Hoffnung auf Medikamente für Gaza |
Alexandra Amanatidou |
21.10.2025 16:28 Uhr |
Medizinische Hilfsgüter der Weltgesundheitsorganisation (WHO) treffen am 5. Oktober 2025 im Al-Ahli Baptist Hospital in Gaza-Stadt ein. / © IMAGO/Anadolu Agency
Gemeinsam mit lokalen Partnerorganisationen versuchen die Nichtregierungsorganisationen (NGO) »Action Medeor« und »Apotheker ohne Grenzen« (AoG), Arzneimittel nach Gaza zu liefern. Die Medikamentenlieferungen werden allerdings aus logistischen Gründen nicht direkt aus Deutschland realisiert. Auch »Ärzte ohne Grenzen« transportiert Hilfsgüter und Medikamente in Kriegsregionen aus ihren Logistikzentren in Brüssel und Bordeaux.
»Wir beobachten in enger Abstimmung mit unseren Partnern die Lage aufmerksam und prüfen laufend, wie wir – auch im medizinischen Bereich – unter Berücksichtigung der sich schnell ändernden Rahmenbedingungen weitere Hilfe leisten können«, teilt Sid Peruvemba, Vorstandsmitglied von Action Medeor, auf Anfrage der PZ mit. »Hierbei werden der Wiederaufbau des zerstörten Gesundheitssystems und die Bereitstellung von psychosozialer Unterstützung sicher eine wichtige Rolle spielen.«
Die medizinische Versorgung, zum Beispiel durch den Ausbau mobiler medizinischer Teams zur Versorgung geflüchteter Menschen, müsse ausgebaut werden, so die Organisation. Action Medeor habe nach eigenen Angaben bereits in den vergangenen Monaten gemeinsam mit ihrer Partnerorganisation, der Palästinensischen Medizinischen Hilfsgesellschaft (PMRS), Gesundheitseinrichtungen vor Ort unterstützt. Konkret habe Action Medeor von April bis Juli dieses Jahres Medikamente und medizinische Materialien zur Unterstützung von 20 Gesundheitseinrichtungen und medizinischen Versorgungsstellen in Gaza geliefert. Das Projektgebiet dieser Aktion war Nord-Gaza, Gaza-Stadt und die südlichen Städte Khan Younis und Rafah.
Nach eigenen Angaben hat auch AoG zuletzt im Jahr 2024 gemeinsam mit der Partnerorganisation ANERA (American Near East Refugee Aid) zwei Medikamentenlieferungen in den Gazastreifen unter »äußerst schwierigen Bedingungen« umgesetzt. Die Lieferung umfasste damals 15 IHEK-Kits, ein NCD-Kit sowie Antibiotika. Das Interagency Emergency Health Kit (IHEK) ist eine von den Vereinten Nationen entwickelte standardisierte Zusammenstellung von Medikamenten, Medizinprodukten und zugehöriger Ausrüstung für den Einsatz in Krisen. Zu den enthaltenen Medikamenten zählen unter anderem Doxycyclin und Amoxicillin, Ibuprofen und Paracetamol sowie Salze zur Zubereitung von oralen Rehydratationslösungen. Ein NCD-Kit (Noncommunicable Diseases Kit) ist ein weiteres Notfall-Kit, das essenzielle Medikamente und medizinische Geräte für die Behandlung nicht übertragbarer Krankheiten in Krisensituationen bereitstellt. Es ist modular aufgebaut und unterstützt die primäre Gesundheitsversorgung bei der Behandlung von Krankheiten wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes oder chronischen Atemwegserkrankungen.
Auf Anfrage der PZ teilte ein Sprecher von AoG mit, dass aufgrund der eskalierenden Sicherheitslage, der massiven Zerstörung der Infrastruktur und der teils vollständigen Blockade des Zugangs in das Gebiet ein weiteres aktives Engagement bislang nicht möglich gewesen sei. »Mit dem nun vereinbarten Waffenstillstand zeichnen sich veränderte Rahmenbedingungen ab, die Hoffnung erzeugen«, so der Pressesprecher der Organisation.
