Hoher HDL-Spiegel ist nicht immer gut |
Theo Dingermann |
27.12.2024 15:00 Uhr |
Die neue Studie erhärtet den Verdacht, dass hohe HDL-C-Spiegel bei Menschen mit Typ-2-Diabetes möglicherweise nicht protektiv sind. / © Adobe Stock/JohnKwan
Ein Forscherteam um Professor Dr. David Tak Wai Lui von der University of Hong Kong in China ging in einer großen retrospektiven Kohortenstudie der Frage nach, inwieweit HDL-Cholesterol-Spiegel (HDL-C) mit dem Auftreten von schweren kardiovaskulären Ereignissen (MACE) und der Mortalität bei Personen mit Typ-2-Diabetes (T2D) assoziiert sind. Ziel der Studie war es, unter Typ-2-Diabetikern Gruppen zu finden, die ein erhöhtes CVD-Risiko besitzen. Die Forschenden publizierten die Ergebnisse ihrer Studie im Wissenschaftsmagazin »BMC Medicine«.
Die Studie umfasste 596.943 Erwachsene, bei denen zwischen 2008 und 2020 ein T2D diagnostiziert wurde und für die mindestens eine HDL-C-Messung nach der Diagnose vorlag. Patienten mit vorbestehenden MACE, terminaler Niereninsuffizienz oder Tod innerhalb eines Monats nach dem Indexdatum (Datum der ersten HDL-C-Messung) wurden ausgeschlossen.
Die Patienten wurden anhand ihrer ersten HDL-C-Messung in drei Gruppen eingeteilt: niedrige HDL-C-Werte (≤ 40 mg/dL), mittlere HDL-C-Werte (> 40 und ≤ 80 mg/dL) und hohe HDL-C-Werte (> 80 mg/dL). 28,30 Prozent der Patienten hatten niedrige HDL-C-Werte, 69,16 Prozent mittlere HDL-C-Werte und 2,54 Prozent hohe HDL-C-Werte.
Die Patienten in der hohen HDL-C-Gruppe waren tendenziell älter, häufiger weiblich, Nichtraucher und hatten niedrigere Werte für Triglyceride, HbA1c und Nüchternglucose im Vergleich zu den anderen Gruppen. Weniger Patienten in der hohen HDL-C-Gruppe wurden mit einem Statin behandelt.
Als primärer Endpunkt war das Auftreten von MACE (ein zusammengesetzter Endpunkt aus Myokardinfarkt, Schlaganfall, Herzinsuffizienz und kardiovaskulärer Mortalität) festgelegt worden. Zu den sekundären Endpunkten gehörten die einzelnen Komponenten von MACE, die Gesamtmortalität und die nicht kardiovaskuläre Mortalität.
Die Beziehung zwischen HDL-C-Spiegeln und den Endpunkten wurde mithilfe statistischer Methoden analysiert. Es wurde eine Vielzahl von Subgruppen- und Sensitivitätsanalysen durchgeführt, um die Robustheit der Ergebnisse zu bewerten. Die mittlere Nachbeobachtungszeit betrug 79,5 Monate.
In der unbereinigten Analyse wurde sowohl für die Patienten mit niedrigen als auch für die Patienten mit hohen HDL-C-Werten ein höheres Risiko für MACE im Vergleich zur mittleren HDL-C-Gruppe nachgewiesen. Diese Ergebnisse blieben auch nach der Anpassung an Alter, Geschlecht und Indexjahr konsistent. Es zeigte sich eine U-förmige Beziehung zwischen HDL-C-Spiegeln und dem Risiko für MACE.
Hinsichtlich der sekundären Endpunkte zeigten sich sowohl in der Gruppe mit niedrigen als auch in der Gruppe mit hohen HDL-C-Werten verglichen mit der mittleren HDL-C-Gruppe erhöhte Risiken für Schlaganfall, Herzinsuffizienz, nicht kardiovaskuläre und Gesamtmortalität. Nur die niedrige HDL-C-Gruppe zeigte ein erhöhtes Risiko für Myokardinfarkt und kardiovaskuläre Mortalität.
Nahezu über alle analysierten Subgruppen blieb die U-förmige Beziehung konsistent (Geschlecht, Statin-Anwendung, Antidiabetika, eGFR, HbA1c-Spiegel und Vorhandensein von Fettleibigkeit), wenn auch nicht immer signifikant bei jungen Patienten (≤ 60 Jahre). Männer wiesen ein stärker ausgeprägtes U-förmiges Muster auf als Frauen.
Die Studie deutet auf einen komplexen, nicht linearen Zusammenhang zwischen HDL-C und CVD-Risiko hin. Die Autoren vermuten, dass sehr hohe HDL-C-Spiegel auf genetische Varianten, eine Dysfunktion der HDL-Partikel oder eine veränderte Zusammensetzung der HDL-Partikel hinweisen könnten. Insbesondere wird auf die Heterogenität der HDL-Partikel hingewiesen, die verschiedene biologische Funktionen haben. Zudem deutet die Studie an, dass die Einnahme von Statinen den U-förmigen Zusammenhang nicht ändert.
Damit erhärtet sich der Verdacht, dass hohe HDL-C-Spiegel bei Menschen mit T2D möglicherweise nicht protektiv sind. Im Gegenteil: Zum Teil scheinen hohe HDL-C-Spiegel bei diesen Patienten sogar mit einem erhöhten Risiko für unerwünschte kardiovaskuläre und nicht kardiovaskuläre Ereignisse verbunden zu sein.
Limitationen der Studie, auf die die Forschenden hinweisen, sind der retrospektive Ansatz, nicht erfasste Confounder wie Lebensstilfaktoren und die Tatsache, dass die Kohorte hauptsächlich aus Chinesen bestand, was die Übertragbarkeit auf andere Ethnien einschränken könnte.