Hormonersatz beeinflusst biologisches Altern und Mortalität |
Theo Dingermann |
30.08.2024 09:00 Uhr |
Ob eine Frau von einer Hormonersatztherapie profitiert, soll laut aktuellen Leitlinien individuell abgewogen werden. / Foto: Getty Images/Emilija Manevska
Mit dem Thema HRT beschäftigt sich eine Studie, in der Yufan Liu und Dr. Chenglong Li von der Capital Medical University und dem National Institute of Health Data Science an der Peking University in China Daten von 117.763 Frauen nach der Menopause analysierten, die in der UK Biobank gespeichert sind. Die Ergebnisse wurden jetzt im Wissenschaftsjournal »JAMA Network Open« publiziert.
Die bevölkerungsbasierte, retrospektive Kohortenstudie wurde zwischen März 2006 und Oktober 2010 durchgeführt. Ausgewertet wurden Informationen zur HRT, dem Alter beim Beginn einer HRT und der Therapiedauer. Ein besonderer Schwerpunkt wurde auf soziale Indikatoren gelegt. Hierzu zählten unter anderem Bildung, Einkommen, Beruf sowie der sogenannte Townsend Deprivation Index. Dieser gibt Auskunft über materielle Entbehrung innerhalb einer Bevölkerung, etwa durch Arbeitslosigkeit, keinen Besitz eines Autos oder Eigenheims sowie die Überbelegung des Haushalts.
Die Studie ergab, dass bei Frauen, die eine HRT anwendeten, die Diskrepanz zwischen ihrem chronologischen und biologischen Alter geringer war als bei Frauen, die nie eine HRT anwendeten. Das deutet darauf hin, dass gleichaltrige HRT-Anwenderinnen biologisch jünger sind als Frauen, die auf eine HRT verzichten. Dieser Effekt war bei denjenigen Frauen ausgeprägter, die im Alter von 55 Jahren oder älter mit der HRT begannen und sie vier bis acht Jahre lang anwendeten.
Die geringere Diskrepanz zwischen dem chronologischen und biologischen Alter scheint sich auch in einer sinkenden Mortalitätsrate, besonders in Bezug auf kardiovaskuläre Mortalität und Krebssterblichkeit, abzubilden. Konkret vermittelte dieser Unterschied in der biologischen Alterung 12,7 Prozent des Zusammenhangs zwischen HRT-Anwendung und Gesamtmortalität.
Mit Blick auf den sozioökonomischen Status (SES) der in die Studie eingeschlossenen Frauen machten die Forschenden eine besonders interessante Beobachtung. Es zeigte sich nämlich, dass die protektive Wirkung der HRT bei Frauen mit niedrigerem SES deutlich ausgeprägter war als bei Frauen mit hohem SES. Der SES ergab sich in der Studie aus dem Bildungsgrad, dem Haushaltseinkommen und dem Beruf der eingeschlossenen Probandinnen. Dies deutet eine signifikante Wechselwirkung zwischen HRT und SES bei der Bestimmung der biologischen Altersdiskrepanzen an.
Welche politischen Konsequenzen könnten diese Ergebnisse haben? Sie legen nahe, dass die Förderung der HRT bei postmenopausalen Frauen, insbesondere bei Frauen mit niedrigerem SES, eine Strategie sein könnte, um gesundes Altern zu fördern und das Sterblichkeitsrisiko zu senken. Dennoch resümieren auch die Forschenden, dass weitere Untersuchungen erforderlich sind, um die Vorteile einer HRT zu bestätigen und die mit der Hormontherapie verbundenen Risiken vollständig zu verstehen.