Die humanitäre Lage vor Ort sei jedoch ebenso katastrophal wie unübersichtlich. »Wir gehen davon aus, dass die gesamte Region inklusive der Nachbarländer in den kommenden Monaten und Jahren auf internationale Unterstützung angewiesen sein wird, um das Überleben der Menschen vor Ort zu sichern«, so der Sprecher weiter. Die Organisation prüfe derzeit gemeinsam mit ihren Partnerorganisationen, wie und wo sie aktuell am besten unterstützen könne.
Ärzte ohne Grenzen plädiert für medizinische Evakuierungen der Bevölkerung aus dem Gazastreifen. »Deutschland muss sichere Transportwege für Patientinnen und Patienten schaffen, Visa- und Aufnahmeverfahren erleichtern und Behandlungskapazitäten in deutschen Kliniken für besonders dringende Fälle öffnen«, sagt Christian Katzer, Geschäftsführer von Ärzte ohne Grenzen in Deutschland, auf Anfrage der PZ. »Langfristig müsse der Wiederaufbau des Gesundheitssystems Priorität haben: Kliniken, Personal, Medikamente, psychologische Betreuung.«
Bereits im Sommer hatten Hannover, Düsseldorf, Bonn, Leipzig und Kiel angeboten, schwerkranke und traumatisierte Kinder aus dem Gazastreifen aufzunehmen und zu behandeln. Doch das Innenministerium und das Auswärtige Amt hatten damals gezögert. Für eine solche Aktion benötigen die Städte die Unterstützung des Bundes, der die Einreiseverfahren, die Auswahl der Kinder und die gesamte Koordination der Hilfsaktion übernehmen würde. Damals gab es jedoch insbesondere aus der CDU/CSU Bedenken, dass die Wiederausreise erschwert werden könnte, da Palästinenser in Deutschland als staatenlos gelten, weil Deutschland Palästina bisher nicht anerkannt hat. Andere Länder haben bereits schwerverletzte Kinder aus Gaza behandelt, wie etwa Italien, Rumänien oder Spanien.
Laut dem Auswärtigen Amt erhalten die Weltgesundheitsorganisation, das Deutsche Rote Kreuz, die Johanniter, Care International und Oxfam Unterstützung für ihre Arbeit in Gaza. Sie unterstützen unter anderem durch mobile Kliniken in Notunterkünften und den Einsatz von Anlagen zur Wasseraufbereitung. Auf seiner Website schreibt das Auswärtige Amt: »Für die akute Bekämpfung des Hungers und des Gesundheitsnotstandes in Gaza stellt das Auswärtige Amt unmittelbar mit Inkrafttreten des Waffenstillstands weitere 29 Millionen Euro für humanitäre Hilfe zur Verfügung.« Auch Entwicklungsministerin Reem Alabali Radovan (SPD) kündigte im »Bericht aus Berlin« der ARD einen dreistelligen Millionenbetrag für den Wiederaufbau an.
»Eine vollständige Wiederherstellung wird in vielen Fällen sehr große bauliche Maßnahmen erfordern. Und das wird lange dauern«, sagte Christof Johnen vom Deutschen Roten Kreuz gegenüber der taz und fügte hinzu: »Selbst wenn die Waffenruhe hält und Hilfe ungehindert in den Gazastreifen kommt, wird es sicherlich Monate dauern, bis es eine Stabilisierung der Gesundheitsversorgung gibt.«
Action Medeor betont, dass bei der schnelleren Versorgung die Frage des Zugangs und eine planvolle Bereitstellung vor Ort wichtiger seien als die Frage der Beschaffung. Auch AoG appelliert an alle handelnden Akteure, die Unterstützung der Menschen vor Ort nun endlich ins Zentrum ihres Handelns zu rücken.