Inavolisib im Handel |
Kerstin A. Gräfe |
10.09.2025 07:00 Uhr |
Wurde bei Patientinnen mit Brustkrebs ein Rezidiv festgestellt, ist der Kinasehemmer Inavolisib bei bestimmten Tumorvoraussetzungen eine neue Option. / © Getty Images/pixelfit
Beim fortgeschrittenen Hormonrezeptor-(HR-)positiven Mammakarzinom spielen drei Signalwege eine wichtige Rolle: der CDK4/6-, der Estrogenrezeptor- und der PI3K-Signalweg. Bisherige Versuche, mit verschiedenen Wirkstoffkombinationen alle drei Wege gleichzeitig zu adressieren, scheiterten an inakzeptablen Nebenwirkungen. Eine Lösung scheint nun mit Inavolisib als Kombinationspartner gefunden zu sein.
Inavolisib (Itovebi® 3 und 9 mg Filmtabletten, Roche) wird in Kombination mit Palbociclib und Fulvestrant zur Behandlung von erwachsenen Patientinnen mit PIK3CA-mutiertem, HR-positivem, HER2-negativem, lokal fortgeschrittenem oder metastasiertem Brustkrebs angewendet, wenn während einer adjuvanten endokrinen Behandlung oder innerhalb von zwölf Monaten nach Abschluss einer adjuvanten endokrinen Behandlung ein Rezidiv auftritt.
Bei Patientinnen, die zuvor im Rahmen der (neo)adjuvanten Therapie mit einem CDK4/6-Inhibitor behandelt wurden, sollte zwischen dem Absetzen des CDK4/6-Inhibitors und dem Nachweis des Rezidivs ein Intervall von mindestens zwölf Monaten liegen. Bei prä-/perimenopausalen Frauen und bei Männern ist die endokrine Therapie mit einem LHRH-Agonisten zu kombinieren.
Inavolisib hemmt selektiv die katalytische Untereinheit der Phosphatidylinositol-4,5-Bisphosphat-3-Kinase (PI3K) α-Isoform (p110α). Darüber hinaus fördert Inavolisib den Abbau von mutiertem p110α. Der PI3K-Signalweg ist bei HR-positivem Brustkrebs häufig fehlreguliert, oft aufgrund aktivierender PIK3CA-Mutationen. Mit seinem dualen Wirkmechanismus hemmt Inavolisib die Aktivität nachgeordneter Ziele des PI3K-Signalweges, was zu einer verringerten zellulären Proliferation und zur Apoptose-Induktion in PIK3CA-mutierten Brustkrebszelllinien führt.
Die empfohlene Dosis beträgt 9 mg einmal täglich und sollte jeden Tag ungefähr zur gleichen Zeit eingenommen werden. Wenn eine Einnahme vergessen wurde, kann diese innerhalb von neun Stunden nach der gewohnten Einnahmezeit nachgeholt werden. Wenn die Patientin nach der Einnahme erbricht, sollte sie an diesem Tag keine zusätzliche Dosis einnehmen und am nächsten Tag zum gewohnten Zeitpunkt mit dem üblichen Dosierungsschema fortfahren.
Die Behandlung von Nebenwirkungen kann eine vorübergehende Unterbrechung, Dosisreduktion oder einen Abbruch der Behandlung mit Inavolisib erfordern. Die empfohlenen Dosisreduktionen bei Nebenwirkungen sind in der Fachinformation aufgeführt.
Die Liste der Nebenwirkung des neuen Wirkstoffs ist sehr lang. Sehr häufig kommt es etwa zu schweren Hyperglykämien, einschließlich Ketoazidose mit tödlichen Komplikationen. Patientinnen mit Diabetes mellitus in der Vorgeschichte benötigen möglicherweise eine intensivierte antihyperglykämische Behandlung und häufigere Blutzuckerkontrollen. Die Behandlung sollte erst begonnen werden, wenn der Nüchtern-Glucosespiegel optimiert ist. Vor Therapiebeginn sind die Patientinnen über Anzeichen und Symptome einer Hyperglykämie aufzuklären und darüber zu informieren, sich unverzüglich an einen Arzt zu wenden, wenn diese Symptome auftreten. Zudem sind bei den Patientinnen vor und in regelmäßigen Abständen während der Behandlung der Nüchtern-Glukosespiegel und HbA1C-Wert zu testen. Bei Risikopatientinnen können zusätzlich eine häusliche Blutzuckerselbstkontrolle sowie gegebenenfalls eine prophylaktische Gabe von Metformin erwogen werden.
Etwa die Hälfte der Patientinnen entwickelte eine Stomatitis. Zur Prophylaxe wird bei den ersten Anzeichen eine alkoholfreie Mundspülung mit Corticosteroiden empfohlen. Alkoholische oder peroxidhaltige Mundspülungen sollten vermieden werden, da sie den Zustand verschlimmern können. Diätetische Anpassungen wie ein Verzicht auf scharfe Speisen können erwogen werden.
