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Patientensicherheit

»Im Fokus steht der Patient«

Unit-Dosing-System, gravimetrisch unterstützte Zytostatika-Herstellung oder elektronische Verordnung: Das Helios Klinikum in Erfurt gilt als ein Vorreiter in Sachen Patientensicherheit. Mit Dr. Dominic Fenske und Dr. Jana Giesel-Gerstmeier von der Klinikapotheke sprach die PZ über aktuelle und geplante Projekte.
Laura Rudolph
13.09.2022  18:00 Uhr

Am 17. September ist Welttag der Patientensicherheit. Ein Blick zurück aus diesem Anlass zeigt: Nicht immer war die Anwendung von Arzneimitteln in Deutschland so sicher wie heute. Erst seit 61 Jahren gibt es ein Arzneimittelgesetz (AMG), das den Verkehr und Umgang mit Arzneimitteln regelt. Seitdem entwickelt sich die Patientensicherheit stetig weiter, zunehmend auch durch Digitalisierung. Um diese in Krankenhäusern voranzutreiben, gilt seit 2020 das Krankenhauszukunftsgesetz (KHZG). Klinikträger können demnach auf Antrag einen Großteil ihrer Investitionskosten in digitale Produkte erstattet bekommen.

Das Helios Klinikum Erfurt habe bereits vor der Einführung des KHZG Systeme etabliert, um die Patientensicherheit zu erhöhen, berichtet der Leiter der Klinikapotheke Dr. Dominic Fenske im Gespräch mit der PZ. Dazu zählt beispielsweise das neue Unit-Dose-System, das patientenindividuelle Blister mit festen Oralia produziert. Die gebrauchsfertigen Tütchen werden anschließend zu den jeweiligen Stationen transportiert. Das fehleranfällige Stellen von Medikamenten auf den Stationen entfällt.

»Im Dezember 2020 erhielt die Gynäkologie als erster Fachbereich der Helios Klinik Erfurt Anschluss an das neue Unit-Dose-System. Innerhalb eines Jahres, bis Ende 2021, konnten wir den Maximalversorger Erfurt flächendeckend an das System anschließen«, erzählt Fenske stolz. Apothekerinnen und Apotheker des Klinikums prüfen die Medikation vor der Verblisterung. Ein zusätzlicher Sicherheitsschritt, der auch bei den Patientinnen und Patienten gut ankommt, ergänzt Fenskes Kollegin Dr. Jana Giesel-Gerstmeier, Assistenz des Zentralen Dienst Apotheke am Helios Klinikum Erfurt. Befragungen zufolge schätzen diese, dass neben den verordnenden Ärzten auch Apotheker einen Blick auf ihre Medikation werfen. Zudem fänden sie die Blister hygienischer als etwa händisch befüllte Dosetten. »Der Patient steht bei uns im Vordergrund«, betont Giesel-Gerstmeier, »daher freuen wir uns, wenn dieser den Benefit des neuen Systems wahrnimmt und davon profitiert.«

Gut vorbereitet

Das System zu implementieren, kostete im Vorfeld einiges an Vorbereitung. So wurden bereits im Frühsommer 2020 die elektronische Patientenakte (ePA), das Krankenhaus-Informationssystem (KIS) und das Warenwirtschaftssystem der Apotheke miteinander verknüpft und diese Daten schließlich in die Software der Unit-Dose-Anlage eingespeist. So richtig spürbar ging es Fenske und Giesel-Gerstmeier zufolge dann im zweiten Quartal 2020 los, als Bauarbeiter mit Maschinen zum Bau der Anlage anrückten. Ab Dezember konnten schließlich die ersten Patientinnen der Gynäkologie ihre Blister des neuen Systems erhalten. Im Laufe des Jahres 2021 habe man dann sukzessive das Unit-Dose-System und auch das neue elektronische Verordnungssystem Schritt für Schritt parallel am Standort Erfurt ausgerollt.

»Im Jahr 2022 haben wir dann den Schritt nach außen in die zu versorgenden Kliniken gewagt«, berichtet Fenske. Im ersten Quartal erhielt zunächst die etwas überschaubarere orthopädische Klinik in Bleicherode Anschluss an das Unit-Dose-System, gefolgt vom Helios Klinikum in Gotha, das ein Grund- und Regelversorger ist. »Eine gute logistische Planung ist essenziell, um die Produktion, den Transport und die Auslieferung der Medikamente an die anderen Kliniken zu koordinieren«, ergänzt er.

Dabei ist der Zeitpunkt der Verblisterung entscheidend: Je früher dieser Schritt erfolgt, desto größer ist das Risiko, dass der Arzt im Laufe des Tages noch die Medikation ändert. »Das Verblistern durch die Anlage muss möglichst zeitnah zur Verabreichung der Medikamente folgen«, resümiert Giesel-Gerstmeier. Um eine sichere Medikamentenverordnung fernab von fehleranfälligem Stift und Papier zu gewährleisten, setzen die Klinikärzte auf ein elektronisches Verordnungssystem.

