Hochschullehrende warnen vor Zusammenbruch des Systems |
Lohnt sich ein Pharmaziestudium überhaupt noch? Die veraltete Approbationsordnung und die Herabwürdigung des Apothekerberufs durch die geplante Apothekenreform machen dieses immer unattraktiver, warnt ein Zusammenschluss aus Professorinnen und Professoren. / Foto: Getty Images/ skynesher
Die Kritik stammt aus einer aktuellen Stellungnahme der »Konferenz der Fachbereiche Pharmazie« (ehemals »Verband der Professoren an Pharmazeutischen Hochschulen der Bundesrepublik Deutschland«), zu der sich Professorinnen und Professoren zusammengeschlossen haben, die in Deutschland an der Ausbildung zum Apothekerberuf beteiligt sind.
Mit großer Sorge beobachten die Lehrenden, »wie das Ansehen der Ausbildung zum Apotheker für die öffentliche Apotheke in Deutschland immer weiter herabgewürdigt wird.« Dies werde dazu führen, dass immer weniger Schüler Pharmazie studieren möchten und noch mehr Absolventen als jetzt schon der öffentlichen Apotheke den Rücken kehren werden – und das jetzige System schließlich nicht mehr aufrecht erhalten werden kann. Ihre Einschätzung begründen sie insbesondere mit der geplanten Apothekenreform und dem Stillstand bei der Überarbeitung der Approbationsordnung. Auch die neue Formulierung des Heilmittel-Claims kritisieren sie.
Durch das Apothekenreformgesetz (ApoRG) mache sich immer mehr die Auffassung breit, dass in Zukunft Apotheke ohne Apotheker möglich sein wird. »Auch wenn dies momentan nicht so gemeint sein sollte, so bedeutet der Einstieg in die Möglichkeit, eine Apotheke ohne approbierten Apotheker öffnen zu können, für uns einen Weg in die völlig falsche Richtung«, betonen die Lehrenden. »Der Ersatz von Apothekern durch PTA missachtet die hochwertige Ausbildung von Apothekern in Deutschland und gefährdet die Patientensicherheit.«
Der Bedarf an qualifizierter Beratung in der Apotheke – der immer größer werde – sei nicht immer planbar oder über eine Fernberatung abzudecken. Alleine deshalb müsse eine approbierte Fachkraft vor Ort sein. Darüber hinaus minderten Light-Apotheken, wie sie das ApoRG vorsieht, die Attraktivität des Pharmaziestudiums. Denn wer wolle noch Pharmazie studieren, wenn eine Apotheke nicht mehr unbedingt einen Apotheker benötigt?
Dringend gehandelt werden müsse auch bei der Novellierung der Approbationsordnung, die mittlerweile 35 Jahre alt und nicht mehr zeitgemäß ist. Denn in der Zwischenzeit habe es einen enormen Zuwachs an wissenschaftlichen Erkenntnissen gegeben und auch das Berufsbild des Apothekers habe sich stark gewandelt.
»Hierzu sind Vorschläge vom sogenannten Runden Tisch unter Beteiligung aller Interessentengruppen erarbeitet worden, wobei das zentrale strukturelle Element eine einheitliche Approbation für alle pharmazeutischen Tätigkeiten ist.« Da insbesondere die patientenorientierte Pharmazie an Gewicht gewinne und den Apothekern durch die pharmazeutischen Dienstleistungen immer mehr Aufgaben übertragen worden seien, sei dies nicht mehr in nur acht Semestern zu schaffen. Das Positionspapier sieht deshalb vor, das Studium um zwei Semester zu verlängern.
Doch das BMG schweigt hierzu, obwohl es bereits alle geforderten Unterlagen erhalten habe, die belegen, dass weltweit fast alle Pharmaziestudiengänge länger als acht Semester dauern. »Uns ist bewusst, dass gerade im Gesundheitswesen viele dringende Fragen anstehen, jedoch stellt das seit langem andauernde Schweigen zu dem Entwurf der Novellierung der Approbationsordnung eine Missachtung der Notwendigkeit einer zeitgemäßen, auf neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhenden Ausbildung der Apotheker dar«, so die Hochschullehrenden.