Vor Beginn einer Therapie mit Itovebi ist bei Frauen im gebärfähigen Alter der Schwangerschaftsstatus festzustellen. Sie sind anzuweisen, während der Behandlung und für eine Woche nach der letzten Dosis eine wirksame nicht hormonelle Verhütungsmethode anzuwenden. Die Anwendung von Inavolisib bei Schwangeren und bei Frauen im gebärfähigen Alter, die nicht verhüten, wird nicht empfohlen. Das Stillen soll während der Behandlung und für eine Woche nach der letzten Dosis von Itovebi unterbrochen werden.
Es ist nicht bekannt, ob Inavolisib in das Sperma gelangt. Um eine potenzielle fetale Exposition während der Schwangerschaft zu vermeiden, müssen männliche Patienten mit Partnerinnen im gebärfähigen Alter während der Behandlung mit dem Wirkstoff und für eine Woche nach der letzten Dosis ein Kondom verwenden.
Die Zulassung beruht auf der randomisierten, placebokontrollierten, doppelblinden Phase-III-Studie INAVO120 mit 325 Patientinnen. Sie erhielten randomisiert Itovebi 9 mg (n = 161) oder Placebo (n = 164) oral einmal täglich in Kombination mit Palbociclib und Fulvestrant bis zur Krankheitsprogression oder bis zum Auftreten einer inakzeptablen Toxizität. Als primärer Endpunkt war das progressionsfreie Überleben (PFS) definiert. Zu den sekundären Endpunkten zählte unter anderem das Gesamtüberleben (OS).
In einer primären Auswertung nach einer durchschnittlichen Nachbeobachtungszeit von 21,3 Monaten zeigte sich beim PFS bereits ein signifikanter Vorteil für den Therapiearm mit Inavolisib: 15,0 versus 7,3 Monate. Die finale Analyse nach einer Nachbeobachtungszeit von 34,2 Monaten zeigte zudem für die Patientinnen, die zusätzlich Itovebi bekamen, einen signifikanten Überlebensvorteil. So überlebten Patientinnen im Inavolisib-Arm im Durchschnitt sieben Monate länger (34,0 versus 27 Monate). Dies entspricht einer Reduktion des Mortalitätsrisikos um 33 Prozent. Die finale Analyse bestätigte den Vorteil hinsichtlich des PFS (17,2 versus 7,3 Monate).
Der Anteil an höhergradigen Nebenwirkungen (Grade 3 oder 4) war in beiden Studienarmen vergleichbar hoch: 90,7 Prozent in der Inavolisib-Gruppe und 84,7 Prozent in der Placebogruppe. Schwerwiegende Nebenwirkungen waren im Verumarm allerdings häufiger (27,3 versus 13,5 Prozent). Dazu zählten zum Beispiel Hyperglykämie, Stomatitis, Diarrhö, Thrombozytopenie, Ermüdung, Anämie, Übelkeit, verminderter Appetit, Ausschlag, Kopfschmerz, Gewichtsabnahme, Erbrechen und Harnwegsinfektionen.
Der Wirkmechanismus von Inavolisib erinnert sehr an den von Alpelisib. Beides sind PI3Kα-Hemmstoffe. Zusätzlich zur PI3Kα-Inhibition baut Inavolisib dieses Protein aber auch ab, während Alpelisib es lediglich hemmt. Allein dieser Unterschied ist ein Grund, Inavolisib bei den Schrittinnovationen einzustufen. Zugleich ist die Markteinführung von Inavolisib eine gute Sache, da Alpelisib zwar zugelassen, in Deutschland aber nicht mehr auf dem Markt ist.
Gegenüber der Behandlung mit Palbociclib und Fulvestrant bot die Dreierkombination mit zusätzlich Inavolisib in der INAVO120-Studie einen signifikanten und klinisch relevanten Vorteil beim Gesamtüberleben von durchschnittlich sieben Monaten. Auch das progressionsfreie Überleben konnte unter Hinzunahme von Inavolisib verlängert werden, ebenso gab es Vorteile bei der Ansprechrate. In den Therapieempfehlungen der Kommission Mamma der Arbeitsgemeinschaft gynäkologische Onkologie wurde diese Dreierkombination als Erstlinientherapie für endokrin resistente Patientinnen mit fortgeschrittenem, PIK3CA-mutiertem, ER+/HER2-Mammakarzinom bereits aufgenommen. Das sind weitere Aspekte, die untermauern, dass es sich bei Inavolisib tatsächlich um einen Therapiefortschritt handelt.
Zu beachten ist bei Inavolisib – wie bei Alpelisib – das mögliche Auftreten belastender Nebenwirkungen. Deren Management ist eine wichtige Aufgabe auch von Apothekern, zum Beispiel, wenn es um Hyperglykämie oder Stomatitis geht.
Sven Siebenand, Chefredakteur