Landarztmangel: Stipendien statt Quoten in Niedersachsen |
Niedersachsen braucht dringend mehr Studienplätze für Medizin, um den drohenden Ärztemangel in der Zukunft in den Griff zu bekommen. Darin waren sich bei einer Landtagsdebatte zum Thema hausärztliche Versorgung am Donnerstag Vertreter fast aller Parteien einig. «20 Prozent der Hausärzte in Niedersachsen werden in den kommenden Jahren altersbedingt aufgeben», warnte der CDU-Abgeordnete Burkhard Jasper. Und sein Kollege Uwe Schwarz von der SPD ergänzte: «Zusätzlich zu den bereits jetzt nicht besetzten 365 Hausarztstellen werden in zehn Jahren noch tausend weitere hinzukommen.» Für die Grünen forderte Meta Janssen-Kucz: «Wir brauchen mindestens 20 Prozent mehr Studienplätze für Medizin.»
Laut Wissenschaftsministerium studierten im vergangenen Wintersemester 2017/2018 an niedersächsischen Hochschulen 4643 Männer und Frauen Medizin. Auch Ärztekammerpräsidentin Martina Wenker fordert, diese Zahl auszuweiten. «Um die Situation kurzfristig zu entspannen, müssen jetzt sofort mindestens 250 Studienplätze neu geschaffen werden.» Die Landesregierung hatte im Koalitionsvertrag vereinbart, dass die Anzahl der Medizinstudienplätze um bis zu 200 zusätzliche Plätze in Niedersachsen erhöht werden solle.
Doch wie soll man fertige junge Mediziner dazu bewegen, sich auf dem Land niederzulassen? Ärzte müssten sich heute ständig fortbilden, sie wollten außerdem mehr Zeit für ihre Familie haben, sagte der CDU-Politiker Jasper. Diese Aspekte erschwerten die Entscheidung für eine Landpraxis mit unberechenbaren Arbeitszeiten und Nacht- und Wochenendbereitschaften. «63 Prozent der Medizinstudenten sind Frauen. Die gewünschten Rahmenbedingungen haben sich deutlich verändert. Ärztinnen bevorzugen Teilzeitarbeitsplätze oder Gemeinschaftspraxen», sagte der SPD-Abgeordnete Schwarz. Er warb erneut für die Einführung einer Landarztquote. «Sie ist kein Allheilmittel, aber sie kann durchaus ein wichtiger Baustein sein, wenn es um die zukünftige ärztliche Versorgung auf dem Land geht.»
Doch über die Landarztquote gibt es in der großen Koalition aus SPD und CDU keine Einigkeit. Im Landtagswahlkampf hatte Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) angeregt, zehn Prozent der Medizinstudenten zum Landarzteinsatz zu verpflichten. Doch Wissenschaftsminister Björn Thümler (CDU) sperrte sich dagegen. Weil vertagte das Projekt. «Die Landarztquote ist verfassungsrechtlich bedenklich», sagte Thümler der Deutschen Presse-Agentur. «Das Bundesverfassungsgericht hat ja schon die Quoten des Vergabeverfahrens zum Medizinstudium in Teilen infrage gestellt.»
Sozialministerin Carola Reimann (SPD) wies in ihrer Rede daraufhin, dass Niedersachsen mit einem freiwilligen Landarzt-Stipendienprogramm für Medizinstudenten bereits sehr positive Erfahrungen gemacht habe. Das Sozialministerium zahlt gegenwärtig 27 Studierenden für vier Jahre ein Stipendium von 400 Euro im Monat. Im Gegenzug haben sich diese verpflichtet, nach dem Studium für mindestens vier Jahre als Arzt auf dem Land zu arbeiten. Die Resonanz zeige, dass beim medizinischen Nachwuchs durchaus Interesse an einer Niederlassung außerhalb von Großstädten bestehe, so Reimanns Fazit.
24.08.2018 l dpa
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