Elektronisches Verordnungssystem

Am Standort Erfurt ist dies die Software ID Medics® der Firma ID Berlin. Sie verfügt über ein sogenanntes Clinical Decision Support System (CDSS), welches Klinikärzte bei der Auswahl der Medikamente unterstützt und etwa auf Doppelverordnungen und Dosisüberschreitungen prüft. Über das System Computerized Physician Order Entry (CPOE) können die Ärzte schließlich die Medikamente verordnen. »Ein typisches Problem solcher Verordnungssysteme ist das Over-Alerting: Sehr viele mehr oder weniger relevante Warnmeldungen ploppen auf«, erklärt Fenske. Um zukünftig die wirklich patientenindividuell praxisrelevanten Interaktionen aus den rein theoretischen Risiken herauszufiltern, betreibt das Klinikum derzeit ein Promotionsprojekt mit ID Berlin und dem Institut für Pharmazie der Friedrich-Schiller-Universität Jena.

Mittels definierter Filterkriterien und künstlicher Intelligenz soll zukünftig schnell unterschieden werden können, in welchen Fällen sich eine detaillierte Arzneimittelanamnese lohnt – und in welchen nicht. Das spart Ressourcen. »Sind bereits Parameter wie etwa Laborwerte oder die QT-Zeit erhöht, ist es dringend notwendig einen genaueren Blick auf die Medikation zu werfen«, nennt Fenske ein Beispiel. Dabei soll die zu optimierende Software in ihrer Analyse auch individuelle Risikofaktoren für bestimmte Interaktionen wie Alter und Geschlecht berücksichtigen.

Gravimetrisch unterstütze Zytostatika-Herstellung

Als weitere Maßnahme zur erhöhten Patientensicherheit setzt das Klinikum bei der Zubereitung von Zytostatika auf die gravimetrisch gestützte Herstellung dieser Medikamente. Auch hier wird eine spezielle Softwarelösung eingesetzt: CATO = Computer Aided Therapy for Oncology. Ein Stationsmodul unterstützt Onkologen, unter Verwendung hinterlegter Datenbanken Therapiepläne zu erstellen, die auf aktuellen und wissenschaftlich geprüften Chemotherapie-Protokollen basieren. Die Klinikapotheke kann über eine technische Schnittstelle auf die Verordnungen zugreifen.

Das pharmazeutische Personal profitiert davon, dass es IT-gestützt Schritt für Schritt durch die gravimetrische Zytostatika-Herstellung geleitet wird. Eine Waage unter der Werkbank gleicht dabei Daten mit der Software ab. Auf den onkologischen Stationen wiederum dient die Software dazu, die erfolgte Chemotherapie zu dokumentieren. »Dieses Programm ist extrem wichtig für die Patientensicherheit«, so Fenske. Die Software schaffe zudem über generierte QR-Codes maximale Transparenz, welches Zytostatikum für welchen Patienten hergestellt wurde.

Was sich Fenske und Giesel-Gerstmeier für die Zukunft wünschen, ist ein Verifizierungsschritt, der den jeweiligen Barcode auf der Zytostatika-Verpackung mit dem Barcode des Patientenarmbands abgleicht. »Dieser letzte Scan würde den Sicherheitskreis schließen und einen sogenannten Closed Loop erzeugen, den auch das KHZG fordert«, erklärt Fenske. Hierfür warte man auf die Zuarbeit der Software-Industrie. Auch die Barcodes von Unit-Dose-Verpackungen sollen zukünftig eine solche letzte Verifizierung erlauben.

Positive Resonanz

Solche neuen Systeme wie das Unit-Dosing verändern gewohnte Strukturen in der Krankenhausapotheke und auf Station. »Wie die Ärztinnen und Ärzte des Helios Klinikums Erfurt das neue Unit-Dose-System finden, haben wir kurz nach der Einführung über eine Onlineumfrage ermittelt«, sagt Giesel-Gerstmeier. Die Resonanz war sehr positiv: Mehr als 90 Prozent der 49 Befragten äußerten sich sehr positiv dazu. Die Umfrage wurde auf dem diesjährigen ADKA-Kongress als Poster vorgestellt und erhielt eine Erwähnung auf der Plattform Hospital Pharmacy Europe.

»Der Patient steht bei uns im Fokus. Wir freuen uns, die Patientensicherheit mit unseren Maßnahmen erhöhen zu können. Besonders, wenn dies die Patienten auch wahrnehmen und schätzen. Nicht zuletzt fördert dies auch das Vertrauen in die Arzneimitteltherapie«, fassen Fenske und Giesel-Gerstmeier zusammen.

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