Hoffnung nach Jahren der Forschung |
Sven Siebenand |
05.08.2025 07:00 Uhr |
Noroviren sind RNA-Viren. Sie haben als Erreger einer viralen Gastroenteritis eine große medizinische Bedeutung. Bislang gibt es noch keinen zugelassenen Impfstoff. / © Adobe Stock/Dr_Microbe
Schätzungsweise rund 200.000 weltweite Todesfälle pro Jahr gehen auf das Konto von Norovirus-Infektionen. Insbesondere Säuglinge und Kinder unter fünf Jahren sowie ältere Menschen und immungeschwächte Personen sind gefährdet. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat bereits im Jahr 2016 die Entwicklung eines Impfstoffs zur Priorität erklärt. Wie einer Publikation im Fachjournal »JAMA« zu entnehmen ist, stehen Forscher bei der Impfstoffentwicklung mehreren Herausforderungen gegenüber.
Noroviren sind genetisch sehr vielfältig: Man unterscheidet fast 50 Genotypen in zehn Gruppen, von denen fünf den Menschen infizieren. Die häufigsten sind GI und GII. Wie Influenzaviren verändern sich die dominanten Stämme ständig, was es dem Immunsystem erschwert, einen dauerhaften Schutz aufzubauen. Hinzu kommt, dass unklar ist, wie lange eine natürliche Immunität nach einer Infektion anhält. Schätzungen reichen von wenigen Monaten bis neun Jahren.
Auch die Kultivierung des Virus im Labor war lange nicht möglich. Fortschritte mit Organoiden, also sogenannten »Minidarm«-Modellen, zeigen jedoch neue Wege auf. Das könnte eines Tages dazu führen, dass abgeschwächte Lebendimpfstoffe in greifbare Nähe rücken. Aufgrund der schwierigen Virusvermehrung ist das derzeit noch nicht realisierbar.
Andere Impfstoffkandidaten, die in der Entwicklung weiter fortgeschritten sind, funktionieren nach unterschiedlichen Prinzipien. Eines davon beinhaltet virusähnliche Partikel (VLP). Das sind leere Hüllen des Virus, die eine Immunantwort auslösen, ohne infektiös zu sein. Diese Technologie wurde erfolgreich bei HPV- und Hepatitis-B-Impfstoffen eingesetzt. Erste Studien zeigten gute Ergebnisse bei Erwachsenen, jedoch versagte der Kandidat HIL-214 von der Firma Hillevax beim Schutz von Säuglingen. Für den Einsatz bei Erwachsenen soll der Impfstoff aber weiter erprobt werden.
Die Firma Moderna entwickelt einen mRNA-basierten Norovirus-Impfstoff, dessen Phase-III-Studie im Februar 2025 kurzzeitig in den USA pausiert wurde, nachdem ein Fall von Guillain-Barré-Syndrom gemeldet wurde. Die Studie mit 25.000 Teilnehmern läuft weiter, einen Einfluss auf den Zeitplan erwartet das Unternehmen nicht.
Da das Norovirus insbesondere in unterentwickelten, armen Ländern ein Problem darstellt und dort viele Todesopfer fordert, würde eine oral verfügbare Impfung in Form einer Tablette einige Vorteile bieten, etwa keine Kühlkette, keine Spritzen, einfache Lagerung und Verteilung. Für Säuglinge könnte es eine flüssige Form geben.
Bis es so weit ist, wird aber noch einige Zeit vergehen. Das Unternehmen Vaxart entwickelt eine Tablette auf Basis eines Adenovirus-Vektors, die die Schleimhautimmunität im Darm stärken soll. VXA-G1.1-NN exprimiert das Hauptkapsidprotein VP1 des Norovirus-Stamms GI.1. Die Formulierung erfolgt als magensaftresistente Tablette, die den Vektor gezielt im Ileum, einem Teil des Dünndarms, freisetzt.
In einer Challenge-Studie mit rund 150 Teilnehmern zwischen 18 und 39 Jahren nahm die Verumgruppe vor bewusstem Kontakt mit Noroviren den oralen Impfstoff ein. Es zeigte sich eine Infektionsreduktion von 25 Prozentpunkten gegenüber der Placebogruppe (Infektionen: 57 versus 82 Prozent). Auch die Viruslast im Stuhl und Erbrochenen war geringer – ein Hinweis auf eine mögliche Eindämmung der Weiterverbreitung. Die Reduktion der Krankheitsschwere war jedoch statistisch nicht signifikant. Das könnte darauf zurückzuführen sein, dass die Teilnehmer größere Mengen an Viren erhielten, als sie bei einer natürlichen Infektion abbekommen würden.
Weitere Analysen zeigten positive Immunantworten bei älteren Erwachsenen und stillenden Müttern. Allerdings basierte die Studie auf dem Stamm GI.1, der nicht der häufigste ist. Eine Version der zweiten Generation zeigte laut Vaxart Schutz gegen sowohl GI- als auch GII-Stämme. Bis die Impfpille oder eine andere Norovirus-Impfung flächendeckend verfügbar ist, wird es noch eine Zeit dauern. Es ist aber abschließend festzuhalten, dass verschiedene Ansätze in der Pipeline sind und das Hoffen auf einen zugelassenen Impfstoff in den kommenden Jahren durchaus eine Berechtigung hat.