In den Niederlanden entscheidet die Risikobewertung |
Weil Doc Morris viele Kunden im Ausland versorgt, fehlen den niederländischen Behörden Daten, die eine Inspektion des Versenders rechtfertigen würden. / Foto: imago/Jürgen Schwarz
In den Niederlanden ist das Health and Youth Care Inspectorate (IGJ) neben der Überwachung von Krankenhäusern, Pflegeheimen, Arztpraxen, medizinisch-pharmazeutischen Laboreinrichtungen und weiteren Gesundheitsinstitutionen auch verantwortlich für die Apothekenüberwachung. Die Überwachung erfolgt unter dem Motto „A Healthy Sense of Trust“. Dabei wird unter anderem versucht, eine Balance zwischen selbstständigen Lernmöglichkeiten der überwachten Institution und dem Auferlegen von behördlichen Maßnahmen zu schaffen. Das berichtete kürzlich Nico Kijlstra, Apothekeninspektor in den Niederlanden, auf der diesjährigen Fortbildungsveranstaltung für pharmazeutische Überwachungsbeamte im öffentlichen Gesundheitsdienst in Düsseldorf.
Generell sind die Apotheken in den Niederlanden deutlich spezialisierter als in Deutschland. Es gibt die klassische Krankenhausapotheke, die Rezepturapotheken sowie spezielle Nachtapotheken. Letztere müssen Patienten innerhalb von maximal 45 Minuten Fahrtzeit erreichen können. Das Kernstück der niederländischen Apothekenüberwachung bildet ein Risiko-Bewertungs-Verfahren. Dafür müssen die Apotheken regelmäßig die Daten ihrer Patienten und Medikamenten-Abgaben an das IGJ weitergeben, das die Daten dann mit den Durchschnitts-Daten aller Apotheken vergleicht. Aus diesem Vergleich wird ein Risiko-Score für die jeweilige Apotheke gebildet. Apotheken mit einem hohen Risiko-Score, beispielsweise aufgrund eines auffälligen Abgabe-Verhaltens, werden anschließend von Apothekeninspektoren besucht und überprüft.
Außerdem gibt es in den Niederlanden noch die Möglichkeit für Patienten, aber auch für pharmazeutisches Personal, bestimmte Vorkommnisse zu melden. Diese Meldungen werden vom IGJ bewertet. Bei besonders schweren Ereignissen oder häufigen Meldungen erfolgt ebenfalls eine Inspektion der betroffenen Apotheke.
Insgesamt gibt es in den Niederlanden vier Apothekeninspektoren, welche durch zehn weitere Mitarbeiter administrativ und in der Datenanalyse unterstützt werden. Von den etwa 2300 Apotheken im Land besuchen die Inspektoren aufgrund der durchgeführten Risikobewertung jährlich ungefähr 100. Um die Inspektion der 96 Krankenhausapotheken des Lands kümmern sich zwei weitere Inspektoren.
Darüber hinaus berichtet Kijlstra von einem Peer-Review-System, bei dem Apotheker zu anderen Apotheken gehen, sich diese anschauen und diesen Apotheken anschließend Rückmeldung geben. Damit die Rückmeldung möglichst vollständig und ehrlich erfolgen kann, schauen die Inspektoren nicht in die Peer-Review-Berichte hinein; es handelt sich somit um eine rein apothekerschaftinterne Überwachung. Allerdings ist die Teilnahme am Peer-Review-System freiwillig.
Sitz des niederländischen Inspektorat in Utrecht. / Foto: IGL/Rijksoverheid
Das Problem bei der Überwachung von den insgesamt 19 Versandapotheken, wie zum Beispiel Doc Morris, besteht darin, dass vorwiegend Patienten außerhalb der Niederlande versorgt werden und von diesen keine umfassende Datenerfassung erfolgen kann. Somit ist die Berechnung eines Risiko-Scores erschwert. Da seit 2012 lediglich sechs Patienten-Beschwerden bezüglich Doc Morris bei den niederländischen Inspektoren eingegangen sind, wird das Risiko-Potenzial durch die Behörde als nicht erhöht eingeschätzt. Aus den Reihen der beim Vortrag anwesenden Amtsapotheker wurde allerdings angemerkt, dass auch bei ihnen schon Beschwerden eingegangen seien, diesen aber aufgrund mangelnder Zuständigkeit nicht nachgegangen werden konnte.
Kijlstra verwies darauf, dass sich auch Personen ohne niederländische Staatsbürgerschaft mit einer Beschwerde an das IGJ wenden können. Dies sollte geschehen, wenn ein Problem nicht mit der Versandapotheke direkt geklärt werden kann oder potentielle Risiken für die Patienten bestehen. Weitere Informationen darüber, wie man eine Beschwerde einreicht, gibt es hier.