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85 Prozent der Deutschen haben im Laufe ihres Lebens mindestens einmal Rückenschmerzen. Zur Schmerzlinderung stehen orale nicht steroidale Antirheumatika (NSAR) an erster Stelle. / Foto: Getty Images/Stevica Mrdja/EyeEm
Von akutem Rücken-/Kreuzschmerz spricht man, wenn die Beschwerden weniger als sechs Wochen (subakut bis zwölf Wochen) andauern, von nicht spezifischem Rücken-/Kreuzschmerz, wenn sich für die berichteten Beschwerden keine spezifische, behandelbare Ursache finden lässt. Bis zu 85 Prozent der Bevölkerung leiden mindestens einmal im Leben an diesen Beschwerden. Ein akuter Nackenschmerz dauert definitionsgemäß bis zu drei Wochen.
In beiden Fällen steht bei den Betroffenen der Wunsch nach rascher Linderung der Schmerzen im Vordergrund. In der Selbstmedikation stehen hierfür pharmakologische und physikalische Therapieoptionen zur Verfügung. Wichtig ist, dass beide die Ursachen für die Beschwerden nicht beseitigen. Sie können aber den Schmerz lindern, damit Bewegung möglich bleibt beziehungsweise wieder möglich wird. Betroffene sollten daher ihre tägliche körperliche Aktivität beibehalten oder möglichst rasch wiederaufnehmen. Keine Empfehlung gibt es hingegen für Bettruhe. Sie trägt nicht nur nicht zu einer Besserung bei, sondern kann diese sogar verzögern.
Zur Schmerzlinderung stehen orale nicht steroidale Antirheumatika (NSAR) an erster Stelle. Sie sollen in der niedrigsten wirksamen Dosierung und so kurzzeitig wie möglich angewendet werden. Zugelassen für die Behandlung leichter bis mäßig starker Schmerzen sind Diclofenac (etwa Voltaren®), Ibuprofen (etwa Dolormin®) oder Naproxen (etwa Dolormin GS mit Naproxen®), die auch für die Selbstmedikation zur Verfügung stehen. Von der Europäischen Arzneimittelbehörde EMA für diese Indikation ebenfalls zugelassen sind orale Zubereitungen aus Weidenrinde (Salix alba). Für eine Tagesdosis von 240 mg Gesamtsalicin liegen Untersuchungen zu Wirksamkeit und Unbedenklichkeit zur kurzzeitigen Linderung von Kreuzschmerzen vor (Well-established-Use).
Keine Empfehlung gibt es für die alleinige Anwendung von Paracetamol sowie für den topischen Einsatz der oben genannten Arzneistoffe, da laut Leitlinie für Letztere ein Wirksamkeitsnachweis fehle. Wird eine systemische Therapie nicht gewünscht oder sprechen andere Gründe gegen deren Einsatz, kann eine topische Therapie jedoch auch bei Kreuz- und Nackenschmerzen eine Option darstellen. Neben den genannten chemisch definierten Arzneistoffen steht mit Beinwellwurzel (zum Beispiel Kytta® Schmerzsalbe) außerdem ein topisch anwendbares Phytopharmakon zur Verfügung.
Sowohl bei nicht spezifischen Kreuzschmerzen als auch bei Nackenschmerzen kann außerdem zu lokalen Wärmeanwendungen geraten werden. Diese verbessern die Durchblutung und können dazu beitragen, eine verspannte Muskulatur zu lockern. Lokale Reizstoffe und Auflagen, die infolge einer Oxidationsreaktion Wärme entwickeln, kommen hierfür infrage. Sie können – anders als eine Wärmflasche oder Wärmelampen – unter Beibehaltung der täglichen Aktivität eingesetzt werden. Zu den Reizstoffen gehören Cayennepfeffer-Dickextrakt (etwa ABC®-Wärmepflaster Capsicum) sowie Nonivamid und Nicoboxil (etwa Finalgon® Wärmecreme DUO). Andere Wärmeauflagen (etwa Thermacare®) enthalten eine Mischung aus Aktivkohle und Eisenpulver. Diese entwickelt nach Luftzutritt für mindestens acht Stunden Wärme.
Akute Schmerzen im Bereich der Lendenwirbelsäule klingen häufig von selbst wieder ab. Dennoch können in seltenen Fällen ernsthafte Ursachen hinter den Beschwerden stecken. Ein Arztbesuch sollte angeraten werden, wenn die Schmerzen in ein Bein ausstrahlen oder wenn Taubheitsgefühle oder Lähmungserscheinungen berichtet werden. Auch Probleme beim Wasserlassen oder Stuhlgang sowie ein unbeabsichtigter Gewichtsverlust und ein Gefühl körperlicher Schwäche sind wichtige Warnzeichen. Ähnliches gilt für Nackenschmerzen. Hier sollte nach gleichzeitigen Kopfschmerzen mit Übelkeit, Erbrechen und Schwindel gefragt werden.
Wie sieht die beste pharmakologische Behandlung akuter nicht spezifischer Kreuzschmerzen aus? Eine aktuelle Auswertung von Studien aus verschiedenen Datenbanken suchte eine Antwort auf diese Frage (»Journal of Orthopaedic Reseach«, DOI: 10.1002/jor.25508). Dabei wurden ausschließlich Studien eingeschlossen, bei denen die Patienten über 18 Jahre alt waren und die Beschwerden maximal zwölf Wochen anhielten. Der Einsatz von Opioiden führte ebenfalls zum Ausschluss. Insgesamt wurden 18 Studien mit 3478 Teilnehmern berücksichtigt.
In Übereinstimmung mit zahlreichen Leitlinien kamen die Studienautoren zu dem Ergebnis, dass systemisch angewendete NSAR effizient und effektiv zur Linderung von akutem Kreuzschmerz eingesetzt werden können. Ob sich ein bestimmtes NSAR hierfür besser eignet als ein anderes, konnte jedoch nicht ermittelt werden. Als ebenfalls gut wirksam erwies sich die Kombination eines NSAR mit Paracetamol. Die Kombination wirkte effektiver als NSAR allein. Nicht besser als Placebo linderte hingegen Paracetamol allein die Schmerzen.
Anders als zahlreiche Leitlinien bescheinigten die Studienautoren außerdem einem kurzzeitigen Einsatz von Muskelrelaxanzien eine Wirksamkeit bei akutem Kreuzschmerz. Sowohl NSAR, NSAR plus Paracetamol als auch Muskelrelaxanzien linderten die Beschwerden innerhalb einer Woche. Dass dies der Pharmakotherapie und nicht dem natürlichen Verlauf der Beschwerden geschuldet war, zeigte der Vergleich gegen Placebo, das sich als unwirksam erwies. Die Eignung verschiedener Substanzen und Substanzklassen ermögliche eine Behandlung bestimmter Patientengruppen, etwa im Falle von Allergien oder bei Vorliegen anderer Komorbiditäten, so die Autoren.
Weitere Forschung sei erforderlich, die sich nicht nur auf die akute Linderung von Beschwerden, sondern insbesondere auf das Wiederauftreten von Kreuzschmerz konzentrierten.