Honorarreform bremst das Apothekensterben nicht |
Der Volkswirt Professor Georg Götz analysierte im Auftrag der ABDA die Auswirkungen der Pläne des BMG zur Honorarreform. Aus seiner Sicht tragen sie nicht dazu bei, ertragsschwache Apotheken zu stärken. / Foto: ABDA/André Wagenzik
Ende Dezember präsentierte Bundesgesundheitsminister Professor Karl Lauterbach (SPD) Eckpunkte zu einer Honorarreform, seitdem wartet die Apothekerschaft auf einen Gesetzentwurf. Mit der Reform will Lauterbach vor allem Landapotheken stärken. Geplant ist unter anderem, das Fixum sukzessive anzuheben – auf 8,54 Euro im kommenden Jahr und auf 8,73 Euro im Jahr 2026. Im Gegenzug soll der prozentuale Zuschlag von derzeit 3 Prozent auf den Apothekeneinkaufspreis schrittweise auf 2 Prozent sinken. Die Krankenkassen will das BMG durch die Reform nicht zusätzlich belasten.
Können die geplanten Maßnahmen dazu beitragen, insbesondere ertragsschwache Apotheken gezielt und effektiv zu stärken und damit den stetigen Rückgang der Zahl der Vor-Ort-Apotheken wirksam zu stoppen? Dieser Frage ging Georg Götz, Professor für Volkswirtschaftslehre an der Justus-Liebig-Universität Gießen, in seiner Studie zum Thema »Vor-Ort-Apotheken zwischen Kostendruck und Honoraranpassung« nach. Das Ergebnis, das er heute beim DAV-Wirtschaftsforum in Potsdam vorstellte, fällt negativ aus. Das Gutachten zeige, dass »die vorgeschlagene Honorarreform des BMG das Apothekensterben nicht bremst«, resümiert der Volkswirt.
In seinem Gutachten habe er zunächst die derzeitige wirtschaftliche Situation der Vor-Ort-Apotheken untersucht, informierte Götz. Grundlage seiner Analyse waren Daten der Treuhand Hannover. In dem Datensatz sind die Apotheken in vier Gruppen eingeteilt – von ertragsschwachen bis hin zu ertragsstarken.
Betrachte man insbesondere bei ertragsschwachen Apotheken den Umsatz und Betriebsgewinn, zeige sich das »ganze Drama«. Im untersten Viertel reiche der durchschnittliche Betriebsgewinn nicht aus, um einen Weiterbetrieb sicherzustellen. Es fehlten im Schnitt etwa 30.000 Euro. Kleine Filialen seien oft nur noch durch Zuschüsse aus dem Nacht- und Notdienstfonds, pharmazeutische Dienstleistungen und Botendienste überlebensfähig. Bei mindestens 25 Prozent der untersuchten Einzelapotheken lohne sich der Betrieb aus Sicht der Inhaberinnen und Inhaber nicht mehr, fasste Götz die Ergebnisse der Analyse zusammen.
Nach Einschätzung des Volkswirts lässt sich das Apothekensterben nur aufhalten, wenn insbesondere ertragsschwache Apotheken ihre Gewinne deutlich steigern können. Inwieweit die vom BMG vorgeschlagene Honorarreform dazu beitragen könne, untersuchte er in seinem Gutachten anhand einer Szenariorechnung. Hierfür zog er das vom Pandemiegeschehen unbeeinflusste Jahr 2019 als Beispiel heran und analysierte, welche Wirkung eine Umsetzung der Reformpläne des BMG auf ertragsschwache und ertragsstarke Apotheken hätte.
Dabei fiel das Ergebnis je nach Umsatz der Apotheken unterschiedlich aus. Die Analyse zeigte, dass umsatzstarke Offizinen von einem höheren Fixum mehr profitieren würden als umsatzschwache. »Das liegt daran, dass ertragsstarke Apotheken mehr verschreibungspflichtige Medikamente abgeben und dass sie im Schnitt teurere Medikamente verkaufen«, erläuterte Götz. Vor dem Hintergrund, dass das Ziel sein müsse, umsatzschwächere Apotheken zu stärken, um das Apothekensterben zu stoppen, sei dieser Ansatz daher ineffizient, so der Volkswirt.
Eine Lösung dieses Problems könnte aus Sicht des Volkswirts ein Apothekenzuschlag sein, der gemäß der Abgabemenge verschreibungspflichtiger Medikamente gestaffelt sei. Ein derartiges System sogenannter Blockpreise führe dazu, dass Apotheken mit geringen Abgabemengen im Schnitt höhere Honorare erhielten als Apotheken mit hohen Abgabemengen.
»Simulationsrechnungen zeigen, dass durch ein solches Honorarsystem schon bei Budgetneutralität im Hinblick auf die Zahlungen der Krankenkassen an die Apotheken deutlich höhere Zugewinne ertragsschwacher Apotheken möglich sind als beim Vorschlag des BMG«, erläuterte Götz. Dies ginge allerdings mit Verlusten ertragsstarker Apotheken einher. Diese Umverteilung werde durch eine Spreizung zwischen den Zuschlägen bei niedrigen und bei hohen Mengenabgaben erreicht. Diese Spreizung könne je nach Größenordnung der Verluste zu unerwünschten Ausweichreaktionen ertragsstarker Apotheken führen.
»Es gibt dringenden Reformbedarf«, fasste Götz zusammen. »Klar ist aber auch, dass die gepante Honorarreform des BMG das Apothekensterben nicht stoppen wird.« Denn durch eine reine Umverteilung, also ohne zusätzliche Finanzmittel, lasse sich eine relevante Stärkung ertragsschwacher Apotheken nicht erreichen.
»Budgetneutral wird eine Reform, die tatsächlich ertragsschwache Apotheken stärkt, nicht zu machen sein«, betonte der Volkswirt. In diesem Fall gebe es unerwünschte Nebenwirkungen, nämlich eine Schwächung der ertragsstarken Offizinen. Die Szenariorechnungen hätten jedoch gezeigt, dass eine wirksame Stärkung der Vor-Ort-Apotheken mit »überschaubaren Mehrausgaben der Gesetzlichen Krankenversicherung« machbar sei. Ob derartige Zusatzausgaben zur Verfügung gestellt werden sollen, sei jedoch letztlich eine politische Frage, betonte Götz.