Hubmann kritisiert Dringlichkeitsliste als »Schnellschuss« |
DAV-Vorsitzender Hans-Peter Hubmann hält nichts davon, dass sich die Großhändler jetzt mit ohnehin schon knappen Arzneimitteln bevorraten sollen. / Foto: Martin Jehnichen
Lauterbach hatte dem Phagro eine »Dringlichkeitsliste« mit Arzneimitteln geschickt, mit denen sich die Großhändler bevorraten sollen, um Engpässe und Ausfälle wie im vergangenen Jahr zu verhindern. In einem ebenfalls offenen Brief an den Minister hatte der Großhandelsverband unverblümt erklärt, dass die Vorräte nicht einmal für zwei Wochen ausreichen würden und die gewünschten Mengen auch absehbar nicht verfügbar seien.
DAV-Chef Hubmann sieht den Vorstoß aus dem BMG ebenfalls kritisch: »Die politische Idee, dass der pharmazeutische Großhandel sich für den Winter mit bereits jetzt schon schwer zu beschaffenden Medikamenten zusätzlich bevorraten soll, ist realitätsfern und kann sogar kontraproduktiv wirken.« Die Apotheken müssten zu jeder Zeit bedarfsgerecht beliefert werden. Ein Kind aktuell nicht zu versorgen, weil ein bestimmtes Medikament gegen eine akute Infektion gerade woanders bevorratet wird, nennt Hubmann beispielhaft. »Derartige politische Schnellschüsse und auch das kürzlich beschlossene Lieferengpassgesetz werden in den kommenden Monaten zu keiner spürbaren Entspannung der Liefersituation führen.«
Die Apotheken hätten zwar eine gewisse Beinfreiheit, um zumindest die vorrätigen statt der nicht lieferbaren Arzneimittel an die Menschen abgeben zu können. »Diese Handlungsspielräume sind aber noch nicht ausreichend und müssen erweitert werden«, so Hubmann. Die Apotheken handelten seit Monaten mit großem persönlichem Engagement, um die Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln zu jeder Tages- und Nachtzeit aufrechtzuerhalten.
Das eigentliche Problem sei Lauterbach aber bislang nicht angegangen: »Die Versorgungssicherheit der Bevölkerung ist nicht zum Nulltarif zu haben, sondern muss letztlich bestellt und bezahlt werden. Dazu gehören weitergehende Abgabeerleichterungen für die Apotheken, eine wirklich adäquate Honorierung des Mehraufwandes der Apotheken für ihr Lieferengpassmanagement, der Schutz vor unberechtigten Retaxationen, aber auch eine Änderung des Billigpreissystems rund um die Rabattverträge«, so der DAV-Vorsitzende.
Um die Produktion wichtiger Wirkstoffe und Arzneimittel in Europa zu halten oder gar hierher zurückzuholen, müssten zudem die gegenüber Fernost höheren Kosten für Sozialleistungen, Arzneimittelsicherheit und Umweltschutz auch angemessen bezahlt werden. »Das sollte uns die Arzneimittelversorgung der Bevölkerung in Deutschland wert sein – gerade auch für vulnerable Gruppen wie Kinder oder chronisch kranke Menschen«, so Hubmann abschließend.