Impfstoffkandidat zielt auf Lymphknoten |
Theo Dingermann |
09.08.2023 09:00 Uhr |
Das Epstein-Barr-Virus gehört zu den Herpesviren – einmal in den Körper gelangt verbleiben sie lebenslang dort. / Foto: Shutterstock/Kateryna Kon
Bislang gibt es noch keine Vakzine, mit der man sich vor einer Infektion mit dem Epstein-Barr-Virus, der Erreger des Pfeifferschen Drüsenfiebers schützen kann. Das ist problematisch, weil es zuletzt Hinweise darauf gab, dass der Erreger an der Entstehung der Multiplen Sklerose beteiligt sein könnte. Zudem ist EBV ein onkogenes Virus, das das Risiko für ein Hodgkin-Lymphom und einige Rachen- und Nasentumoren erhöht.
Hoffnungen auf eine mögliche Schutzimpfung konnte man sich machen, als das US-Unternehmen Moderna Anfang letzten Jahres bekannt gab, den mithilfe der mRNA-Technologie entwickelten Impfstoffkandidaten mRNA1189 in einer Phase-I-Studie (NCT05164094) zu testen. Auch andere Entwicklungen, darunter ein Impfstoff auf Basis eines Protein-Nanopartikels, der am National Institute of Allergy and Infectious Diseases (NIAID) in den USA entwickelt wird, befinden sich bereits in dieser frühen klinischen Phase (NCT04645147).
Jetzt publizierte ein Team um Dr. Vijayendra Dasari vom QIMR Berghofer Medical Research Institute in Herston, Australien, eine Arbeit in »Nature Communications«, in der ein weiterer Impfstoffkandidat beschrieben wird, der vor allem auch T-Zellen erreichen soll.
Die Impfstoffformulierung dieser Gruppe basiert auf dem amphiphilen (AMP) Adjuvans, AMP-CpG. Dieses besteht aus einem mit dem TLR-9 Agonisten CpG konjugierten Diacyl-Lipid. Nach peripherer Verabreichung bindet AMP-CpG nicht-kovalent an endogenem Gewebealbumin. Es wird dann effizient über die afferenten Lymphgefäße transportiert und akkumuliert in den ableitenden Lymphknoten, wo eine frühe Aktivierung der Immunreaktion eingeleitet wird.
Als Antigene enthält der Impfstoffkandidat zum einen das EBV-Glykoprotein gp350. Dieses ist hauptsächlich verantwortlich für die Induktion neutralisierender Antikörper. Darüber hinaus enthält der Impfstoffkandidat auch noch ein artifiziell zusammengesetztes EBV-Polyepitop-Protein. In diesem Kunstprotein sind 20 hochkonservierte Epitope für CD8+-T-Zellen, die aus einer Vielzahl von EBV-Antigenen identifiziert wurden, durch proteolytische Spaltstellen voneinander getrennt hintereinander angeordnet. In den Lymphknoten werden die Antigene durch antigenpräsentierende Zellen aufgenommen, in die Einzelepitope zerlegt und dem Immunsystem über MHC-Komplexe zur Erkennung durch T- und B-Zellen präsentiert.
Die Co-Formulierung dieses EBV-Polyepitop-Proteins mit dem gesamten rekombinanten gp350-Protein bietet die Möglichkeit, EBV-neutralisierende humorale Reaktionen im Zusammenspiel mit einer zellulären Immunität zu induzieren. So soll ein Schutz vor Infektion, aber auch eine anhaltende Kontrolle der EBV-Latenz, wenn das Virus bereits im Körper ist, erreicht werden.
Die Forschenden zeigten in Untersuchungen mit Mäusen, dass eine Immunisierung mit dem AMP-CpG-adjuvantierten Impfstoff hohe Titer polyfunktioneller gp350-spezifischer CD4+-T-Zellen ebenso wie EBV-spezifischer CD8+-T-Zellen induzierte. Diese lagen um das Zweifache höher als bei Impfstoffen, die lösliches CpG als Adjuvanz enthielten.
Die Titer an neutralisierenden Antikörpern lagen bei den mit dem AMP-CpG-adjuvantierten Impfstoff immunisierten Tieren, um das 16- bis 25-Fache höher als bei Tieren, die einen Impfstoff erhalten hatten, der lösliches CpG als Adjuvanz enthielt.
Zudem ließen sich in Mäusen, die den AMP-CpG-adjuvantierten Impfstoff erhalten hatten, neutralisierende Antikörper nachweisen, deren Titer mehr als 30-mal höher lagen als bei gesunden EBV-Virusträgern. Auch blieben diese Titer über mehr als sieben Monate nach der Immunisierung stabil.
Die Forschenden überprüften auch, ob ihr Impfstoffkandidat gegen EBV-assoziierte B-Zell-Lymphome in einem geeigneten Mausmodell schützt. Sie konnten zeigen, dass durch den Impfstoff stimulierte T-Zellen in ähnlicher Weise mit oder ohne gp350-spezifische Antikörper das Fortschreiten eines EBV-Lymphoms und das damit verbundene Auswachsen von EBV-transformierten lymphoblastoiden Zellen in der Milz und im peripheren Blut kontrollierten. Insgesamt bestätigen damit diese Ergebnisse die Aktivität von EBV-spezifischen CD8+-T-Zellen gegen EBV-transformierte Krebsarten.
Die Forschenden resümieren, dass die Induktion einer zellulären Immunität durch ihren Impfstoffkandidaten zusammen mit der Induktion neutralisierender Antikörper mit breiter Spezifität gegen Antigene, die den gesamten viralen Lebenszyklus abdecken, eine attraktive Möglichkeit bietet, Krankheiten im Zusammenhang mit EBV-Primärinfektionen sowie mit chronisch latenten Infektionen (wie Multiple Sklerose oder Krebs) vorzubeugen.