Hormonfreie Therapie bei Myomen |
Brigitte M. Gensthaler |
04.10.2024 07:00 Uhr |
Myome sind gutartige Wucherungen im oder am Uterus. Sie können minimal-invasiv chirurgisch entfernt werden. Da sie hormonsensitiv wachsen, werden auch Medikamente eingesetzt, die in die Hormonkaskade eingreifen. Hierzu gehört Linzagolix. / Foto: AdobeStock/Jo Panuwat D
Linzagolix ist zugelassen für erwachsene Frauen zur Behandlung von mäßigen bis schweren Symptomen von Uterusmyomen (Yselty® 100 mg/200 mg Filmtabletten, Theramex Ireland); eine Schwangerschaft muss vorher ausgeschlossen werden. Die Frauen können das Medikament mit und ohne hormonelle Zusatztherapie einnehmen.
Es gibt mehrere Möglichkeiten für die orale Therapie (einmal täglich, mit oder ohne Nahrung):
Für die ersten beiden Schemata ist die Behandlungsdauer nicht begrenzt. Die Patientin kann Yselty ohne Unterbrechung einnehmen. Sie sollte damit vorzugsweise in der ersten Woche des Menstruationszyklus beginnen. Nach einjähriger Behandlung wird für alle Frauen eine Überprüfung der Knochenmineraldichte empfohlen, die dann kontinuierlich überwacht werden muss.
Bei schwerer Leberfunktionsstörung sowie mittelschwerer und schwerer Nierenfunktionsstörung ist der Arzneistoff zu vermeiden.
Myome sind gutartige hormonsensitive Tumoren der glatten Muskulatur des Uterus. Ihre Ätiologie ist nicht abschließend geklärt, aber Estrogen und Progesteron spielen eine zentrale Rolle. Die Prävalenz nimmt mit dem Alter bis zur Menopause mit einem Peak in der Perimenopause zu.
Myome können je nach Lokalisation und Größe unterschiedliche Beschwerden verursachen und ein relevantes Problem bei der Familienplanung darstellen. Rund die Hälfte der Frauen leidet an Beschwerden, sehr oft Blutungsstörungen wie zu starke und/oder zu lange Menstruationsblutung oder Zwischenblutungen, Dysmenorrhoe und Unterbauchbeschwerden. Anämie und Fertilitätsstörungen können die Frauen weiter belasten.
Linzagolix ist ein selektiver, nicht peptidischer Gonadotropin-Releasing-Hormon(GnRH)-Rezeptorantagonist, der an GnRH-Rezeptoren in der Hypophyse bindet und die endogene GnRH-Signalübertragung hemmt. Durch den Eingriff in die Hypothalamus-Hypophysen-Gonaden-Achse kommt es zur dosisabhängigen Suppression des luteinisierenden und des follikelstimulierenden Hormons (LH, FSH), was die Konzentration von Estradiol und Progesteron im Blut reduziert.
Mit 200 mg Linzagolix einmal täglich wird die körpereigene Estradiol-Produktion nahezu vollständig unterdrückt (E2-Serumspiegel < 20 pg/ml). Daher ist bei längerfristiger Anwendung eine hormonelle Zusatztherapie notwendig. Die halbe Dosis führt zu einer partiellen Suppression (E2-Spiegel 20 und 60 pg/ml) und erfordert nicht unbedingt eine hormonelle Zusatztherapie.
In den beiden Phase-III-Studien PRIMROSE wurden Wirksamkeit und Sicherheit von Linzagolix in fünf Therapieschemata über 52 Wochen geprüft. Rund 1000 Frauen mit einem Myom größer als 2 cm und einem menstruellen Blutverlust von 80 ml und mehr pro Zyklus enthielten entweder Placebo, 100 mg oder 200 mg Wirkstoff allein oder in Kombination mit einer ABT.
Starke und/oder lang anhaltende Blutungen können eine Folge von Myomen sein. / Foto: Adobe Stock/DyrElena
Primärer Endpunkt war die Rate an Frauen mit einem menstruellen Blutverlust unter 80 ml und einer Reduktion des Blutverlusts um mindestens die Hälfte vom Ausgangswert. Die Studien dauerten 52 Wochen mit einem Follow-up bis Woche 76.