Es sei unverständlich, bislang noch keine Antwort auf die Vorschläge erhalten zu haben. »Im Sinne von zum Beispiel Patientensicherheit, Arzneimittelversorgung und wirtschaftlicher Konkurrenzfähigkeit ist die Sicherstellung einer hochqualifizierten Ausbildung essenziell.«
Die Hochschullehrenden fordern das BMG auf, sich rasch mit der Novellierung der Approbationsordnung zu beschäftigen. Dies sei auch wichtig im Hinblick auf eine neue EU-Richtlinie (DeIRL-EU 2024-7829, die neue Mindestanforderungen für die Apothekerausbildung definiert, die bis März 2026 eingeführt werden müssen. Andernfalls würde der deutsche Abschluss nicht mehr automatisch in allen EU-Mitgliedstaaten anerkannt werden.
»Diese neuen notwendigen Inhalte können nicht in die vorhandenen acht Semester integriert werden«, informieren die Lehrenden. Dies führe deshalb automatisch zur Verlängerung des Pharmaziestudiums. Das Positionspaper, das dem BMG vorliegt, entspreche bereits den Vorgaben der EU-Richtlinien. Obwohl die Zeit dränge, seien die Hochschullehrenden noch in keiner Weise darauf angesprochen worden, wie man die EU-Vorgaben umsetzen wolle.
Nicht nur das ApoRG und die veraltete Approbationsordnung verärgern und besorgen die Lehrenden. Seit § 4 des Heilmittelwerbegesetzes (HWG) Ende des vergangenen Jahres geändert wurde, muss gendergerecht für Heilmittel geworben werden. Aus »Zu Risiken und Nebenwirkungen lesen Sie die Packungsbeilage und fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker« wurde »Zu Risiken und Nebenwirkungen lesen Sie die Packungsbeilage und fragen Sie Ihre Ärztin, Ihren Arzt oder in Ihrer Apotheke«. Das BMG hat die Apothekerinnen und Apotheker komplett aus der Formulierung gestrichen.
Auch wenn die Umstellung dieser Formulierung von vielen gar nicht wahrgenommen worden sei, so sei auch
dies ein großes Ärgernis für die Verantwortlichen der Pharmazeutenausbildung. »Eine höhere Wertschätzung des fachlich anspruchsvollen Pharmaziestudiums durch eine passendere Formulierung wäre ein wichtiges Signal für alle approbierten Apotheker und den pharmazeutischen Nachwuchs«, sind sich die Hochschullehrenden einig. Ihr Vorschlag lautet: »Zu Risiken und Nebenwirkungen lesen Sie die Packungsbeilage und holen Sie sich ärztlichen oder apothekerlichen Rat ein.«
»Alle angesprochenen Punkte erfüllen uns mit großer Sorge, wie man in Deutschland mit der Ausbildung der Apotheker umgeht.« Wenn man damit versuche, dem Mangel an Apothekern entgegenzutreten, werde wahrscheinlich genau das Gegenteil eintreten. Die sicherlich nach wie vor vorhandene hohe Qualifikation, die Pharmaziestudierende in Deutschland erhalten, werde den neuen EU-Vorgaben nicht gerecht.
»Schüler werden durch diese Beschädigungen des Ansehens immer weniger dazu motiviert werden, ein Pharmaziestudium zu ergreifen. Wenn sie trotzdem Pharmazie als ihr Fach auswählen, werden sie sich mit Abschluss des Studiums eher für eine Tätigkeit in der Industrie entscheiden, da sie dort nach wie vor ein großes Ansehen genießen«, sind sich die Lehrenden sicher. Schon jetzt sei dieser Trend sichtbar, der durch die oben angesprochenen Aktionen verstärkt werde.
Um dem Mangel an Apothekern entgegenzutreten, sei es wichtig, diese von Bürokratie zu entlasten und ihnen eine solide, finanzielle Grundlage zu ermöglichen. »Man darf aber nicht das Ansehen des Apothekers immer weiter herabwürdigen und so Schüler und Studierende von diesem Berufszweig abschrecken. Ohne Attraktivität für den öffentlichen Apotheker wird das jetzige System in Deutschland zusammenbrechen«, warnen die Hochschullehrenden.
Es bleibe zu hoffen, dass das BMG diesem Trend Einhalt gebietet, indem es den Referentenentwurf zum ApoRG überdenkt, sich dem Vorschlag zur Änderung der Approbationsordnung widmet und die angesprochene Formulierung im Heilmittelwerbegesetz neu fasst.