| Sven Siebenand |
| 08.12.2025 10:00 Uhr |
Kommt eines Tages ein transdermales Insulinpflaster für die Diabetestherapie? Forschende arbeiten an einer entsprechenden Methode. Bis es wirklich soweit ist, ist aber noch viel Forschungsarbeit zu leisten. / © Adobe Stock/luchschenF
Im Fachjournal »Nature« stellen Forscher von der Zhejiang University in Hangzhou, China, das Zwitterion Poly[2-(N-oxid-N,N-dimethylamino)ethylmethacrylat] und die Arbeiten damit vor. Dem Polymer haben sie das Kürzel OP gegeben.
OP ist bei saurem pH-Wert, wie er in der Sebumschicht und der Hornschicht (Stratum corneum, SC) vorliegt, protoniert und somit positiv geladen. In tieferen, neutraleren Hautschichten verliert es die positive Ladung. Dieses »Ladungs-Switching« ermöglicht, dass OP zunächst an die fetthaltigen Lipide der SC bindet, mit ihnen in tiefere Hautschichten vordringt, sich bei pH-Wert-Verschiebung von den Lipiden abspaltet und schließlich in den Blutkreislauf übergehen kann.
Die Forscher koppelten humanes Insulin an OP und verglichen dieses mit an PEG-gekoppeltes Insulin und nativem Insulin. In einem In-vitro-Hautmodell wurde zunächst die Hautpermeation analysiert. Das OP-gekoppelte Insulin drang innerhalb von vier Stunden nach Applikation über die SC-Schicht in tiefere Hautschichten vor. Das PEG-gekoppelte Insulin blieb dagegen an der Hautoberfläche hängen. Wie zu erwarten war, erging es dem nativen Insulin ebenso.
Im Anschluss folgten Versuche mit Mäusen und Minischweinen. Bei Mäusen mit Typ-1-Diabetes führte die transdermale Gabe von OP-Insulin innerhalb einer Stunde zu einer Blutzuckersenkung auf Normwerte, die über zwölf Stunden anhielt. Bei den Schweinen normalisierte eine topisch aufgetragene OP-Insulin-Creme den Blutzucker innerhalb von zwei Stunden und hielt Normwerte auch hier bis zu zwölf Stunden aufrecht — wohingegen PEG-Insulin oder natives Insulin praktisch wirkungslos blieben, wenn sie topisch aufgetragen wurden.
Weitere Untersuchungen zeigten, dass OP-Insulin dieselbe Affinität zum Insulinrezeptor besitzt wie natives Insulin und dass die topische Applikation keine Schäden oder Entzündungen der Haut verursachte. Auch eine systemische Toxizität zeigte sich in den Tiermodellen nicht.
Ob sich die topische Applikation von OP-Insulin aber wirklich für den Einsatz bei Menschen mit Diabetes eignet und sie subkutane Injektionen des Hormons ersetzen kann, muss sich erst noch zeigen. Die Ergebnisse stammen bislang ausschließlich aus Tiermodellen. Ob sie sich auf den Menschen übertragen lassen, insbesondere hinsichtlich Hautdurchlässigkeit, Wirkgeschwindigkeit und -dauer, Immunogenität und Sicherheit, bleibt abzuwarten. Auch die Reproduzierbarkeit muss gewährleistet sein.
Abgesehen von Diabetes könnte das Polyzwitterion OP aber vielleicht für ganz andere Wirkstoffe noch viel interessanter sein. Schließlich gibt es eine Reihe weiterer Proteine und Peptide, die bisher nicht hautpermeabel sind und die nicht so häufig und in nicht so unterschiedlichen Dosierungen verabreicht werden wie Insulin bei Menschen mit Diabetes.