Der primäre Endpunkt wurde in allen Verumgruppen erreicht. Die Reduktion der schweren Blutungen hielt bis zur Woche 52 an. Eine ABT erhöhte im Vergleich zur Linzagolix-Monotherapie die Responderquoten. Die gepoolten Daten zeigten eine Responderrate zwischen 56,4 Prozent (100 mg Linzagolix-Monotherapie) und 94 Prozent (200 mg plus ABT) im Vergleich zu 29,4 bis 35 Prozent unter Placebo. Als häufigste Nebenwirkung bis Woche 24 traten Hitzewallungen bei 32 bis 35 Prozent der Frauen in der 200-mg-Gruppe (ohne ABT) auf. In allen anderen Studiengruppen lag die Rate bei 3 bis 14 Prozent.
Linzagolix reduzierte zudem das Uterus- und Myomvolumen. Unter 200 mg (ohne ABT) hatte es sich bereits nach zwölf Wochen nahezu halbiert. Mit ABT nahmen Uterus- und Myomvolumen nicht so deutlich ab.
Neben Hitzewallungen waren Kopfschmerzen die häufigsten Nebenwirkungen (1,4 bis 6,2 Prozent). Sie wurden bei höheren Dosen häufiger und bei gleichzeitiger Anwendung einer ABT seltener berichtet. Häufig waren auch Gemütsstörungen wie Stimmungsschwankungen, Affektlabilität, Angst und depressive Stimmung, erhöhte Leberenzymwerte, Knochenschmerzen und verminderte Knochenmineraldichte (ausgeprägter bei der 200-mg-Dosis und bei Linzagolix-Monotherapie) sowie vaginale Blutungen,
Schwangere und stillende Frauen sowie Frauen mit Osteoporose oder Genitalblutungen unbekannter Ursache dürfen Linzagolix nicht einnehmen. Vor Behandlungsbeginn müssen hormonelle Kontrazeptiva abgesetzt werden. Andererseits wurde für Linzagolix (mit oder ohne ABT) keine kontrazeptive Wirkung nachgewiesen. Daher müssen Frauen im gebärfähigen Alter bei Bedarf eine nicht-hormonelle Verhütungsmethode anwenden.
Linzagolix interagiert mit CYP2C8-sensitiven Substraten. Die gleichzeitige Anwendung mit Arzneistoffen, die hauptsächlich über CYP2C8 abgebaut werden und eine geringe therapeutische Breite haben, sollte vermieden werden.
Myome treten bei vielen Frauen im gebärfähigen Alter auf und können physisch und psychisch stark belastend sein. In vielen Fällen ist eine Behandlung notwendig. Mit Linzagolix steht nun eine interessante neue Therapieoption zur Behandlung mäßiger bis starker Symptome von Uterusmyomen zur Verfügung.
Nachdem im Jahr 2021 der orale GnRH-Rezeptorantagonist Relugolix in den Handel kam, folgt mit Linzagolix nun ein weiterer. Das Wirkprinzip und die Darreichungsform sind somit nicht neu.
Das Innovative am Präparat Yselty® ist, dass es sich im Gegensatz zum Relugolix-haltigen Präparat Ryeqo® nicht um eine Fixkombination mit Estradiol und Norethisteronacetat handelt, sondern um ein Monopräparat. Damit ist erstmal ein oraler GnRH-Rezeptorantagonist für die Behandlung von myombedingten Symptomen verfügbar, der eine Trennung von einer Add-back-Therapie (ABT) mit Estradiol und Norethisteronacetat erlaubt. Der Wirkstoff kann auch ohne ABT zum Einsatz kommen. Dies dürfte insbesondere für Patientinnen von Relevanz sein, die Kontraindikationen oder Vorbehalte gegenüber einer Hormontherapie haben. Gleichzeitig sind aber auch Dosierungsoptionen für Frauen, die eine hormonelle Therapie wünschen, möglich.
Auch die Studienergebnisse überzeugen. Sie zeigen im primären Endpunkt im Vergleich zu Placebo eine signifikante Reduktion des Menstruationsblutverlusts. Bei den sekundären Endpunkten sind in den Verumgruppen zum Beispiel Vorteile hinsichtlich der Schmerzwerte und der gesundheitsbezogenen Lebensqualität zu nennen. Summa summarum ist Linzagolix vorerst eindeutig bei den Schrittinnovationen einzuordnen.
Sven Siebenand, Chefredakteur