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Berufskrankheit Maus-Arm

21.10.2002  00:00 Uhr

Berufskrankheit Maus-Arm

von Arno Schütze, Hamburg

Nach drei Monaten war die Hand lahm. Um ein Projekt fertig zu bekommen, hatte der Webdesigner Karsten Andersen Tag und Nacht gearbeitet. „Plötzlich spürte ich im rechten Arm keine Kraft mehr. Die Hand schmerzte, fühlte sich taub an und konnte die Computer-Maus nicht mehr führen“, berichtet Andersen. Sein Arzt diagnostizierte einen „Maus-Arm“. Der ist mit dem „Tennis-Arm“ verwandt und heißt im Fachjargon Repetitive Strain Injury (RSI).

Durch permanentes Klicken auf den Maus-Knopf, hatte der 45-Jährige seinen Arm ruiniert. Noch vier Jahre nach seinem ersten Maus-Arm leidet er: „Die rechte Hand wird sehr schnell müde. Dann muss ich aufhören, sonst kommen die Schmerzen zurück.“

Kinder mit extremer Neigung zu Computerspielen kennen ähnliche Leiden: den „Joystick-Finger“. Durch permanente Bedienung des Steuerknüppels (Joystick) verhärten ihre Fingerglieder. „Solche Gelenkschädigungen kommen aber eher selten, zumeist in Verbindung mit Suchtverhalten, vor“, sagt Hans-Iko Huppertz. Er ist Chef der Bremer Professor-Hess-Kinderklinik, die sich auf Kinderrheumatologie spezialisiert hat. Kopfschmerzen, Übergewicht, Haltungsschäden und eine zunehmende Gewaltbereitschaft seien bei deutschen Kindern weit häufiger festzustellen. Im Schnitt „daddeln“ sie eine Stunde am Tag Spiele wie „Counterstrike“, „GTA 3“ oder „Die Sims“. Das hat der Bielefelder Wissenschaftler Wolfgang Settertobulte herausgefunden.

In manchen Fällen ruft die Liebe zu „Lara Croft“, „Super Mario“ und anderen Computerspiel-Figuren aber sogar Rheumatologen auf den Plan. Bei einem 15-Jährigen aus Großbritannien stellten Spezialisten des Kinderkrankenhauses Liverpool die Weißfingerkrankheit fest. Das berichtete des British Medical Journal. Normalerweise kommt dieses Leiden nur bei Bauarbeitern vor, die oft Presslufthämmer oder Kettensägen in den Händen halten müssen. Der Junge hatte bis zu sieben Stunden täglich Autorennen mit Vibrationsmodus gespielt.

Wie oft die monotone Beanspruchung der Gliedmaßen durch Computerarbeit bei Erwachsenen zum Maus-Arm führt, ist unerforscht. „RSI ist ein völlig offener Begriff, er wird von jedem anders interpretiert. Deshalb kann man auch keine Statistiken darüber führen“, sagt Falk Liebers von der Bundesanstalt für Arbeitsschutz (BAuA). Die Zahl der Muskel-Skelett-Erkrankungen im Arm-, Schulter- und Nackenbereich sei allerdings in den vergangen Jahren in Deutschland konstant geblieben.

Von den 20 Millionen Büroangestellten Deutschlands haben viele RSI-typische Symptome: „In Nordrhein-Westfalen leidet ein Viertel unter Schmerzen im Arm, 12 Prozent verspüren Kribbeln und Schmerzen in der Hand, rund zwei Drittel haben Verspannungen im Nacken-Schulterbereich“, sagt Nicole Benteler von der Landesanstalt für Arbeitsschutz Nordrhein-Westfalen. „Allerdings muss das noch nicht bedeuten, dass diese Menschen RSI haben“, erklärt der Darmstädter Schmerzforscher Professor Dr. Hardo Sorgatz, der sich als einer der wenigen Wissenschaftler in Deutschland mit dem Maus-Arm beschäftigt.

Bis Gelenke und Gewebe dauerhaft geschädigt sind und Patienten unter einem Maus-Arm leiden, muss ein Patient seine Beschwerden über längere Zeit ignoriert haben. „Leistungsdruck und Stress verleiten die Menschen dazu, die Signale des Körpers zu überhören“, sagt Sorgatz. In schlimmen Fällen gehen die Schmerzen dann gar nicht mehr weg. „Wenn der Körper dran gewöhnt ist, schicken die Nerven auch Schmerzsignale, wenn das Gewebe längst ausgeheilt ist“, sagt Sorgatz.

Krankengymnastik und eine ergonomische Gestaltung des Arbeitsplatzes können helfen, einen Maus-Arm wieder fit zu bekommen. „Mit Tastübungen muss der Patient langsam schmerzfreie Bewegungsmuster erlernen“, erläutert Sorgatz. Er berichtet aber auch von Patienten, die ihre Schmerzen auch nach Jahren nicht loswerden: „Die Hand eines hoch bezahlten Programmierers wurde einfach nicht besser. Er arbeitet nun mit Praktikanten, die für ihn tippen.“

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