschieden ist darüber noch nicht. Die heiße Phase beginnt erst.
Schmidts Eckpunkte sind eher eine Absichtserklärung als ein verbindliches Konzept für die Reform. Sie läuten einen bedeutsamen Diskussionsprozess ein. Aber Entscheidungen kann die Ministerin schon lange nicht mehr im Alleingang treffen. Dazu fehlt ihr und der Bundesregierung die Macht: Eine Strukturreform im Gesundheitswesen ist angesichts der Mehrheitsverhältnisse im Bundesrat nur mit Zustimmung der Union möglich. Doch deren Vorstellungen sind meilenweit von Schmidts Konzept entfernt. Die Christdemokraten setzen auf mehr Eigenverantwortung der Patienten und weniger staatliche Eingriffe. Weder Versandhandel noch Mehrbesitz stehen im Programm von CDU/CSU.
Zudem dürfte in der SPD-Fraktion die Bereitschaft gering sein, schon wieder die Apotheker zu schröpfen. Tief sitzt der Ärger über die dubiose Informationspolitik des Ministeriums zum Beitragssatzsicherungsgesetz. Viele Abgeordnete sehen sich getäuscht. Schmidts Mitarbeiter hatten vorgerechnet, die Apotheker würden durch das Gesetz nur mit 350 Millionen Euro belastet. Intern ging man aber von 950 Millionen Euro aus. Nicht nur der Grünen-Abgeordnete Hans Christian Ströbele sieht angesichts dieser Doppelstrategie Klärungsbedarf (siehe PZ 6/03, Seite 10). Für eine erneute einseitige Belastung der Apotheker dürfte es auch in den Regierungsfraktionen keine Mehrheit geben.
Auch wenn die Einführung von Versandhandel und Mehrbesitz also wohl nicht so sicher sind, wie Schmidts Eckpunkte vermuten lassen, wäre es fatal, sich jetzt darauf zu verlassen, dass die Union und ein Teil der Abgeordneten von Rot-Grün Ungemach von der Apothekerschaft abwenden. Bei Konsensgesprächen geht es um Geben und Nehmen. Da kann ein Thema wie die Liberalisierung der Arzneimitteldistribution schnell zur Verhandlungsmasse und für ein vermeintlich wichtigeres Ziel geopfert werden.
Für die Apotheker geht es deshalb in den kommenden Wochen darum, sich weiter in die Reform-Diskussion einzumischen und ihre eigenen Konzepte zu kommunizieren. Angebote, die bei Krankenkassen und Politikern auf viel Zustimmung treffen, sind die Hausapotheke und der Homeservice. Wenn Apotheker Arzneimittel bei Bedarf dem Kunden direkt liefern, dann macht dies den Versandhandel überflüssig. Das sehen auch viele Politiker so. Es war deshalb im Timing perfekt, in der ABDA-Mitgliederversammlung am vergangenen Freitag beide Konzepte noch einmal mit großer Mehrheit zu bestätigen.
Natürlich wird ein solcher Arzneimittellieferdienst erhebliche Kosten verursachen. Dennoch denke ich, dass die Apotheker keine Alternative haben. In den kommenden Monaten wird sich womöglich entscheiden, welchen Weg die öffentliche Apotheke nimmt. Bleibt sie in der Hand der Heilberufler oder wird sie an die Kette gelegt? Ich denke, der Preis, der dann gezahlt werden muss, ist deutlich höher als der für einen Botendienst.
Daniel Rücker
Stellvertretender Chefredakteur
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